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Von der Ablage zum Wissens-Hub: Das Archiv der Zukunft
Wie sieht das Archiv der Zukunft aus? Die Antwort: in der intelligenten Verknüpfung von Daten und Dokumenten, da in archivierten Informationen echtes Wissen steckt.
Das digitale Archiv ist als Standard-Komponente von Systemen für Enterprise Content Management (ECM) und Dokumentenmanagement (DMS) unverzichtbar, aber nicht gerade aufregend. Seine Funktion besteht in erster Linie darin, Unterlagen wie zum Beispiel Akten, Rechnungen oder Verträge revisionssicher und datenschutzkonform zu speichern und es Mitarbeitern einfach zu machen, schnell und zuverlässig die Dokumente wiederzufinden.
Allein in den letzten drei Jahren hat die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, angetrieben von COVID-19, einen gewaltigen Sprung gemacht. Laut dem Digital Office Index 2022 der Bitkom rückt das papierlose Büro in greifbare Nähe. So druckt erstmals die Mehrheit der Unternehmen (53 Prozent) deutlich weniger Dokumente in Papierform aus als noch vor einem Jahr. Zudem hat es einen rasanten Anstieg bei elektronischen Rechnungen (E-Invoicing) gegeben.
Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich auch beim Vertragsmanagement (E-Contracting), entlang von Purchase-to-Pay-Prozessen (P2P) sowie im Personalwesen (zum Beispiel digitale Personalstammdatenverwaltung) ab. Dabei werden Stück für Stück historisch gewachsene Dokumentensilos abgetragen und an zentraler Stelle – oft in der Cloud – neu abgelegt und verknüpft.
Doch was ist das Potential eines Archivs der Zukunft? Wie kann das digitale Archiv sich weiterentwickeln und zur zentralen Plattform für intelligentes Informationsmanagement werden?
Von der Ablage zur Informationsquelle
Die Antwort liegt in der intelligenten Verknüpfung von Daten und Dokumenten. Denn in den archivierten Informationen steckt echtes Wissen – und damit bei vielen Unternehmen ein noch ungenutzter Datenschatz. Als Rückgrat der digitalen Transformation wird das Archiv der Zukunft das Herzstück in Unternehmen, um Geschäftsdokumentenverwaltung und intelligentes Datenmanagement auf die nächste Stufe zu heben.
In vieler Hinsicht verfolgt das Archiv der Zukunft damit ein ähnliches Ziel wie das Intelligente Informationsmanagement (IIM), das als eine fortgeschrittene Version von ECM und DMS angesehen werden kann. In einem Archiv der Zukunft werden nicht nur Unterlagen und Daten gespeichert, sondern die in den Dokumenten enthaltenen Daten verwertbar gemacht und damit Zusammenhänge und Beziehungen zu anderen Datenquellen automatisch hergestellt, verwaltet, aufbereitet und analysiert. Dadurch können Unternehmen nicht nur Zeit und Kosten sparen, sondern auch wertvolle Erkenntnisse aus ihren Daten gewinnen.
Ein wichtiger Schritt dabei ist die Integration neuer Analyse- und selbstlernenden Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Machine Learning (ML) sowie die Cloud als Bereitstellungsmodell, welche in Kombination mit den Strategien und Systemen des Dokumentenmanagements das digitale Archiv zum intelligenten Informationsmanager erweitern. Durch intelligente Algorithmen kann das Archiv automatisch Klassifizierungen und Schlagworte vergeben, Dokumente auf Relevanz prüfen und gezielt Verknüpfungen herstellen.
Zentraler Wissens-Hub für das ganze Unternehmen
Was in der Theorie noch klarer Definitionen und Abgrenzungen bedarf, findet sich in der Praxis bereits häufig in der Umsetzung. Im Grunde baut jedes Unternehmen, das automatisierte und Cloud-basierte Dokumentenmanagementsysteme nutzt, bereits an seinem Archiv der Zukunft – und zwar mit jedem abgelegten digitalen Vertrag und jedem eingescannten Beleg. Noch dient das Repository in erster Linie dazu, Geschäftsprozesse in spezifischen Abteilungen wie dem Einkauf oder dem Personalwesen effektiver und schneller zu gestalten. Mitarbeiter finden im digitalen Archiv schnell Antworten auf dringende Fragen und können ohne Probleme Rechnungen, Lieferscheine und E-Mail-Verkehr einsehen.
