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Systemintegration: Wie Altes und Neues zusammengebracht wird
Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Systemintegration hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier sind einige Tipps, um eine optimale Umsetzung sicherzustellen.
Eine digitale Plattform aufzubauen bedeutet immer, ein umfangreiches und anspruchsvolles Technologieprojekt umzusetzen. Darin steckt ein gewisses Risikopotenzial für alle Beteiligten: Vom Kunden über die entwickelnde Agentur bis hin zur begleitenden Unternehmensberatung hat jeder etwas zu verlieren. Hinzu kommen Komplexitätsfallen, die den geplanten Projektumfang und das Budget sprengen.
Auch wenn die Kernaufgaben technologisch sind, machen organisatorische und zwischenmenschliche Aspekte die eigentlichen Risikofaktoren aus. Dies trifft vor allem auf die Systemintegration zu. Unternehmen verfügen heute fast immer über Legacy-Infrastrukturen, die mit der neuen Software verbunden werden müssen. Das Problem: Das ausführende Entwicklerteam weiß zunächst nichts bis wenig über die bestehende IT-Landschaft und welche potentiellen Probleme sich im Backend verbergen.
Ein Beispiel: Ein Unternehmen möchte seine gesammelten Kundendaten in einer neuen Handelsplattform verwenden. Zunächst scheint alles glatt zu laufen. Die Daten sind gut strukturiert und die Entwickler bauen eine Schnittstelle für die Plattform. Doch nach einer Weile erscheinen auf einmal Daten von Mitarbeitern im Frontend. Wie konnte das passieren? Es stellt sich heraus, dass bereits einige Jahre zuvor jemand Mitarbeiterinformationen in die Datenbank eingegeben hatte, ohne die Struktur anzupassen. Was jahrelang in der alten Infrastruktur ohne Probleme funktioniert hat, führt nun zu allgemeiner Verwirrung und einer empfindlichen Verzögerung des Projekts.
Aus diesem Beispiel wird deutlich: Technologisch bestand hier keine große Herausforderung, vielmehr war die Kommunikation und der Wissenstransfer zwischen dem Unternehmen und der beauftragten Agentur Ursache des Problems. Daraus leiten sich grundlegende Maßnahmen ab, welche die Erfolgswahrscheinlichkeiten der Systemintegration erheblich steigern können.
Legacy-Systeme umfassend vorbereiten
Bevor das ausführende Entwicklerteam mit der Planung der Integration neuer Teillösungen beginnen kann, liegt die Vorbereitung beim Unternehmen. Es muss sicherstellen, dass die Daten sauber, die Qualität der Datenstruktur hoch und die APIs explizit definiert sind. Dabei kommt es vor allem auf diejenigen Daten an, mit denen das System später arbeiten muss, also zum Beispiel Kunden- oder Produktdaten.
Sauber bedeutet hierbei, dass die Daten von Fehlern wie im genannten Beispiel bereinigt sind und in ihrer Struktur auch zu den neuen Systemen passen. Gerade wenn Datenstrukturen über einen längeren Zeitraum organisch gewachsen sind, beinhalten sie unter Umständen unnötige Informationen oder noch schlimmer: relevante Informationen sind verloren gegangen. Bevor die bestehende Infrastruktur nicht entsprechend vor- und die Informationen so eindeutig wie möglich aufbereitet sind, sollte die Implementierung nicht beginnen.
Rechtzeitige Kommunikation und Wissensaustausch
Systemintegrationen scheitern, wenn Entwickler wichtige Informationen und Details nicht erfahren, die sie eigentlich von Anfang an hätten wissen müssen. Neben der gut aufbereiteten Datenstruktur müssen daher beide Seiten frühzeitig in einen effektiven Dialog treten.
Hier stellt sich auf Kundenseite zunächst die Frage, wie dieses Wissen institutionalisiert wurde. Denn häufig gibt es im Unternehmen nur noch ein oder zwei Personen, die überhaupt wissen, wie und aus welchen Gründen bestimmte Teile der IT-Landschaft ursprünglich entwickelt wurden. Im schlimmsten Fall haben diese Personen in der Zwischenzeit das Unternehmen verlassen, so dass die Informationen zuvor mit anderen Mitarbeitern geteilt oder transparent dokumentiert worden sein müssen.
Auch die Agentur ist in der Verantwortung, den frühzeitigen Wissenstransfer zu initiieren und gezielt Fragen zu stellen. Da die Systemintegration jedoch unangenehme Überraschungen mit sich bringen kann, lässt sich häufig das Phänomen beobachten, dass Projektteams die Integration und den hierfür erforderlichen Wissensaustausch bis ganz ans Projektende schieben.
Werden fundamentale Defizite für die Anbindung an die laufenden Systeme erst zum Schluss erkannt, haben sie einen viel größeren negativen Einfluss auf das Zeit- und Kostenbudget. Daher sollten sich alle Stakeholder der Bedeutung dieses Problemfeldes bewusst werden und es frühzeitig mit entsprechenden Kommunikationsmaßnahmen angehen.
Ausführliche Tests
Zuletzt sollten natürlich umfangreiche Tests einen zentralen Bestandteil der Implementierung darstellen. Dafür muss das Entwicklerteam frühzeitig vollständigen Zugang zu den Datensätzen erhalten beziehungsweise diesen aktiv einfordern. Nur wenn die Integrierenden die bestehende Infrastruktur rechtzeitig einsehen, können sie umfangreiche integrale Tests durchführen und so letztlich sicherstellen, dass die Integration problemlos verläuft.
„Systemintegrationen scheitern, wenn Entwickler wichtige Informationen und Details nicht erfahren, die sie eigentlich von Anfang an hätten wissen müssen.“
Christopher Möhle, Turbine Kreuzberg
Ist dies nicht der Fall, können größere Probleme schlimmstenfalls erst erfasst werden, wenn sie sich im Frontend bemerkbar machen. Zu diesem Zeitpunkt sind dann jedoch umfangreiche Korrekturen nötig, die zu einer deutlich längeren Projektlaufzeit und erhöhten Kosten führen.
Keine Angst vor der Systemintegrationen
Um bei Softwareprojekten Altes und Neues erfolgreich zusammenzubringen, kommt es auf Zusammenarbeit und Vorbereitung an. Der Feind ist vor allem Wissen, das nicht expliziert wird, und mangelnde Kommunikation zwischen Agentur und Unternehmen. Sind diese aber einmal zusammen mit der Angst vor den unbekannten Problemen der fremden IT-Landschaft überwunden, steht der erfolgreichen Systemintegration nichts mehr im Weg.
Über den Autor:
Christopher Möhle ist COO bei Turbine Kreuzberg und begleitet Unternehmen bei der Entwicklung von digitalen Produkt- und Serviceplattformen sowie individuellen Applikationen auf IoT- und Blockchain-Basis. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Technologie und Umsetzungsstrategie. Möhle leitet den Plattformbereich am Agenturstandort Berlin.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.