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Wie Unternehmen mit Datenanalysen widerstandsfähiger werden
Weshalb treffen Ausnahmeereignisse, zum Beispiel eine Pandemie oder Logistikprobleme, nicht alle Firmen mit dergleichen Wucht? Ein Grund: Sie analysieren konsequent ihre Daten.
Momentan stoppen viele Automobilkonzerne die Produktionsbänder, schicken ihre Beschäftigten in die Kurzarbeit, obwohl die Auftragsbücher voll sind. Nach der Pandemie bremst nun die weltweite Chip-Krise die Unternehmen aus, und nicht nur die Fahrzeugbranche ist betroffen. Halbleiter sind begehrt, denn sie stecken inzwischen überall drin: im Smartphone, im Auto, in Elektronikgeräten. Doch inzwischen sind sie rar geworden.
Aber hätte Big Data am generellen Chip-Mangel etwas ändern können? Nein, doch datenzentrierte Unternehmen haben die Chance, sich auf solche Ausnahmeereignisse besser vorzubereiten. Damit hätte sie das Nachfragehoch durch die Pandemie nicht so kalt erwischt. Sie hätten voraussehen können, dass sich ein Erdbeben in Japan, der Schneesturm in Texas und die Dürre in Taiwan gekoppelt mit geopolitischen Spannungen und unterbrochenen Rohstofflieferketten auf die Produktion der Halbleiterhersteller auswirken würden.
Tatsächlich haben einzelne Firmen auf der Basis dieses Wissens einen Lagerbestand aufgebaut. Heißt: Für das Risikomanagement der Unternehmen ist die Datenanalyse ganz entscheidend. Natürlich nicht nur in Krisenzeiten.
Schneller reagieren mit Datenanalyse
Das lässt sich gut an der Lieferkette verdeutlichen: Hier mahnt das Beratungsunternehmen Deloitte mehr Transparenz mittels Datenanalyse an: „Durch erhöhte Sichtbarkeit auch der tieferen Ebenen der Lieferkette können die spezifischen Parameter identifiziert werden, die an einem bestimmten Knotenpunkt des Netzwerks für die jeweilige Performance entscheidend sind.“
Wer alle verfügbaren Informationen kennt, weil er sie permanent und in Echtzeit auswertet, kann rascher umdenken und auch kurzfristig die richtigen Entscheidungen treffen. Das hilft nicht nur bei Black-Swan-Ereignissen wie einer Pandemie, sondern sorgt auch im Alltagsgeschehen für reibungslosere Abläufe. Unternehmen, die datenzentriert arbeiten, positionieren sich belastbarer, weil ihr Management auf der Basis der Daten vorausschauend planen und beispielsweise rasch ermitteln kann, wie sich Krisen oder Marktverwerfungen auf die Hauptsteuerungskennzahlen auswirken werden.
Datenzentrierte Unternehmen
- gewinnen einen transparenten Einblick in alle Bereiche des Unternehmens;
- erfassen systematisch, wie sich Kundenwünsche und Wettbewerbsumfeld entwickeln;
- wissen, an welchen Stellen es stocken wird, wenn ein bestimmter Lieferant ausfällt;
- erkennen frühzeitig Abweichungen in der Produktion;
- registrieren, ob der Ausfall einer Maschine droht;
- schaffen die Basis für neue Technologien wie KI oder digitale Zwillinge;
- und können auf der Grundlage der Datenanalyse die Auswirkung jeder Entscheidung antizipieren.
Analysen statt Vermutungen
Konsequente Datenanalyse vergrößert die Spielräume für Unternehmen: Denn sie erkennen zum Beispiel rasch, ob ein bestimmter Lieferant immer wieder durch Verzögerungen auffällt – und entscheiden dann datenbasiert, ob sie sich von ihm trennen oder künftig lieber mit längerem Vorlauf bei ihm bestellen wollen.
Das heißt nicht, dass das Big-Data-Zeitalter das „Management by Bauchgefühl“ nun beendet. Instinkte und gesunder Menschenverstand sind weiter wichtig – aber sie bekommen mit der Datenanalyse ein solides Fundament. Beispiel Kundenbindung: Wir alle wissen, dass es viele Gründe geben kann, wenn sie plötzlich schwächelt. Vielleicht bearbeitet das Unternehmen die Kundendokumente gerade verzögert. Oder seine Kundschaft erwartet digitale Services, die es noch nicht anbietet. Nur wenn Unternehmen ihre vorhandenen Daten systematisch analysieren und die konkreten Ursachen herausfinden, können sie die richtigen Prioritäten setzen und sich resilienter aufstellen.