Zukünftig lässt sich das Archiv jedoch als zentraler Daten-Wissens-Hub nutzen, der als Single Point of Truth (SPoT) Einblicke in unternehmensweite Zusammenhänge und Strukturen liefert. Das Archiv bündelt Informationen aus verschiedensten Geschäftsbereichen und stellt sie in einen Kontext zueinander. Statt unzähliger Datensilos fließen hier Informationen über Kunden, Lieferanten, Partner und Mitarbeiter zusammen – und zwar aus allen Abteilungen. Das ermöglicht nicht nur die Optimierung interner Workflows. In Verbindung mit anderen Drittsystemen (zum Beispiel ERP oder CRM) kristallisieren sich auch Synergien heraus.
Mitarbeitende an verschiedenen Standorten können relevante Informationen an einer zentralen Stelle gleichzeitig bearbeiten, durchsuchen und abfragen. Die Informationen helfen, tägliche Routineaufgaben schneller und mit hohem Automatisierungsgrad durchzuführen. Gleichzeitig lassen sich die Daten für neue Projekte, Risikoanalysen und Prognoseberichte heranziehen.
Zentrale Kriterien für das Archiv der Zukunft
Ob Unternehmen ihr digitales Archiv tatsächlich in dieser Weise als Motor für die digitale Transformation nutzen können, hängt von einigen Grundvoraussetzungen ab.
Cloud als zentraler Speicherort
Das Archiv der Zukunft befindet sich in der Cloud. Dokumente und ihre Inhalte werden nicht nur voll-automatisiert in die Cloud übertragen, sie lassen sich auch einfacher von Mitarbeitenden aufrufen und in andere Systeme integrieren. Auch in Fragen der Sicherheit – sowohl was Cyberkriminalität als auch Datenschutz angeht – hat die Cloud in den letzten Jahren viele Bedenken aus dem Weg geräumt. So greifen Cloud-DMS-Lösungen heute beispielsweise auf Hochverfügbarkeitsserver in deutschen Hochsicherheitsrechenzentren zurück und schützen alle Übertragungswege wirkungsvoll vor unberechtigtem Zugriff und Datenverlust.
Je schlanker die Cloud-DMS-Lösungen dabei sind, desto höher die Performance und desto einfacher lassen sich Fachanwendungen anbinden und Integrationen vornehmen. Über einfache Plug-Ins können Unternehmen das Cloud-Archiv zum Beispiel mit bestehenden Systemen und Datenbanken verknüpfen, flexibler auf wechselnde Geschäftsanforderungen eingehen und die archivierten Daten als Basis für neue Anwendungen verwenden.
Konsistenten Datenkontext schaffen
Unternehmen stehen bei der Datenaufbereitung im Archiv der Zukunft vor zwei Herausforderungen: In den virtuell gespeicherten Dokumenten sind teilweise äußerst wertvolle Informationen versteckt, die es zu bergen gilt. Parallel dazu muss die immense Flut an Dokumenten gemanagt werden.
Allein in den nächsten zwei Jahren soll die Menge der weltweit erzeugten, erfassten und verwendeten Daten auf mehr als 175 Zettabyte anwachsen. Unstrukturierte Daten werden bis 2030 ganze 90 Prozent dieses Datenaufkommens ausmachen. Die zu verwaltende Datenmenge ist also groß, komplex und weitestgehend heterogen, die Datensätze liegen in unterschiedlichen Formaten vor wie zum Beispiel als PDF, Office-Dokument oder E-Mail.
