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Was ist Hyperautomation und wofür braucht man sie?
Um im eigenen Unternehmen Hyperautomation anzuwenden, braucht es Methoden und einen Tool-Stack, der es erlaubt, Aufgaben und Prozesse zu analysieren und zu automatisieren.
Prozessautomatisierung ist eine entscheidende Komponente der digitalen Transformation: 95 Prozent der Unternehmen haben laut der Camunda-Studie Stand der Prozessorchestrierung 2023 im vergangenen Jahr durch Prozessautomatisierung eine höhere Produktivität erreicht.
In der Praxis müssen für eine erfolgreiche Automatisieren viele unterschiedliche Technologien zusammengesteckt werden. Zwar ist die Idee einer einheitlichen Automatisierungssuite verlockend, doch monolithische Tools schöpfen heutige Möglichkeiten bei weitem nicht aus. Sie sind unflexibel und nicht sonderlich entwicklerfreundlich. Deshalb setzen viele Unternehmen bei Hyperautomation auf einen Best-of-Breed-Ansatz.
Der Begriff Hyperautomation ist Ende 2019 von der IT-Beratung Gartner entwickelt worden. Das Unternehmen versteht darunter einen geschäftsorientierten, strukturierten Ansatz, mit dem Unternehmen Geschäfts- und IT-Prozesse entdecken, analysieren und automatisieren. Gartner selbst betont ebenfalls, dass für erfolgreiche Hyperautomation der orchestrierte Einsatz verschiedener Technologien, Tools oder Plattformen notwendig ist, beispielsweise maschinelles Lernen (ML), Robotic Process Automation (RPA) oder Business Process Management (BPM).
Welche Technologien ein Unternehmen konkret einsetzt, hängt vom Einzelfall ab: Werden Prozesse weitestgehend von Menschen abgearbeitet oder sind sie voll automatisiert? Wie sieht die Anwendungslandschaft aus? Gibt es Legacy-Systeme, die schwierig zu integrieren sind? Können moderne Cloud- und SaaS-Dienste genutzt werden? Gibt es im Haus eigene Softwareentwickler, und wenn ja, wie viele? Welche Kompetenzen für Automatisierung sind im Unternehmen vorhanden?
Der Technologie-Stack für Hyperautomation
In der Praxis zeigt sich, dass ein pragmatischer Ansatz für die Auswahl des Technologie-Stacks die beste Lösung ist. Dabei geht es vor allem um die in Abbildung 1 gezeigten vier Säulen Discovery, Design, Automation und Improvement, welche im Folgenden genauer beleuchtet werden.
Discovery: Prozesse entdecken
Die erste Säule des Technologie-Stacks dreht sich um Discovery, also das Verstehen des Status quo. Hier kommen vor allem Process Mining Tools zum Einsatz, wie zum Beispiel Celonis oder Minit. Diese analysieren bestehende Log-Daten und erzeugen daraus eine Übersicht über die Prozessabläufe. Sie ermitteln die Prozessrealität in den Fachbereichen, indem Sie in echte Daten schauen und damit einen realistischen Einblick in die tatsächlichen Abläufe und die Bearbeitungszeiten erhalten. Das Ergebnis ist eine realistische Beurteilung der Prozessqualität. Kurz: Unternehmen können Ineffizienzen mit einem objektiven Blick auf die Prozesse aufspüren.
Zur Discovery ist es sinnvoll ein Werkzeug zu nutzen, das für sich alleinsteht und unabhängig von anderen Lösungen arbeitet, so dass Daten aus möglichst vielen Quellen zusammengeführt werden können. Rund um Process Mining kann typischerweise nicht einfach ein Tool gekauft werden, sondern vorhandene Datenquellen müssen im Rahmen eines Projekts durch Berater angeschlossen und ausgewertet werden.
Design: Prozesse modellieren
Die zweite Säule der Hyperautomation ist die Modellierung der Geschäftsprozesse. Die Modellierung erfolgt oft im Rahmen einer Soll-Konzeption und kann dabei auch auf Ergebnisse des Process Mining aufsetzen. Prozesse werden grafisch dargestellt und in einem formalen Soll-Modell beschrieben, wofür einfach einzusetzende Modellierungssprachen wie BPMN (Business Process Management and Notation) oder DMN (Decision Model and Notation) genutzt werden. Mit ihnen lassen sich Prozesse, Geschäftsregeln oder Entscheidungen abbilden.
Für die Modellierung müssen Experten aus unterschiedlichen Bereichen zusammenarbeiten, weswegen grafische Prozessmodelle in einer universellen Modellierungssprache so wichtig sind. Die Modellierung unterstützt früh im Projekt, Missverständnisse zu vermeiden und verschiedene Stakeholder aus Fachbereichen und IT an einen Tisch zu bringen. Daher sind Kollaborationsfunktionen in Modellierungs-Tools wichtig. Der resultierende Prozess kann dann in einer geeigneten Orchestrierungslösung direkt, oder mit wenigen technischen Erweiterungen, automatisiert werden.
