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Warum Festplatten noch lange nicht zum alten Eisen gehören

In vielen Systemen werden Festplatten durch Flash-Speicher ersetzt. Das heißt nicht, dass HDDs aus der Mode kommen, viel mehr zeigt ich, dass sie noch lange im Data Center bleiben.

Obwohl Festplatten derzeit aus vielen Endgeräten verschwinden, ist es weiterhin zu früh für Abgesänge auf das Speichermedium. Die schnell wachsenden Datenmengen treiben den Speicherplatzbedarf in Rechenzentren und der Cloudso massiv nach oben, dass die Bedeutung von Festplatten sogar zunimmt. 2020 wurden erstmals HDDs mit einer Gesamtkapazität von mehr als einem Zettabyte ausgeliefert.

Eigentlich dürfte es Bandspeicher gar nicht mehr geben. Als Tape-Laufwerke in den 80er Jahren von den Schreibtischen verschwanden, weil Rechner zunehmend mit internen Festplatten ausgestattet wurden, prognostizierten viele Experten das baldige Ende der Technologie – doch das blieb aus. Selbst heute existiert noch ein stabiler Markt für Tape, da Bandspeicher bei der effizienten und kostengünstigen Archivierung von Daten nach wie vor unverzichtbar sind.

Eben jene Festplatten, die damals den Bändern ihren Platz streitig machten, befinden sich heute in einer ganz ähnlichen Situation. Mit dem Aufstieg von Flash-Speichern begannen die Abgesänge auf HDDs, und schaut man sich aktuelle Endgeräte an, in denen vornehmlich SSDs und Flash-Bausteine stecken, könnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, das Ende der Festplatte stünde bevor. Lediglich sehr günstige Rechner setzen heute noch auf HDDs, während tragbare Geräte schon seit einigen Jahren ausschließlich mit Flash bestückt werden. Die ersten MP3-Spieler-Generationen, in denen noch Festplatten verbaut waren, liegen lange zurück.

Bei näherer Betrachtung gibt es allerdings einige Geräte, in denen sich Festplatten gehalten haben, weil sie für den speziellen Einsatzweck die idealen Datenträger sind. Dazu zählen beispielsweise NAS-Systeme, die hohe Speicherkapazitäten, aber keine extreme Performance liefern müssen. SSDs bieten in diesem Segment zu wenig Vorteile, um ihren deutlich höheren Preis zu rechtfertigen. Ebenso stecken in den meisten Rekordern für die Videoüberwachung Festplatten, weil ihre Stärke die Speicherung sequentieller Datenströme und großer Datenmengen ist.

Das Haupteinsatzgebiet der Laufwerke sind jedoch die Rechenzentren von Unternehmen und Cloud-Anbietern. Diese müssen wegen der schnell voranschreitenden Digitalisierung immer größere Datenmengen verarbeiten und nutzen dafür hauptsächlich Festplatten, was Jahr für Jahr zu neuen Rekorden führt. 2020 wurden erstmals HDDs mit einer Gesamtkapazität von mehr als einem Zettabyte ausgeliefert – ein Plus von 13 Prozent gegenüber 2019 (Quelle: Trendfocus, Februar 2021). Zum Vergleich: Auf SSDs wurde im vergangenen Jahr nur ein Fünftel dieser Kapazität bereitgestellt.

HDDs punkten mit Preis und Verfügbarkeit

Der wichtigste Grund für die anhaltende Beliebtheit von Festplatten in Rechenzentren ist ihr unschlagbarer Preis. SSDs sind pro Kapazitätseinheit aktuell etwa sechsmal so teuer und kommen deshalb in Umgebungen, in denen Daten im Petabyte-Bereich gespeichert werden müssen, nur an ausgewählten Stellen zum Einsatz, etwa in Computer-Servern, als Cache und in Storage-Systemen für besonders Performance-hungrige Anwendungen. Die Hauptlast der Datenspeicherung tragen Festplatten und werden das auf absehbare Zeit weiterhin tun.

Zwar sinken die Preise von SSDs kontinuierlich, doch die Weiterentwicklung der HDD-Technologie sorgt dafür, dass die Preiskurven beider Medien annährend parallel verlaufen. Branchenexperten gehen davon aus, dass die Speicherkapazität von HDDs dank neuer Aufzeichnungsverfahren wie HAMR (Heat-Assisted Magnetic Recording) und MAMR (Microwave-Assisted Magnetic Recording) noch einige Jahre um rund 2 Terabyte pro Jahr bei gleichbleibenden Kosten zulegen wird. Damit bleiben Festplatten zumindest mittelfristig das wirtschaftlichere Medium.

