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Wi-Fi 6: Was kann WLAN 802.11ax besser als 802.11ac?
Wi-Fi 6 alias 802.11ax verspricht mehr Geschwindigkeit, mehr Zuverlässigkeit, mehr Reichweite und weniger Akku-Verbrauch im Endgerät. Wie ist das möglich?
Ende 2019 wird die finale Ratifizierung des nächsten WLAN-Standards 802.11ax durch das internationale Standardisierungsgremium IEEE erwartet. Die neuen WLAN-Entwürfe sind aber seit 2017 bekannt. Daher gibt es schon seit 2018 erste Access Points und Router in 802.11ax-Technik zu kaufen.
802-Endungen wie 11a, 11b, 11g, 11ac und 11ax verwirren den Käufer. Deshalb führt die Wi-Fi Alliance seit 2018 neue Namen ein: 11n heißt jetzt Wi-Fi 4, 11ac ist Wi-Fi 5 und 11ax wird alternativ Wi-Fi 6 genannt.
Im dritten Quartal 2019, also noch vor der IEEE 802.11ax-Ratifizierung, will die Wi-Fi Alliance ihr Wi-Fi CERTIFIED 6™ Programm starten. Es prüft die neuen WLAN-Produkte vor allem auf gegenseitige Kreuz-Kompatibilität: Wenn alles passt, wird ein Gütesiegel namens Wi-Fi 6 CERTIFIED vergeben.
Wer schon vorher 802.11ax-Geräte kauft, muss darauf hoffen, dass er letzte Änderungen am Standard durch kostenlose Firmware-Updates einspielen kann. Dieses Procedere ist bei WLAN seit fast 20 Jahren üblich. Für große Rollouts in Firmen und Behörden sollte man das Wi-Fi-6-Logo und die finale 802.11ax-Ratifizierung abwarten. Der Standard gilt allerdings bereits als eingefroren. Wir erklären, was 802.11ax-Geräte besser machen sollen als der direkte Vorgänger 802.11ac-Wace-2.
WLAN-Standards: Was leisten die Access Points?
Ein gängiger 802.11ac-AP (Access Point) mit vier Antennen schafft in einem relativ sauberen 5-GHz-Band bei einer Kanalbreite von 80 MHz mit 4 Spatial Streams und 4x4-MIMO brutto 1733 MBit/s. Netto knapp 1000 MBit/s. Beispiel: Fritzbox 7590.
Ein typischer 802.11ax-AP mit ebenfalls vier Antennen erreicht im 5-GHz-Band bei einer Kanalbreite von 160 MHz dank QAM-1024 mit vier Spatial Streams und 4x4-MIMO brutto 4804 MBit/s, netto sind es noch knapp 2500 MBit/s. Beispiel: Asus RT-AX88U.
Alle Messungen haben wir unter optimalen Bedingungen im gleichen Raum durchgeführt, bei 3 Meter Distanz zwischen je zwei identischen WLAN-Routern.
Noch stärkere 802.11ax-APs mit acht Antennen und 8-Stream-MIMO bei 160 MHz und QAM-1024 hatten wir noch nicht im Test. Rein theoretisch müssten sie eine Linkrate von 9608 MBit/s Brutto zustande bringen.
Natürlich können die WLAN-Hersteller auch viele andere Kombinationen aus der Tabelle in Abbildung 2 bauen: Etwa 802.11ax-APs mit nur zwei Antennen, um Bauteile, Kosten, Platz, Gewicht und Stromverbrauch zu reduzieren.
Ein Performance-Sprung von 1733 auf 4804 MBit/s klingt immer gut. Doch 802.11ax will mehr. Der neue IEEE-Standard soll der WLAN-Schwäche in sehr bevölkerten WLAN-Umgebungen entgegenwirken. 802.11ax will die berühmten Kollisionen in überfüllten WLANs reduzieren und durch einen effizienteren Umgang mit den knappen Bändern und Kanälen mehr Stabilität und Zuverlässigkeit in stark beanspruchte WLANs bringen.
