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Warum Deutschland bei künstlicher Intelligenz zurückliegt
In den USA und Asien wird künstliche Intelligenz bereits flächendeckend eingesetzt oder zumindest getestet. Lesen Sie, warum Deutschland hier ins Hintertreffen gerät.
Künstliche Intelligenz als Geschäftsmodell kommt hierzulande noch nicht richtig ins Rollen, die großen Player auf dem Gebiet findet man eher in den USA oder in Asien. Zudem werden bei den Diskussionen in Deutschland auch immer wieder vermeintlich negative Aspekte der Technologie betont, anstatt ihre Chancen zu sehen.
Entsprechend zögerlich sind auch Wirtschaft und Politik, wenn es um die Förderung der künstlichen Intelligenz geht. Daran muss sich etwas ändern oder die Bundesrepublik wird weiter abgehängt.
Sind die Sorgen nicht doch berechtigt? Ist künstliche Intelligenz am Ende eine Büchse der Pandora, die sich nicht mehr schließen lässt? Um diese Fragen zu beantworten, muss man sich erst einmal klarmachen, was das, was wir als „künstliche Intelligenz“ bezeichnen, eigentlich ist – und was es nicht ist.
Wir sprechen hier von sehr komplexen Algorithmen, die Muster erkennen und selbstständig hinzulernen können – das macht sie „intelligent“.
Allerdings handelt es sich bei dieser Art von Intelligenz um eine extreme Inselbegabung. Ein Algorithmus, der mit unzähligen Übungsbildern darauf trainiert wurde, Lebewesen und Gegenstände voneinander zu unterscheiden, macht genau das und nichts anderes. Forscher haben solche Algorithmen auch mit Werken Rembrandts trainiert, so dass sie in der Lage sind, Portraits im Stil des Meisters zu reproduzieren, die so noch nie existiert haben. Hier endet die schöpferische Kraft allerdings, der Rembrandt-Algorithmus wird nicht anfangen, plötzlich Dramen zu schreiben.
Allwissende Supercomputer und selbstständig denkende Maschinen, wie wir sie aus Filmen kennen, gibt es schlicht nicht. Allerdings gibt es durchaus Bereiche, in denen uns die Algorithmen bereits haushoch überlegen sind: Datenanalyse mittels Mustererkennung durch neuronale Netze. Hier sind Datenverarbeitungsraten möglich, die mit menschlicher Arbeitskraft und traditioneller IT nicht zu schaffen wären. Ist das nun als gut oder schlecht zu bewerten? Weder noch.
Künstliche Intelligenz ist ein Werkzeug
„Künstliche Intelligenz“ in der heutigen Erscheinungsform ist ein Werkzeug, das Menschen einsetzen, kein selbstständiger Akteur. Die meisten Werkzeuge haben es an sich, dass man sie konstruktiv oder destruktiv einsetzen kann.
Mit einem Skalpell kann ein Chirurg Leben retten oder ein Krimineller Menschen töten. Ähnlich hängt auch der Effekt, den das Werkzeug KI haben wird, von der Intention der Menschen ab, die dahinter stehen.
Man kann die Ressourcen dazu einsetzen, die eigene Bevölkerung zu überwachen oder die Krebsdiagnostik zu verbessern. Sollte man, nur, weil auch schlechte Einsatzszenarien möglich sind, die guten vernachlässigen? Während wir in Deutschland und Europa uns solche Fragen stellen und über das Für und Wider der Technologie diskutieren, haben uns andere Länder längst überholt.
Künstliche Intelligenz aus Europa für Europa
Anstatt die Technologie zu verteufeln, sollten wir an Einsatzgebieten für KI arbeiten, die im Einklang mit unseren Werten stehen und Gutes für die Menschen bringen. Hier wird noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten sein, um den Menschen ihre Angst zu nehmen.
Neben den Sorgen bezüglich der Überwachung geht es dabei auch oft um den befürchteten Verlust von Arbeitsplätzen. Die Einschränkungen, denen die KI-Anwendungen heute unterliegen (Inselbegabung) macht dies jedoch sehr unwahrscheinlich. Würden wir in größerem Stil investieren, könnte die Technologie sogar neue Jobs schaffen.
Potentiale für den Einsatz von KI-Anwendungen gibt es in diversen Bereichen, eigentlich überall, wo große Datenmengen anfallen, die analysiert werden müssen. Das kann etwa in der Medizin sein, wo künstliche Intelligenz beispielsweise automatisch die Bilder einer Darmspiegelung nach verdächtigen Wucherungen scannen kann und so die Früherkennung von Krebs fördert.
KI kann auch im Finanzsektor zum Einsatz kommen, um Kursbewegungen vorherzusagen oder in der Logistik, um die Supply Chain zu optimieren. Nicht zuletzt kann KI auch im Büroalltag angewendet werden, um lästige Routineaufgaben zu automatisieren und Mitarbeiter zu entlasten.
„Anstatt die Technologie zu verteufeln, sollten wir an Einsatzgebieten für KI arbeiten, die im Einklang mit unseren Werten stehen und Gutes für die Menschen bringen.“
Thomas Vetsch ist Director Sales Engineering bei Citrix CE
Und das sind nur einige wenige Beispiele. Viele weitere wären denkbar und andere werden sich erst noch in der Zukunft ergeben, wenn wir die Technologie besser kennen. All das setzt aber die Ressourcen und auch den Mut voraus, die Technologie nicht nur weiter zu erforschen, sondern auch praktisch einzusetzen.
Passen wir allerdings nicht auf und lassen zu, dass unsere Wirtschaft abgehängt wird, haben wir keine KI und verlieren Jobs. Daher müssen wir die Bedenken überwinden und unsere Anstrengungen steigern, um bei der KI-Entwicklung in der ersten Reihe mitzuspielen.
Über den Autor:
Thomas Vetsch ist Director Sales Engineering bei Citrix CE und hat langjährige Erfahrung in der IT. Unter anderem arbeitet er zuvor bei Microsoft und Cisco.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.