Automation: Prozesse automatisieren und orchestrieren
Die dritte Säule ist die eigentliche Automatisierung. Hier gibt es genau genommen zwei Aspekte zu automatisieren: Die eigentlichen Aufgaben in einem Prozess, und die automatisierte Steuerung des übergreifenden Geschäftsprozesses. Bei letzterem spricht man auch von Orchestrierung, und diese Orchestrierung muss dann verschiedene Endpunkte einbeziehen. Ein Endpunkt kann hierbei ein bestehendes System, eine API, ein Bot, oder auch ein Mensch sein.
Ein ausgereifter Hyperautomation-Stack enthält eine Vielzahl an unterschiedlichen Technologien zur Automatisierung:
- Data-Streaming-Plattformen wie Apache Kafka verarbeiten Echtzeitdaten und speisen sie in das richtige System ein.
- Frontend-Lösungen für unterschiedliche Aufgaben und Benutzergruppen vereinfachen die Zusammenarbeit und erleichtern die Eingabe von Daten in die jeweiligen Prozesse.
- Robotic Process Automation (RPA) mit Tools wie UiPath oder Automation Anywhere automatisiert einzelne Aufgaben durch die Simulation von Benutzerinteraktionen oder Verwendung einer API. Sie eignet sich für die schnelle Digitalisierung von manuellen Aufgaben, vor allem, wenn Systeme keine API bereitstellen, die stattdessen benutzt werden kann.
- Plattformen zur Integration von Anwendungen wie Zapier oder MuleSoft verknüpfen die verschiedenen Systeme auf der Basis ihrer APIs (Application Programming Interfaces). Tools zur Anwendungsintegration funktionieren gut bei einfachen Workflows. Die Möglichkeit, menschliche Aufgaben zu integrieren, ist nicht gegeben.
- Low-Code-Entwicklungsplattformen wie Mendix oder Pegasystems sollen die Entwicklung von Anwendungen ohne Programmierung ermöglichen. Dies wird durch vorgefertigte Bausteine und Wizzards erreicht. Diese Tools erlauben das einfache Modellieren von Daten, Oberflächen und Prozessen, erfordern aber eine proprietäre Vorgehensweise und sind monolithisch aufgebaut, was leicht mit dem Ziel einer Best-of-Breed-Plattform in Konflikt gerät.
- Machine Learning (ML) ist eine Form der künstlichen Intelligenz (KI). Das Verfahren erlaubt es Unternehmen, aus historischen Status- und Prozessdaten Prognosen und Entscheidungen abzuleiten. Voraussetzung ist dabei ein großes Datenvolumen in hoher Qualität. Weitere Technologien, die einbezogen werden können, sind Computer Vision, Natural Language Processing (NLP) und Optical Character Recognition (OCR).
- Orchestrierungsplattformen verbinden die Endpunkte in der Prozesskette. Es entsteht ein digitaler Dirigent, der den Komponenten den Takt angibt. Dabei können auch komplexe Szenarien abgebildet werden, zum Beispiel rundum parallele Abläufe, Prozessabbrüche und Time-outs. Anstatt nur einen einzelnen Teil eines Prozesses zu bearbeiten (zum Beispiel die automatisierte Verbuchung einer eingehenden Zahlung), automatisieren Unternehmen auf diese Weise den gesamten Prozess End-to-End (zum Beispiel den gesamten Order-to-cash-Prozess von Bestellannahme bis zur vollständigen Lieferung und Bezahlung).
Improvement: Data Analytics und Business Intelligence
Hyperautomation ist eine kontinuierliche Aufgabe. Selbst wenn ein Geschäftsprozess End-to-End modelliert, orchestriert und automatisiert ist, gibt es immer noch weiteres Optimierungspotenzial. Und spätestens Änderungen in der Marktsituation oder den Kundenerwartungen machen Anpassungen der Prozesse notwendig. Daher ist es wichtig, dass ein Unternehmen eine Analyselösung nutzt, die einen Einblick in die Leistung der Prozesse bietet. Die meisten Möglichkeiten bieten Tools, die BPMN-Diagramme mit Echtzeit-Analysen verknüpften. Sie stellen bestehende Daten in den Prozesskontext und erlauben somit wertvolle Erkenntnisse.
Hyperautomation ist ein Werkzeugkasten
Hyperautomation bedarf der umfassenden und vollständigen Automatisierung der wichtigsten Geschäftsprozesse im ganzen Unternehmen. Neben der reinen Automatisierung einzelner Aufgaben ist vor allem auch die übergreifende Orchestrierung von großer Bedeutung. Um mit Hyperautomation erfolgreich zu sein, bedarf es eines Werkzeugkastens mit einem sinnvoll zusammengestellten Mix an Tools. Natürlich ist nicht für jedes Unternehmen jede Säule gleich wichtig und je nach Ausgangssituation wird man anders starten und sich iterativ seinen Hyperautomation-Werkzeugkasten Stück für Stück zusammenstellen.
Über den Autor:
Bernd Rücker ist Mitgründer und Chief Technologist von Camunda, einem Anbieter von Software zur Prozessorchestrierung. Als passionierter Softwareentwickler hat er die Prozessautomatisierung von Unternehmen wie Allianz, Deutsche Bahn oder Deutsche Telekom unterstützt. Bernd ist zudem der Autor von „Practical Process Automation“ und Co-Autor des „Praxishandbuch BPMN“.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.