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Was digitale Souveränität bedroht – und wie man sie wahrt
Die öffentliche Hand spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, digitale Souveränität zu wahren. Das betrifft sie nicht nur selbst – sie hat auch einen Vorbildcharakter.
Die Diskussion um die generelle Abhängigkeit von meist US-amerikanischen Herstellern ist nicht neu und bedroht den Staat in seiner digitalen Souveränität. Das betrifft auch Schulen, in denen die Digitalisierung aktuell einen Schub erfährt. Daher ist jetzt die Zeit, die Weichen zu stellen, um nicht in gefährliche Abhängigkeiten zu rutschen.
Handlungsspielräume wahren
Ein wesentlicher Aspekt ist die wirtschaftliche Abhängigkeit. Die Software ist bei Microsoft 365 nur noch als Abonnement mit entsprechendem Lock-in-Effekt erhältlich. Das heißt, Nutzer müssen stets mit Vertragsänderungen rechnen, die zu Ihren Ungunsten ausfallen.
Ist man erst einmal darin gefangen, ist auch bei steigenden Abonnementkosten in einem Cloud-Modell eine Rückkehr hin zu einem dauerhaften Lizenzmodell kaum mehr möglich. Somit sind Nutzen, Kosten, Nachteile und Risiken abzuwägen.
Datenschutz bedenken
Im Bildungssektor steht neben der Souveränität das Thema Datenschutz im Fokus. Hier herrschen große Bedenken aufgrund der unkontrollierten Erhebung von Telemetriedaten durch Microsoft. Erschwerend kommt eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juli 2020 hinzu, wonach der auch von Microsoft beanspruchte EU-US-PrivacyShield keine Rechtsgrundlage für eine ausreichende Datenübermittlung darstellt.
„Die Diskussion um die generelle Abhängigkeit von meist US-amerikanischen Herstellern ist nicht neu und bedroht den Staat in seiner digitalen Souveränität.“
Andreas E. Thyen, LizenzDirekt AG
Auch die Standardvertragsklauseln genügen im Fall von Microsoft aus den angeführten Gründen gegen das PrivacyShield grundsätzlich nicht. Denn die kritisierten rechtlichen Rahmenbedingungen – die unverhältnismäßigen Zugriffsbefugnisse der US-Behörden und mangelnder Rechtsschutz – sind identisch.
Verantwortungsvoll wirtschaften
Während gebrauchte Software bei Ausschreibungen schon zum Standard gehört, gilt das für den Verkaufsfall noch nicht. So ist darauf zu achten, dass die erworbenen On-Premises-Lizenzen staatliches Eigentum im Sinne des EuGH geworden sind. Dann müssen sie als Wert verstanden und veräußert werden, wenn kein Bedarf mehr an ihnen besteht.
Übrigens: Einschränkungen für den Weiterverkauf im Fall sogenannter Behörden- oder EDU-Lizenzen gelten nach Ansicht des BGH nicht, da es sich nur um freiwillige Rabattprogramme des Herstellers handelt und keine abweichenden Lizenzen im Hinblick auf die Verkehrsfähigkeit. Die Wirksamkeit des Weiterverkaufs an Unternehmen ist nicht eingeschränkt.
Der öffentlichen Hand kommt nicht nur haushalts- und vergabetechnisch ein besonderer Vorbildcharakter zu. So ist auch die Kritik, Kinder und Jugendliche über ihre gesamte Schullaufbahn mit dem gleichen digitalen Setting einer einzelnen Firma zu konfrontieren, durchaus berechtigt. Es ist ebenfalls die Aufgabe der Schule, zum Beispiel Open-Source-Lösungen in Betracht zu ziehen. Mit diesen Maßnahmen wird ein kleiner Beitrag für unsere europäische Freiheiten geleistet und diese mit gutem Beispiel den Schülern vorgelebt.
Über den Autor:
Andreas E. Thyen ist Präsident des Verwaltungsrates der LizenzDirekt AG.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.