Susecon: SUSE feiert neuen Eigentümer und neue Strategie
Der Open-Source-Spezialist SUSE schlägt ein neues Kapitel in der Firmengeschichte auf. Auf der Susecon 2019 in Nashville zeichnete sich ab, wohin die Reise geht.
Im Mittelpunkt der Susecon standen dieses Jahr wenig technische Neuheiten. Vielmehr feierte der Nürnberger Open-Source-Spezialist SUSE seine „neue Unabhängigkeit“ – wie es CEO Nils Brauckmann ausdrückte. Damit sprach er die Trennung vom britischen Softwarehaus Micro Focus an, zu dem sein Unternehmen seit 2014 gehörte.
Die SUSE-Anteile von Micro Focus erwarb der schwedische Investmentfonds EQT für 2,5 Milliarden US-Dollar. Am 15. März wurde diese Übernahme abgeschlossen. „In vielen unserer Niederlassungen gab es richtige Independence Day Partys“, sagt Brauckmann über die neue Eigentümersituation.
Eigenständigkeit und Wachstum auch unter Micro Focus
Dabei konnte SUSE unter Micro Focus ebenfalls viel Eigenständigkeit bewahren und seine Linux- und Open-Source-Software stetig erweitern. Zwar sagt Brauckmann heute, dass es „eine gewisse Einflussnahme“ gab. Doch diese muss so gering gewesen sein, dass das Unternehmenswachstum nicht beeinträchtigt wurde.
Das Unternehmen ist in den letzten sieben Jahren kontinuierlich gewachsen. Im jüngsten Geschäftsjahr gab es ein Plus von 15 Prozent, bei einem Umsatz von 400 Millionen US-Dollar. Das ist allerdings immer noch deutlich weniger als die 3,4 Milliarden US-Dollar Umsatz, die Open-Source-Marktführer Red Hat zuletzt erwirtschaftete.
Kaufen – investieren – abstoßen
Wie sich die neue Konstellation auf das Unternehmen, die Produkte und die Märkte auswirken wird, bleibt abzuwarten, denn EQT ist ein Investmentfond und kein IT-Unternehmen.
„EQT ist kein Technologie-Unternehmen – und will auch keines werden. Sie mischen sich nicht in unser operatives Geschäft ein, wollen aber kräftig investieren. Und zwar sowohl in Akquisitionen, als auch in den organischen Ausbau unsere bestehenden Produkt- und Servicefelder“, sagt Brauckmann über die weiteren EQT-Pläne.
EQT bezeichnet sich selbst als Growth Fond. Die Strategie solcher Fonds ist die Akquisition von unterbewerteten Unternehmen, die ein beachtliches Wachstumspotenzial haben. Man investiert in Firmen, um dieses Potenzial zu realisieren. Das steigert den Firmenwert und sobald dieser deutlich über dem liegt, was man investiert hat, sucht man nach einer geeignete Exit-Strategie - meistens ein Weiterverkauf.
Vergleich mit Kabel BW drängt sich auf
Ein gutes Beispiel für diese Vorgehensweise ist die Akquisition von Kabel BW durch EQT für 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2006. Anschließend wurde viel investiert, inklusive der operativen Gewinne. Fünf Jahre später verkaufte EQT den Kabel-Provider für 3,16 Milliarden Euro an Liberty Global. Im Jahr 2012 fusionierte Kabel BW mit Unitymedia.
Mit der Akquisition von SUSE hat EQT vermutlich ähnliches vor. Ein Faktor ist wahrscheinlich, dass Open Source salonfähig geworden ist. Zwei Akquisitionen im vorigen Jahr sind ein Indiz dafür: Im Juni kaufte Microsoft für 7,5 Milliarden US-Dollar die Open-Source-Plattform GitHub und im Oktober zahlte IBM 34 Milliarden US-Dollar für den SUSE-Konkurrenten Red Hat.
Koop-Konkurrenz mit IBM
Brauckmann sieht vor allem die Red-Hat-Übernahme positiv. „Erstens: Die IBM-Akquisition hat vielen CIOs klar gemacht, dass Open Source eine solide Softwarenutzung ist - das wird den Markt deutlich beflügeln. Und Zweitens: Sobald die Akquisition abgeschlossen ist, sind wir der größte unabhängige Open-Source-Provider – ein Faktor, der von vielen unserer Kunden geschätzt wird“, sagt er über den Deal.
Die neue Unabhängigkeit passt laut Brauckmann in die Unternehmensstrategie. „Die Philosophie von Open Source basiert doch auf offener Unabhängigkeit – also dem Gegenteil eines Vendor Lock-ins bei dem sich das Rot langsam in ein Blau verfärbt“, sagt er mit einem Seitenhieb auf Red Hat und IBM.
Dabei muss der SUSE CEO demnächst vorsichtig sein. Immerhin ist IBM einer der größten SUSE-Kunden. Darauf angesprochen, versuchte er die Flamme klein zu halten: „Ich weiß natürlich nicht, was morgen sein wird, aber derzeit hat IBM sein Volumen bei uns nicht gekürzt.“
Nils Brauckmann, SUSE CEO
Und auch die von ihm hoch gelobte Bedeutung des „größten unabhängigen Open-Source-Providers“ ist im Gesamtzusammenhang zu sehen. Außer SUSE gibt es praktisch nur noch Canonical – damit ist der Markt überschaubar.
Neues Geld für neue Märkte
Analysten sehen die neuen Eigentümerverhältnissen bei SUSE positiv. „Die neue Unabhängigkeit und die neuen finanziellen Ressourcen erlaubt es SUSE, ihre führende Position im Linux-Markt weiter auszubauen und gleichzeitig in neue dynamische Märkte wie Cloud-native DevOps zu investieren“, sagt Jay Lyman, Principal Analyst bei der 451-Group.
Brauckmann selbst sieht die SUSE-Zukunft vor allem im Bereich von Cloud-Umgebungen. „Multi-Cloud ist Realität bei allen großen Unternehmen, und deren IT-Experten fordern bessere Management-Tools eine bessere Security und vor allem wesentlich effizientere Container-Tools, die weit über das hinausgehen, was Kubernetes heute bietet“, sagt er zur Strategie der Firma.
Welche Neuankündigungen gab es?
Neben den vorherrschenden Strategie-Themen gab es auch mehrere Produktankündigungen:
- Cloud Application Platform 1.4 wird Ende April 2019 veröffentlicht. Es ist die erste Plattform, bei der das Cloud Foundry PaaS in eine Kubernetes-native Architektur eingebunden ist.
- SUSE ist jetzt ein von der Cloud Native Computing Foundation (CNCF) Kubernetes-zertifizierter Service Provider. Damit zeigt SUSE, dass man Unternehmen bei der Implementierung von Kubernetes zuverlässig unterstützen kann.
- Das erste Enterprise Linux Image für SAP HANA Large Instances ist jetzt auf Microsoft Azure verfügbar.
- Die neueste OpenStack Platform (Enterprise) wird im April als SUSE OpenStack Cloud 9 verfügbar sein. Sie basiert auf OpenStack Rocky und verbindet laut SUSE das Beste aus der SUSE OpenStack Cloud und der HPE OpenStack-Technologie.
„Wir wollen mit unserer Technologie die Unternehmen bei ihrer digitalen Transformation unterstützen, und das umfasst alle Bereiche: von der Edge über Core und On-Premises bis in die Cloud“, sagt CTO Brent Schroeder über den roten Faden, an dem sich die Produkt- und Service-Entwicklungen orientieren.