Datenanalyse ist für das Gros der Unternehmen kein Neuland. Laut Digitalisierungsindex Mittelstand der Deutschen Telekom analysieren 76 Prozent der Befragten regelmäßig ihre Daten – und damit Geschäfts- und Transaktionsdaten, Log- sowie Sensordaten sowie Informationen aus den sozialen Netzwerken. Doch nur ein Viertel der Unternehmen setzt auf prädiktive Analysen und demnach auf Verfahren, die auf der Basis maschinellen Lernens Entwicklungen vorhersagen können. Dabei sind gerade solche Analysen mit ihren Modellierungen und Simulationsrechnungen ein wichtiges Hilfsmittel für das Risikomanagement.
Datenanalyse ermöglicht digitale Services
Laut einer Capgemini-Studie arbeiten datenorientierte Unternehmen produktiver. Ihre Beschäftigten generieren 70 Prozent mehr Umsatz als der Durchschnitt der Unternehmen. Ihre Margen sind 22 Prozent höher. Sie sind agiler und können die Erkenntnisse aus den Daten in neue Umsätze wandeln, zum Beispiel, weil sie ihre Produkte in Services transformieren und sich die Kundensicht zu eigen machen.
Braucht der Kunde einen Kompressor oder ist er nur an der Druckluft interessiert, fragte sich beispielsweise auch der Maschinenbauer Kaeser. Seit einigen Jahren können seine Kunden Druckluft von ihm beziehen, ohne die dafür nötigen Maschinen kaufen zu müssen. Solche digitalen Geschäftsmodelle basieren auf der Datenanalyse. Nicht nur, weil die Datenauswertung die Kundenwünsche offenbart, sondern Modelle wie Product as a Service erst ermöglicht.
„Zeigen Sie, wie ein datengetriebener Ansatz dabei hilft, die Arbeit aller zu verbessern. Und: Nehmen Sie vorhandene Sorgen der Belegschaft ernst.“
Christian Mehrtens, SAP
Unternehmen denken Service damit komplett neu: Denn nicht der Anwender, sondern der Hersteller muss dafür sorgen, dass die Maschine reibungslos läuft, selbst wenn sie hunderte Kilometer entfernt beim Kunden steht. Predictive-Maintenance-Angebote werten Sensordaten permanent aus. Der Dienstleister erkennt an typischen Fehlermustern, ob er eingreifen muss; ehe die Maschine ausfällt, kann er sie beispielsweise aus der Ferne reparieren.
Der Weg zur Datenstrategie
Sie möchten mit der Datenanalyse ein Frühwarnsystem installieren? Wollen mit Daten neue Geschäftsmodelle aufbauen? Dann empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen: Nutzen Sie Vorreiterprojekte einzelner Abteilungen, um den Rest des Unternehmens zu überzeugen. Als Startpunkte eignen sich Bereiche, die bereits Erfahrungen mit Daten gesammelt haben, etwa das Marketing oder der Service. Entwickeln Sie konkrete Anwendungsszenarien – aber behalten Sie das Gesamtbild im Blick.
Folgende Punkte sollten Sie berücksichtigen:
- Definieren Sie Ihr Zielbild: Wo wollen Sie mit Ihrem Unternehmen hin? Welche digitalen Anwendungen möchten Sie ermöglichen?
- Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre vorhandenen Datenquellen: Müssen diese Daten integriert werden? Wo möchten Sie diese Daten plattformübergreifend zur Verfügung stellen?
- Schauen Sie sich Ihre Datensilos an: Warum gibt es die? Fehlt ein zentrales System? Oder Ihren Beschäftigten die Erfahrung? Definieren Sie, wo welche Daten zur Verfügung stehen sollen und welche Daten sich gemeinsam betrachten lassen.
- Lassen Sie sich helfen: Daten- und KI-Expertise lässt sich über Partner aufbauen. Achten Sie darauf, ob Ihr Partner ein Data-Lifecycle-Konzept anbietet, das von der Entstehung der Daten bis zu deren Löschung reicht und sich mit Ihrer Branche auskennt.
- Lernen Sie zu teilen: Schauen Sie sich nach Partnern um, die werthaltige Business-Daten mit Ihnen austauschen.
- Nutzen Sie am Anfang Standardmodelle für die Datenanalyse: Sie sind einfacher umzusetzen. Angepasste Algorithmen sind immer dann sinnvoll, wenn Spezialwissen – zu Technologien oder Branchen – einfließen soll.
Ihre Datenstrategie ist nur dann erfolgreich, wenn Ihren Beschäftigten der Wert der Daten klar ist. Nur wenn ihre Mitarbeitenden die Daten korrekt erstellen, sammeln und ablegen, können Sie die Datenquellen nutzbringend auswerten. Verdeutlichen Sie daher den Mehrwert: fürs Unternehmen und für jede Kollegin und jeden Kollegen. Zeigen Sie, wie ein datengetriebener Ansatz dabei hilft, die Arbeit aller zu verbessern. Und: Nehmen Sie vorhandene Sorgen der Belegschaft ernst.
Über den Autor:
Christian Mehrtens ist SVP Partner Vertrieb bei SAP und Mitglied der Geschäftsleitung bei SAP Deutschland.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.