freshidea - stock.adobe.com
Wie ein aufgeräumtes Anwendungsportfolio Erfolg bringt
Die Ordnungsberaterin Marie Kondo hat einige Tipps für Aufräumwillige parat. Doch unterstützt die KonMari-Methode auch beim Aufräumen des Anwendungsportfolios?
Jeder, der schon einmal einen gründlichen Frühjahrsputz in seiner Wohnung durchgeführt hat, weiß, dass es einfacher ist, dies in einem Rutsch zu tun, als hier und da ein bisschen aufzuräumen. Für Marie Kondo mag das Aufräumen nach und nach zu dem führen, was sie als „kurze Momente der Ruhe“ bezeichnet, aber die Unordnung kommt immer wieder. Ein echtes, einmaliges Aufräumfest kann mehrere Wochen dauern, muss es aber nicht.
Dieser Ansatz lässt sich auch auf die Bereinigung eines Anwendungsportfolios anwenden. Klein anfangen, zügig vorgehen und versuchen, nicht alles auf einmal zu erledigen. Das Aufräumen kann einmalig beginnen, hört aber nie wirklich auf. Durch einen agilen Ansatz mit kleinen Iterationen und Interaktionen mit kontinuierlichen Fortschritten, anstatt alles in einem großen Schwung anzugehen, wird die Aufgabe viel einfacher. Modernisierungsprojekte können bei Tausenden von Anwendungen Jahre in Anspruch nehmen, daher ist es wichtig, sich Zeit zu lassen und den Weg vom Ende her zu planen.
Das Ende vom Start weg visualisieren
Die KonMari-Methode schlägt vor, sich seinen idealen Lebensstil vorzustellen, bevor man mit der Aufräumaktion beginnt. Dies ist ein entscheidender Schritt, wenn es zu einer Lebensstiländerung kommen soll. Es ist wichtig, sich darüber klar zu werden, warum man aufräumen will und welche Art von Leben man führen möchte, wenn man fertig ist.
Die Modernisierung eines großen Portfolios kann entmutigend sein und keine wirklich sinnvolle Rendite im Sinne von Geschäftsergebnissen erzielen, wenn sie nicht schon früh im Prozess richtig eingeplant wird. Wichtig ist dabei, auch andere Mitglieder des Unternehmens mit einzubeziehen, anstatt sich nur auf die IT zu konzentrieren. So wird sichergestellt, dass die Aufräumaktion gleichzeitig Geschäftsziele und IT-Ziele im Einklang bringt.
Es ist wichtig, von Anfang an klare Ziele und messbare Schlüsselergebnisse festzulegen und diese zur Steuerung und Bewertung des Erfolgs zu nutzen. Dabei sollten zunächst festgelegt werden, was die Ziele sind: qualitativ, zeitlich begrenzt (für die Dauer der nächsten vier bis sechs Wochen) und ehrgeizig.
Für jedes Ziel müssen zudem konkrete Ergebnisse definiert werden, um den Erfolg einzuschätzen: quantitativ und messbar. Diese Ziele und Schlüsselergebnisse (OKRs) werden zu einem echten Nordstern für das Projekt, indem sie jede Aktivität effizient auf ihre Definition von Geschäftsfreude abstimmen. Es mag etwas trivial klingen, aber dies wird oft übersehen. Bei Modernisierungsprojekten wird oft zu viel Zeit und Mühe darauf verwendet, unbedeutende technische Änderungen vorzunehmen, anstatt sich auf die gewünschte Geschäftsergebnisse zu konzentrieren.
Nach Kategorien aufräumen und die richtige Reihenfolge einhalten
Die Reihenfolge, in der man aufräumt, ist das Geheimnis von Kondos Methode. Begonnen wird mit den Gegenständen, die den geringsten Gefühlswert haben, wie Kleidung, Bücher und Papiere, um sich dann zu den wertvollen Dingen wie alten Fotos, Familienerbstücken oder Karten vorzuarbeiten. Falls erforderlich, empfiehlt sie, die Kategorien in Unterkategorien aufzuteilen, zum Beispiel nach Art, Farbe und Größe. Diese Kategorisierung verhindert, dass die Aufräumwütigen verzagen, wenn sie mit einem Raum fertig sind und in einem anderen Raum noch mehr davon zu reinigen ist.
Erfolgreiche Projekte zur Rationalisierung des App-Portfolios folgen ganz ähnlichen Prinzipien. Sie verfolgen einen hochgradig strukturierten und klar definierten Ansatz zur Umgestaltung des Portfolios und lassen gleichzeitig Raum für Flexibilität und kleine Iterationen.
