Taugen Android Thin Clients für die Konzernwelt?
Android gilt schon lange als ideal für Thin Clients, anders als die User Eperience. Doch die Zeiten haben sich geändert. Ist es an der Zeit für eine Neubewertung?
Schon seit 2009 bemühen sich verschiedene Unternehmen, Android auf Thin Clients zu etablieren. Zu groß ist die Versuchung: das meistgenutzte Betriebssystem der Welt mit Millionen von Apps, die unzählige Menschen tagtäglich nutzen. Android kann Desktop Virtualization Clients ausführen, neben Android-Apps ist also auch die Nutzung von Windows-Anwendungen möglich.
Android ist vergleichsweise sicher und lässt sich vor allem mit gängigen MDM-Plattformen bestens verwalten. Vorteile, wo man hinzusehen scheint.
In der echten Welt aber kamen und gingen die Anbieter bisher, die sich dieser Aufgabe widmeten. Die meisten scheiterten an denselben zwei Problemen:
- Android wurde nie als Desktop-Betriebssystem konzipiert. Schnittstellen für Tastaturen und Mäuse darauf aufzusetzen brachte eine Menge wilde Dinge mit sich. Vor allem aber frustrierende. Denken Sie nur an eine eingeblendete Softwaretastatur, die keine Tastenkürzel zum Ausschneiden und Einfügen anbietet.
- Android-Apps waren von Anfang bis Ende für Mobilgeräte ausgelegt. Selbst wenn Sie also das Betriebssystem auf einem Thin Client bestens zum Laufen gebracht haben, nutzt noch immer jede Anwendung unterschiedliche APIs für Tastaturen, Grafiken, Web oder was auch immer. Alleine das konnte die ganze Unternehmung zum Kollaps führen.
Es hat durchaus All-in-One Android-Geräte gegeben, ja sogar Android-Sticks. Einige davon von Herstellern, die als Experten für Thin Clients bekannt waren, andere direkt aus der chinesischen Fabrik und dank einschlägiger Internetverkaufsplattformen direkt zu Endkunden auf der ganzen Welt. Trotzdem: jeder dieser Versuche ließ letztlich bezüglich der User Experience immer noch einiges zu Wünschen übrig.
Doch genau das kann sich jetzt, zum Jahreswechsel 2017/18, fundamental ändern. Der letzte ernstliche Versuch, namentlich das Viewsonic VSD242 Android-based Smart Display, liegt schon ein paar Jahre zurück. Das Gerät ist noch immer zu erwerben und läuft auf Android Lollipop, das im November 2014 veröffentlicht wurde. Wenngleich Viewsonic das Gerät noch vertreibt, wendet man sich dort für neuere Smart-Display-Produkte doch eher direkt Linux-basierenden Betriebssystemen zu.
Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, mir den JC8600A Android Thin Client von Computerlab International anzusehen. Zwar handelte es sich um eine Vorabversion, aber das Gerät hinterließ bei mir doch mächtig Eindruck. Es läuft auf Phoenix OS, einem auf Android x86 basierenden Projekt, das selbst auf Android Nougat (7.1.1) aufsetzt. Meine kurze Begegnung mit dem Betriebssystem hat in mir die Hoffnung aufkeimen lassen, dass wir endlich eine Version von Android haben, die eine echte User Experience auf Desktop-Niveau ermöglicht.
Tastatur und Maus fügen sich ganz natürlich ein und bilden mit dem Layout einen Gesamteindruck, bei dem Sie von Android nicht mehr viel merken. So funktionieren zum Beispiel Tastaturkürzel wie Ausschneiden und Kopieren ganz wie erwartet, beim Klick mit der rechten Maustaste begegnen Ihnen Kontextmenüs und sogar eine Startleiste verschafft Ihnen seinen sehr vertrauten Eindruck. Und eine Softwaretastatur? Fehlanzeige.
Problem 1: gelöst.
Nachdem wir diesen ersten Punkt abgearbeitet haben, stürzen wir uns auf die Anwendungen. Bedauerlicherweise ist dieser Schritt sehr viel mühsamer, denn wir sind auf die Gnade jedes einzelnen Android-Entwicklers angewiesen. Bei Android selber war das einfacher: Das ging oder es ging nicht. Unternehmen wie CLI und jedes andere, das jemals Android-Anwendungen auf den Desktop bringen wollte, finden in diesem Bereich ihre wahren Herausforderungen vor.
Wie gesagt habe ich nur ein Vorseriengerät sehen können. Deshalb wäre es unfair, mich über Merkwürdiges auszulassen, das bis zur Veröffentlichung des Geräts noch korrigiert werden könnte und dürfte.
Vor allem aber sollte ich vorausschicken, dass alles, was ich gesehen habe, nur und ausschließlich oberflächlicher Natur war. Ein Beispiel: Diese Android-Apps sind für den Betrieb auf der kompletten Bildschirmfläche ausgelegt. Ihr Verhalten in Desktop-Szenarien kann daher schon etwas wackelig wirken. Was mir aber Mut machte: Hat man diese Dinge bei einer App einmal im Griff, so funktionieren sie sehr gut und fühlen sich ganz und gar nicht so an, als habe jemand versucht, eine Tablet-App mit dem Schuhlöffel in den Desktop hereinzupressen. Kleinere Probleme im Oberflächenverhalten zu korrigieren ist bedeutend einfacher, als eine App für diesen Nischeneinsatz von Grund auf neu zu erstellen.
Wir werden ja sehen
Wir nähern uns dem Punkt, an dem Thin Clients mit Android in Bezug auf User Experience und Leistung durchaus akzeptabel sein können. Für meine Begriffe passt das ganz außerordentlich gut in die gegenwärtige Mode des Unified Endpoint Managements (UEM). Wenn sich diese Plattform als tauglich herausstellen sollte, so werden wir zukünftig all unsere Desktops, Laptops, Mobilgeräte und Thin Clients von derselben Plattform aus verwalten können. Und sogar ohne UEM können Sie noch immer jede beliebige MDM-Plattform verwenden (CLI kooperiert mit SOTI, doch wirklich jede MDM-Plattform funktioniert). Die Zeiten von drei Verwaltungsplattformen in Ihrem Unternehmen – für PCs, für Mobilgeräte und für Thin Clients – sind dann vorbei.
Auch weiteren Anbietern steht dieses neue Segment von Android Thin Clients offen. Ansätze ließen sich etwa bei der Firma Jide finden, die mit einem an Konsumenten gerichteten Remix Mini an den Start gegangen waren. Das Gerät mochte für einige Einsatzzwecke durchaus geeignet sein, konnte aber seine Preislage in Bezug auf die Leistung nicht verleugen. Zudem litt es an eben jedem Problem der Unterstützung von und durch Fremdanbieter-Apps. Folgerichtig kündigte Jide kürzlich an, das Gerät vom Markt zu nehmen und sich auf ein Gerät für den Einsatz auf Konzernebene konzentrieren zu wollen.
Mit Blick auf gleich zwei Unternehmen, die Android-basierende PCs ernstlich projektieren (und einer davon sogar bald lieferbar ist), den Zuwachs von Desktop-Funktionalität in Android selber und angesichts der wachsenden Aufmerksamkeit für UEM könnte sich 2018 durchaus als das „Jahr der Android Thin Clients“ erweisen. Natürlich bedarf es noch weiterer Anbieter, doch bei einem soliden Betriebssystem und deutlicher Interessenbekundung aus den Konzernen dürfte dieses Mal vieles deutlich einfacher werden.
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