Ehe Dokumente ins Archiv der Zukunft wandern, dort miteinander verknüpft und anschließend für Geschäftsabläufe und Analysen genutzt werden können, heißt es, die darin enthaltenen Daten zu extrahieren, zu prüfen und zu standardisieren. Content-Services müssen in der Lage sein, jegliche Art an Dokumenten zu verarbeiten und die Inhalte richtig auszulesen – egal, ob es sich um eine Rechnung in eingescannter Papierform oder um die elektronisch ausgefüllte Personalakte eines Mitarbeitenden handelt. Mit den richtigen Add-on-Systemen lassen sich die ausgelesenen Daten dann im nächsten Schritt automatisch überprüfen, zum Beispiel über einen Abgleich mit Stammdaten aus dem ERP-System.
„ Mitarbeiter finden im digitalen Archiv schnell Antworten auf dringende Fragen und können ohne Probleme Rechnungen, Lieferscheine und Mailverkehr einsehen.“
Andreas Zipser, Easy Software AG
Das verbessert nicht nur die Datenqualität, sondern vereinfacht sowohl die Suche über Schlagwörter (indexbezogen) als auch die semantische Volltextsuche. Mitarbeitende können Informationen zielsicher im Kontext der Daten finden, miteinander vergleichen und dabei neue Zusammenhänge und Einblicke gewinnen. Neue Content-Services-Tools bieten zudem erste Ansätze von KI und Machine Learning. Die Systeme lernen sowohl beim Extrahieren als auch bei der Validierung im Hintergrund mit und wenden das trainierte Wissen automatisch bei den nächsten Dokumenten an.
Künstliche Intelligenz
Noch befindet sich die echte KI im Dokumentenmanagement – wie in vielen anderen Bereichen – im Anfangsstadium. Der konsistente und verknüpfte Datenpool im Archiv der Zukunft öffnet jedoch die Tür für den Einsatz von Algorithmen und Machine-Learning-Verfahren. Bereits heute sorgen intelligente Lösungen in vielen Fällen für ein automatisiertes Auslesen und für die Extraktion relevanter Daten.
KI-Technologien unterstützen beispielsweise, die gescannten Inhalte auf Ineffizienzen, Fehler und Duplikate zu prüfen und betreffende Dokumente an die jeweils zuständigen Mitarbeiter zur Prüfung weiterzugeben. Bei standardisierten und repetitiven Abläufen finden sich zudem Robotic Process Automation (RPA) sowie im Kundenkontakt Chatbots, die Natural Language Processing (NLP) nutzen, um mit Anwendern zu kommunizieren.
Das volle Potential von KI-Technologien ist damit längst nicht ausgeschöpft. Je stärker sich ECM und DMS in Richtung Archiv der Zukunft entwickelt, desto vielfältiger lassen sich die Daten für KI-Anwendungen nutzen. So könnten KI-Systeme zukünftig zum Beispiel auf Basis von Angeboten und Rechnungen Benchmark-Analysen von Zulieferern erstellen, um in Echtzeit den optimalen Preis einer Ware zu ermitteln.
Auch wenn die Diskussionen um Begriffe und Definitionen in der DMS/ECM-Branche noch anhalten, ist klar: Das Management von Dokumenten ist in Bewegung und entwickelt sich parallel mit neuen Technologien stetig weiter. Unternehmen sollten sich dieser Dynamik bewusst sein und bei der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse auf einen ganzheitlichen Ansatz setzen, der diese Entwicklung effizient unterstützt. Denn um ein Archiv der Zukunft aufzubauen, braucht es nicht nur die richtigen Tools, sondern auch ein digitales organisatorisches Umdenken, um den Mehrwert archivierter Dokumente im ganzheitlichen Umfang auszuschöpfen.
Über den Autor:
Andreas Zipser ist seit März 2021 Vorstandsvorsitzender der Easy Software AG. Zuvor verantwortete er für den globalen Softwarehersteller Sage Group, als Executive Vice President und Managing Director Central Europe, das Geschäft in Deutschland, Österreich, Schweiz und Polen. Unter anderem leitete er auch die Einführung der Sage Business Cloud in Zentraleuropa. Der diplomierte Wirtschaftsmathematiker arbeitete in den letzten 25 Jahren außerdem in der Geschäftsführung für die CAS Software AG, in leitenden Positionen unter anderem für SAS Institute sowie als Partner zweier Unternehmensberatungsgesellschaften.
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