Ähnliche Anwendungen werden zusammengefügt, um die Aufgabe der Erstellung einer Strategie und der empfohlenen transformativen Maßnahme (Beibehalten, Ersetzen, Rehosting, Refactoring, Replatform, Rebuild), der angestrebten Zielabstraktionsebene (IaaS, CaaS, PaaS, FaaS, SaaS) und einer Landezone (Public, Private, Hybrid, Multi-Cloud) zu rationalisieren. Bei der Einteilung der Anwendungen in Gruppen sollten zahlreiche Faktoren wie Architektur, Sprache, Geschäftskritikalität, Umfang und Lebenszyklus berücksichtigt werden.
Von dort aus werden der potenzielle geschäftliche Nutzen von Anwendungen und die technischen Schwierigkeiten, die sie mit sich bringen, analysiert. Beide Perspektiven werden in einer zwei-mal-zwei-Matrix – dem magischen Quadranten – kombiniert, um fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, was mit welchen Anwendungsgruppen zu tun ist (Disposition). Das Matrixdiagramm ist ein einfaches Quadrat, das in vier gleiche Quadranten unterteilt ist. Eine Achse steht für die Geschäftsfreude, die andere für die technische Bereitschaft. Leichte Beute mit hohem Potenzial sind zum Beispiel die Anwendungen im Quadranten mit hohem Geschäftspotenzial und geringem Modernisierungsaufwand.
Geschäftsfreude durch die fünf S
Die Idee, dass jeder Gegenstand, den wir besitzen, uns Freude bereiten sollte, ist ein Kernpunkt der gesamten KonMari-Philosophie und auch für die Softwareentrümpelung. In der Softwareentwicklung kann Freude von einer Geschäftssicht mit Unterstützung der fünf S erfasst werden.
Sparen
Wo können in der gesamten IT-Landschaft Einsparungen erzielt werden? In welchen Bereichen können Kosten vermieden oder zumindest reduziert werden und gibt es eventuell auch Synergien zwischen Abteilungen, die genutzt werden können. Hier ist wieder wichtig, dass abteilungsübergreifend die Geschäftsziele bekannt sind und auf sie hingearbeitet wird.
Stabilität
Benötigt die Anwendung mehr Zuverlässigkeit, Ausfallsicherheit und Qualität? Und kann diese auch gewährleistet werden? Hier ist wichtig, abzuschätzen was geleistet werden kann und in welchem Umfang die Anwendung diese Dinge braucht. Sonst verliert man sich schnell im klein-klein für eine Anwendung, deren Nutzen kleiner ist als der Aufwand, der zu ihrer Stabilisierung betrieben werden muss.
Skalierbarkeit
Kann die Anwendung je nach Bedarf auf- und abwärts skaliert werden und ist das notwendig? Hier muss immer das Geschäftsziel im Auge behalten werden. Je nach Ziel und Nutzung der jeweiligen Anwendung zur Erreichung dieses Ziels, bedarf es vielleicht keiner Skalierbarkeit. Sollte sie jedoch gebraucht werden, muss wie beim Punkt Stabilität darauf geachtet werden, dass die Möglichkeiten zu skalieren einfach und effizient umzusetzen sind. Dabei fallen auch Aspekte wie, der oder die Cloud-Hyperscaler, auf den das Unternehmen sich bei Kapazitätssteigerungen verlassen kann, mit ins Gewicht.
„Es ist wichtig, von Anfang an klare Ziele und messbare Schlüsselergebnisse festzulegen und diese zur Steuerung und Bewertung des Erfolgs zu nutzen.“
Marc Zottner, VMware
Sicherheit
Gibt es ein umfassendes Sicherheitskonzept, das proaktive und schnelle Schadensbegrenzung beinhaltet? Oder kann dieses erstellt werden? Sicherheitskonzepte sind von enormer Bedeutung, daher sollte dieser Punkt nicht unterschätzt oder abgetan werden.
Schnelligkeit
Ist die Anwendung schnell? Dann ermöglicht sie mehr Zeit für Entwickler, um zu programmieren, neue Ideen schneller in Produktion zu bringen und hocheffiziente und automatisierte Betriebsprozesse zu schaffen. Ist sie eher langsam, ist die Frage, ob ihr Betrieb, immer unter Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Aufwands, beschleunigt werden kann.
Wie beim Hausputz sollte man auch bei der Modernisierung von Anwendungen nicht jedes Jahr bei null anfangen. Eine regelmäßige Kehrwoche ist klug. Konsistente Iterationen, kategorisierte Ansätze und der Beginn mit dem Ziel vor Augen helfen dabei, ein viel umfassenderes Programm zur Modernisierung von Anwendungen zu erstellen, auf das sogar Marie Kondo stolz sein würde.
Über den Autor:
Marc Zottner ist für das Thema „Moderne Anwendungen“ im EMEA Technology Office bei VMware zuständig. Zuvor hat er das Programm für Anwendungsmodernisierung bei Red Hat EMEA geleitet und war langjährig als Architekt, Trainer, Project-Lead und Consultant tätig.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.