IEEE 802.11ax: Vorteile und Einsatzbereiche
Laut HPE-Aruba bringt WLAN nach IEEE 802.11ax Unternehmen folgende Vorteile:
- Erhöhter aggregierter Netzwerkdurchsatz
- Erhöhter Durchsatz bei größeren Entfernungen
- Höhere Maximal-Speed-Peaks bei einzelnen WLAN-Usern
- Reduzierter Netzwerk-Overhead
- Erhöhte Effizienz in dichten WLAN-Umgebungen
- Erhöhte Robustheit bei Outdoor-Verbindungen
- Weniger Stromverbrauch bei WLAN-Clients
- Verbesserte Koexistenz bei mehreren WLAN-Systemen
Typische Einsatzbereiche für 802.11ax sind laut Aruba:
- Drahtlose Großraumbüros
- Flughäfen und Bahnhöfe
- Schulen und Universitäten
- Einkaufszentren
- Smart Cars und Smart Cities
- Fußball- und Sportstadien
- Dicht besiedelte Umgebungen
Der Fortschritt von 11ac zu 11ax kommt durch ein enges Zusammenwirken vieler alter und neuer Eigenschaften zustande. Hier ein Überblick. Details weiter unten:
- Multi-User MIMO (MU-MIMO) bringt mehr Effizienz bei dicken Datenpaketen, nicht nur im Download (DL), sondern jetzt auch im Upload (UL). Perfekt fürs 4K-Video-Conferencing.
- OFDMA kann durch seine granularen Subkanäle auch kleine Datenpakete sehr effizient verwalten, etwa jene aus IoT-Sensoren. Außerdem schonen die nur 2-MHz-schmalen Subkanäle das ohnehin überfüllte Spektrum in der Luft.
- QAM-1024 bei 802.11ax bringt im Vergleich zum älteren QAM-256 bei 802.11ac noch mal 25 bis 35 Prozent mehr Datendurchsatz.
- TWT soll die Akkulaufzeit bei 802.11ax-Clients verlängern, was ebenfalls ein guter Grund wäre, 802.11ax bald intensiver zu testen und zu pilotieren.
WLAN bei 2,4 und 5 GHz
Das neue 802.11ax muss vorerst mit den gleichen Frequenzbändern zurechtkommen, die bisher schon durch 802.11a, 11b, 11g, 11n und 11ac stark übervölkert sind.
802.11ax-Geräte können jedoch beide Bänder bei 2,4 und bei 5 GHz mit einer Gesamtbreite von derzeit 538,5 MHz einheitlich bespielen. Dagegen funktioniert 802.11ac bislang nur im großen 5-GHz-Band. Im 2,4-GHz-Band müssen 802.11ac-Geräte auf 11n oder 11g zurückschalten.
Im 2,4-GHz-Band darf WLAN nur 83,5 MHz nutzen. Im 5-GHz-Bereich sind es 455 MHz, aber nur die untersten 100 MHz im UNII-1-Unterband sind relativ konfliktarm, siehe Abbildung 3, grüne Zeile. In den weiteren 355 MHz (die zwei orangen Zeilen) müssen WLAN-Geräte diversen Radarwellen ausweichen (DFS) oder die Sendestärke herunterfahren (TPC). Beides begrenzt die Leistung und Zuverlässigkeit von 11ac und 11ax beträchtlich. Doch Besserung ist in Sicht.
WLAN von 1 bis 7 GHz
Mit geringem Aufwand könnten neue 802.11ax-APs zusätzliche WLAN-Bänder von 1 bis 7 GHz bespielen. Dann gäbe es mehr Platz im Kampf um die knappen Kanäle:
- In den USA hat die Federal Communications Commission alias FCC schon vorgeschlagen, das 6-GHz-Band im Bereich von 5925 bis 7125 MHz für die lizenzfreie Nutzung bereitzustellen. Das wären satte 1.200 MHz mehr für Funkgeräte wie WLAN.
- In Europa prüft die Europäische Kommission ebenfalls die Öffnung des 6-GHz-Bandes im Bereich von 5925 bis 6425 MHz für die lizenzfreie Nutzung durch Funktechniken wie etwa WLAN-802.11ax. Das wären 500 MHz. Rechnet man die bisherigen 538,5 MHz dazu, dann kämen in Europa 1038,5 MHz für WLAN zusammen.
160-MHz-Kanäle für Bandbreitenfresser
Grob gesagt gilt: Doppelte Kanalbandbreite bringt doppelte Geschwindigkeit: Im 5-GHz-WLAN-Band unterstützt 802.11ax Kanalbandbreiten von 20, 40, 80 und 160 MHz. Im schmäleren 2,4-GHz-Band dürfen die Kanäle 20 oder 40 MHz breit sein.
Der volle Speed eines AP mit 160 MHz stellt sich allerdings nur ein, wenn auch der WLAN-Client 160 MHz beherrscht. So starke 802.11ax-Endgeräte waren Anfang 2019 noch nicht auf dem Markt.