Aber auch wenn SSDs preislich mit HDDs konkurrieren könnten, würden Flash-Speicher der Festplatte nicht so schnell den Rang ablaufen, da die Produktionskapazitäten viel zu gering sind. Allein für eine Verdopplung des aktuellen Flash-Ausstoßes wären Investitionen von mehreren Hundert Milliarden Dollar erforderlich, um neue Fertigungsstätten auf- und bestehende Anlagen auszubauen. Die zusätzlichen Kapazitäten stünden allerdings erst in ein, zwei Jahren bereit und würden dann nicht einmal die Hälfte des Bedarfs von 2020 decken – geschweige denn den von 2023, der um ein Vielfaches höher liegen wird.

Abbildung 2: In den Rechenzentren von Unternehmen und Cloud-Anbietern schultern Festplatten auch künftig die Hauptlast der Datenspeicherung (Quelle: Toshiba Electronics Europe)
Abbildung 2: In den Rechenzentren von Unternehmen und Cloud-Anbietern schultern Festplatten auch künftig die Hauptlast der Datenspeicherung (Quelle: Toshiba Electronics Europe)

Die vielen vernetzten Maschinen, smarten Devices und neuen IoT-Sensoren sorgen aktuell für eine regelrechte Datenexplosion. Angesichts eines prognostizierten Wachstums der weltweiten Datenmenge von 45 Zettabyte im Jahr 2019 auf 175 Zettabyte im Jahr 2025 (Quelle: IDC „Data Age 2025“ Whitepaper, Update vom Mai 2020) ist eine Datenspeicherung allein oder zum überwiegenden Teil auf SSDs schlicht nicht finanzierbar. Auch die Produktionskapazitäten für Festplatten müssen für diese Datenflut erweitert werden, doch das ist deutlich schneller und kostengünstiger möglich, weil weniger Reinraumfertigung als bei der Halbleiterherstellung notwendig ist.

Performance ist Teamwork

In Endgeräten sind SSDs zumeist das Speichermedium der Wahl, weil sie dort ihre Geschwindigkeitsvorteile gegenüber Festplatten voll ausspielen können. In Rechenzentren dagegen kommt es nicht auf den Leistungsvergleich einzelner Datenträger an, da mehrere Speichermedien in einem System stecken und zusammenarbeiten. Zudem haben die Festplattenhersteller ihre lange vor allem auf sequentielle Performance getrimmten Laufwerke durch Firmware-Optimierungen besser auf zufällige Zugriffe vorbereitet, sodass einzelne Enterprise-Festplatten heute je nach Modell über 400 IOPS erreichen – kein Vergleich zu einer SSD, doch ein Storage-System mit einigen Dutzend Festplatten in einem RAID 10 liefert mehr als 10.000 IOPS und kann es mit Flash-Speichern aufnehmen. Gleichzeitig stellt es eine deutlich höhere Speicherkapazität bereit und bietet damit die ideale Kombination aus Speicherplatz, Leistung und Wirtschaftlichkeit für das gerade beginnende Datenzeitalter.

Auch andere Argumente wie der hohe Stromverbrauch oder die geringere Zuverlässigkeit, die gerne gegen Festplatten ins Feld geführt werden, lassen sich bei näherer Betrachtung nicht halten. Moderne Festplattenlaufwerke mit Helium-Füllung sind recht genügsam, während hochkapazitive SSDs gerade unter Last einen enorme Leistungsaufnahme und sehr großen Kühlbedarf haben. Zudem erreichen Festplatten trotz beweglicher Teile ähnliche MTTF-Werte wie SSDs, unterliegen anders als diese aber kaum Beschränkungen, was die Menge der im Laufe ihrer Lebenszeit auf sie zu schreibenden Daten angeht. Damit sind Festplatten bestens gerüstet für aktuelle und künftige Anforderungen, sodass in den kommenden Jahren der größte Teil der in Rechenzentren und der Cloud abgespeicherten Daten auf HDDs landen wird. Das spiegeln auch die Prognosen der Marktforscher und Analysten wider: So geht beispielsweise IDC davon aus, dass bis 2025 mehr als 80 Prozent der an Cloud-, Core- und Edge-Rechenzentren ausgelieferten Kapazitäten auf Festplatten entfallen und weniger als 20 Prozent auf SSDs und andere via NVMe angebundene Speicher (Quelle: IDC „Data Age 2025“ Whitepaper, Update vom Mai 2020).

Rainer W. Kaese, Senior Manager, HDD Business Development bei Toshiba Electronics Europe

Menschen und Maschinen produzieren heute und künftig so viele Daten, dass wir alle Speichertechnologien benötigen, um die Datenflut zu beherrschen. Festplatten werden daher ebenso wenig aussterben wie Tape und uns noch eine lange Zeit begleiten.

Über den Autor: Rainer W. Kaese ist Senior Manager, HDD Business Development bei der Toshiba Electronics Europe GmbH

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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