Vasyl - stock.adobe.com

Software Defined Mainframe (SDM): die Abkehr vom Großrechner

Mainframes sind in unzählige Prozesse involviert. Betrieb und Wartung stellen eine besondere Herausforderung dar. Eine Abkehr von klassischen Mainframe ist aber möglich.

Auch wenn schon lange totgesagt, so begegnet dem Durchschnittsbürger der Mainframe noch immer nahezu überall, nur eben nicht unmittelbar. Ob bei einer Kreditkartenzahlung, Reisebuchung oder einer Interaktion mit einer Versicherung – fast überall sind Großrechner involviert. Sie leisten seit Jahrzehnten ihren Dienst.

Jedoch sind diese Systeme vergleichsweise teuer und es bedarf einer tiefen Fachkenntnis, um diese zu betreiben. Man muss genau wissen, was man tut, um mögliche Fehler zu vermeiden. Dies stellt für Unternehmen eine besondere Herausforderung dar. Insbesondere, da mittlerweile kaum noch passende Experten für diese Systeme zu finden sind.

Banken, Versicherungen, Automobilkonzerne, Telekommunikationsunternehmen sowie viele andere können ihre Systeme nicht ohne Weiteres auf modernere Technologien beziehungsweise einfacher zu betreibende Systeme umrüsten. Die Großrechner sind oftmals ein zentraler Punkt, um den herum Kerngeschäftsprozesse des Unternehmens entwickelt wurden.

Daher bedeutet ein Wechsel nicht nur eine Migration von Anwendungen von einer auf die andere Plattform, sondern erfordert auch tiefgreifende Einschnitte in organisatorische Abläufe im Unternehmen. Entsprechend wird die Ablöse der betreffenden Applikationen zu einem komplexen Unterfangen, denn sämtliche Prozesse in der IT-Landschaft der betreffenden Organisation müssen erfasst und entsprechend neu geformt werden – ein risikobehaftetes Unternehmen.

Gleichzeitig befinden sich Firmen in einem immer stärker werdenden Wettbewerb mit anderen Firmen, welche eine solche Legacy nicht besitzen und nativ im Web beheimatet sind. Deshalb ist es wichtig, auch in diesem Bereich agil und innovativ agieren zu können.

Nur ist dies auf dem Großrechner als Plattform eben eine ziemliche Herausforderung. Hier wurde bislang aufgrund der benötigten Detailkenntnis konservativ agiert und jeder Schritt mehrfach überprüft, was Entwicklungszeiten enorm verlängert. Zentrale Konzepte wie „Fail Fast“ oder „Fail Often“ aus der agilen Methodologie sind praktisch nicht vorhanden.

Wäre es nicht wunderbar, wenn auch die Entwicklung und der Betrieb der Bestandssysteme eine solchen Herangehensweise zulassen würde und sich nahtlos in moderne Applikationsentwicklungen integrieren ließe?

Weg vom Mainframe

Wenn der Wechsel weg von bestehenden Großrechnerapplikationen so riskant ist und die Beibehaltung der alten Plattform wesentliche Nachteile nach sich zieht: Welche Möglichkeiten bleiben noch?

Viele IT-Entscheider beschäftigen sich laut einer vom Marktforschungsinstitut Vanson Bourne im Auftrag von LzLabs und Microsoft erhobenen Umfrage bereits mit der Suche nach einer sinnvollen Alternative. Hier sind 77 Prozent der befragten IT-Entscheider der Meinung, dass ein Mainframe-Modernisierungs- oder Migrationsprozess längst hätte beginnen müssen, um Geschäftsrisiken zu vermeiden.

Tatsächlich drängt die Zeit, denn viele Experten werden wegen ihrem baldigen Abschied in den Ruhestand in wenigen Jahren nicht mehr zur Verfügung stehen. Das führt dazu, dass notwendige Arbeiten am Mainframe nicht mehr erfolgen können.