Störungsarme WLAN-Kanäle von 80 oder 160 MHz eignen sich hervorragend für 4K-8K-Video-Streaming, High-Res-Video-Conferencing, große Storage-Backup-Läufe und weitere Bandbreiten-Fresser.
MU-MIMO für 4K-Videokonferenzen
Seit 802.11ac hat sich das Prinzip MU-MIMO durchgesetzt. MU steht für Multi-User. MIMO steht für Multiple Input, Multiple Output:
Seit 802.11ac-Wave-2 war 4-Stream-MIMO auf vier Kanälen möglich, aber nur im Downstream. Typische Download-Geschwindigkeit hierbei: 1733 MBit/s Brutto.
Mit 802.11ax wird MU-MIMO nun dank 8x8-MIMO auf acht Kanäle ausgedehnt. Und zwar im Download und im Upload. Zu den ersten lieferbaren Vertretern gehören die 8-Stream-APs Huawei AP7060DN und Ruckus R730. Bald auch der Netgear RAX120 sowie bereits angedeutete AP-Modelle von Cisco.
4-Stream-Geräte haben vier Antennen. 8-Stream-Geräte benötigen acht Antennen, egal ob diese nun extern sichtbar oder innerhalb eines APs versteckt montiert sind.
MU-MIMO nutzt das wertvolle Spektrum in der Luft mit jeder neuen WLAN-Generation immer effizienter. Die jüngsten MU-MIMO-Verbesserungen sind besonders hilfreich, wenn mehrere WLAN-Nutzer in dicht gefüllten WLAN-Umgebungen dicke Datenpakete hochsenden wollen. Das passiert im echten Leben immer öfters, etwa bei Social-Media-Postings mit hochauflösenden Fotos und Videos, oder beim Business-Video-Conferencing via WLAN in HD-720p, Full-HD-1080p, 4K-UHD und bald auch in 8K-Video-Qualität.
Man muss die acht Funkkanäle von 8x8-MU-MIMO übrigens nicht auf acht verschiedene WLAN-Verbraucher verteilen. Man kann sie auch auf weniger Geräte bündeln. Das erhöht dann die Geschwindigkeit pro Endgerät.
Um alle machbaren MIMO-Streams auf einen einzigen WLAN-Client zu bündeln, braucht man geeignete Endgeräte. Derart schnelle 802.11ax-Endgeräte werden ab Frühling 2019 erwartet.
Fazit zu MIMO: Von 4x4 oder gar 8x8 MU-MIMO profitieren vor allem dicke und lange Datenpakete. Kurze und schlanke Datenpakete aus IoT-Geräten oder aus Sprachübertragungen dagegen werden vorzugsweise über OFDMA gehandhabt. 802.11ax kann MIMO und OFDMA auch gleichzeitig anwenden.
OFDMA für viele IoT-Sensoren
Bei 802.11ac-WLAN wurde OFDM alias Orthogonal Frequency Division Multiplexing als Kanal-Management-Methode genutzt: Es belegt den gesamten Frequenzbereich eines WLAN-Kanals pro Zeiteinheit für eine Datenübertragung.
Mit 802.11ax zieht nun erstmals eine komplexere Technik namens OFDMA ins WLAN ein. Das Kürzel steht für Orthogonal Frequency Division Multiple Access und ist schon vom LTE-Mobilfunk her bekannt.
Sparsame 2MHz-Unterkanäle
OFDMA kann den Frequenzbereich eines WLAN-Kanals pro Zeiteinheit in mehrere Frequenzblöcke unterteilen. Solche Sub Carrier, quasi Unterkanäle, werden auch Resource Unit alias RU genannt. Sie dürfen bis zu 2 MHz schmal sein. Damit blockieren kleine Datenübertragungen keinen kompletten 20-, 40- oder gar 80-MHz-breiten Kanal mehr für sich alleine. Der 802.11ax-AP kann aber auch mehrere 2-MHz-Kanäle ganz nach Bedarf zu breiteren Datenstraßen zusammenfassen.
Durch OFDMA bekommt der AP ab 802.11ax eine ganz neue Machtposition im WLAN, die er bis 802.11ac nicht hatte. Sie hilft ihm, die knappen WLAN-Kanäle viel effizienter zu nutzen und die aus älteren WLANs bekannten und berühmten Kollisionen besser in Grenzen zu halten.
OFDMA im Upload und im Download
OFDMA funktioniert bei 802.11ax im DL und im UL. Der Nutzen von OFDMA ist vor allem bei vielen kleinen Datentransporten in sehr dichten Umgebungen beträchtlich. Im Gegensatz zu anderen Effizienz-Boostern wie QAM-1024 soll OFDMA nicht nur bei kurzen, sondern auch bei mittleren und großen WLAN-Distanzen gut funktionieren.
Speed-Booster QAM-1024
QAM steht für Quadrature Amplitude Modulation:
- 11ag brachte QAM-64
- 11ac brachte QAM-256
- 11ax bringt jetzt QAM-1024
Der jüngste Schritt von QAM-256 auf QAM-1024 erhöht die Zahl der Bits pro Symbol von 8 auf 10. Das bringt, etwa laut HPE-Aruba oder Ruckus Wireless, einen Speed- und Spektral-Effizienzzuwachs von 25 Prozent. Cisco attestiert dieser jüngsten Verbesserung sogar einen Speed-Zuwachs von 35 Prozent.
Der Speed-Booster QAM-1024 braucht keine zusätzlichen Antennen, er funktioniert einfach nur durch das raffiniertere Modulationsverfahren. Allerdings funktioniert das nur unter optimalen Bedingungen, auf kurze Distanz, bei einem sehr guten Signalpegel und bei sehr geringen Störungen.
TWT verbessert Akku-Laufzeiten
In älteren WLAN-Generationen bis 802.11ac haben WLAN-Clients wie Smartphones viel Akku-Power nur dazu verbraten, ständig zu lauern, ob Datenpakete für sie ankommen.
802.11ax will diese Stromverschwendung beim Client nun durch TWT alias Target Wakeup Time reduzieren: Mit dieser Technik kann der Client mit dem AP aushandeln, wie oft er überhaupt aufwachen muss, um die Stimme seines Herrn zu hören. Das freut nicht nur die ständig klammen Handy-Akkus, sondern vor allem IoT-Geräte, die sowieso nur alle paar Sekunden, Minuten, Stunden, Tage oder gar Wochen einen kleinen Messwert mit dem Access Point austauschen wollen.
TWT kommt somit zur rechten Zeit, denn gerade IoT-Sensoren wird ja ein enormes Wachstum vorausgesagt. Wenn sie dank TWT jetzt länger schlafen dürfen und nur noch selten funken müssen, sparen sie nicht nur Akku-Strom, sondern funken auch die knappe WLAN-Luft nicht ständig nieder.
Weil IoT-Sensoren dank OFDMA auch nur noch einen 2-MHz-Unterkanal belegen können, und keinen 20-40-80-MHz-breiten Luxus-Kanal für einen winzigen Messwert blockieren müssen, kann 802.11ax unterm Strich hier ganz viel neue Effizienz ins WLAN bringen.
Kompatibilität zwischen 802.11ac und 802.11ax
Es versteht sich fast von selbst, dass die 802.11ax-Hersteller eine weitgehende Rückwärtskompatibilität mit Geräten älterer WLAN-Normen versprechen. Der volle Nutzen von 802.11ax kann sich allerdings nur entfalten, wenn möglichst viele WLAN-Clients schon alle Raffinessen von 802.11ax verstehen: Man denke an MU-MIMO im DL und im UL. An OFDMA, an QAM-1024 und an das Energie-Management TWT.
Da 802.11ax-Clients effizienter mit den knappen Ressourcen umgehen können, ist zu erwarten, dass in gemischten AC-AX-Umgebungen mehr Luftraum für dümmere WLAN-Clients frei wird. Dieser neue Platz wird aber sicher schnell durch das rasche Wachstum des Datenaufkommens aufgefressen.
Schnellere CPUs und Multi-Gig-LAN-Ports
Zu guter Letzt sollen mit 802.11ax auch die Reichweiten steigen und die Ping-Zeiten sinken. Natürlich haben die neuen 802.11ax-Top-Geräte nicht nur schnellere Funkmodule, sondern auch schnellere CPUs und schnellere LAN-Ports als die bisherigen 802.11ac-Basisstationen. Sonst könnten sie den schnellen 802.11ax-Funkverkehr ja nicht mehr ungebremst in die dahinter liegenden Netzstrukturen durchschaufeln.
Im zweiten Teil dieser Wi-Fi-6-Reihe vergleichen wir einen typischen 802.11ac-Router (Fritzbox 7590) im Detail mit einem typischen 802.11ax-Router (Asus RT-AX88U).