Neben dem Wettbewerb kommen die veränderten Nutzungsgewohnheiten und -möglichkeiten der Anwender an die Bestandsanwendungen hinzu. Diese wurden vor zwanzig, dreißig oder mehr Jahren nach dem damaligen Bedarf erstellt, der sich mittlerweile stark verändert hat. So hat zum Beispiel die Nutzung mobiler Endgeräte – wie beim Online-Banking – zugenommen. Hier stoßen die Applikationen als monolithische Systeme, die nie für diese Art von Nutzung ausgelegt worden sind, an ihre Grenzen. Zumal die veränderten Verhaltensmuster auch zu zusätzlichen Kosten führen, denen nicht immer ein entsprechender Nutzen für die Firmen gegenübersteht.

Alternative Open Source

Alternativen zum bereits eingeschlagenen Weg gibt es üblicherweise nicht. Wenn ein Unternehmen sich erst einmal für einen Großrechner entschieden hat, bleibt es viele Jahrzehnte dabei. Jedoch besteht eine sinnvolle Alternative in der Nutzung von Open-Source-Technologie.

Die auf dieser Technologie basierenden Systeme können die Funktionen von Mainframes beherbergen, ohne einen Wechsel von einem auf das andere System durchführen zu müssen. Gerade die gleichzeitige Nutzung von bereits bestehenden Mainframe-Anwendungen und einer offenen Plattform mit der Unterstützung einer Open Source Community ermöglicht eine Fülle an Lösungen.

Nun sind bereits viele herkömmliche Lösungsansätze für den Wechsel von den Applikationen am Markt verfügbar, jedoch bedeutet das lange noch keinen einfachen Umstieg, insbesondere wenn es sich um Mainframe-Anwendungen handelt.

Allen diesen Ansätzen liegen unter anderem folgende Schwierigkeiten zu Grunde:

  • Bestehende Anwendungen sind unzureichend dokumentiert und es haben sich in den vergangenen Jahrzehnten viele Änderungen und Anpassungen angesammelt, die oft ebenfalls nur unzureichend dokumentiert wurden.
  • Der Quellcode der Anwendungen, der notwendig für die Nachvollziehbarkeit der Programmierlogik ist, ist oft nicht mehr erhalten. Manche Applikationen enthalten Module, die auch beim Wechsel der Plattform für die Funktion des Systems wichtig sind, aber bei denen das Wissen über ihren Aufbau und Arbeitsweise nicht mehr vollumfänglich vorhanden ist.
  • Einen Wechsel weg von der Großrechnerplattform zieht normalerweise nicht zu unterschätzende Anpassungen im Code nach sich, die nur bei sehr detailliertem Fachwissen über die Funktionsweise der Applikation möglich sind. So nutzen Mainframes beispielsweise die EBCDIC-Codetabelle, während x86-Rechner auf dem ASCII basieren. Beide sind vollkommen unterschiedlich. Für Sortierfolgen und Applikationslogik hat dies einschneidende Konsequenzen.

Einige Dienstleister bieten zwar das Umschreiben des Codes innerhalb eines Migrationsprojektes an, doch muss der Anwender sich tief in der Applikation auskennen, da der eigentliche Code angepasst werden muss.

Die Alternative

Trotz dieser Hürden sind Unternehmen an einem Plattformwechsel interessiert. In regelmäßigen Abständen müssen ohnehin Elemente der Bestandsapplikationen angepasst oder erneuert werden. Kosten für den Betrieb der Applikation auf den Großrechnern belasten das IT-Budget. Neue Anforderungen an die Systeme, Betriebssystemwechsel oder auslaufende Serviceverträge können den alten Mainframe für den weiteren Betrieb unattraktiv machen.

Anstatt eine veraltete Technologie ständig aktualisieren zu müssen, können Unternehmen ihre Bestandsapplikation auf einem Software Defined Mainframe (SDM) bringen und dort schrittweise modernisieren. Darüber hinaus erlaubt es SDM, bestehende Anwendungen auf Basis einer Open-Source-Umgebung weiter zu betreiben, was Abhängigkeiten zu etwaigen Anbietern reduziert. Mit SDM ist es – im Gegensatz zu anderen Methoden der Migration – nicht nötig, den vorhandenen Code neu zu kompilieren. Der Umstieg erfordert damit einen vergleichbaren Aufwand bei der Modernisierung wie die Migration auf eine aktuellere Version der Großrechnerplattform und deren Subsystemen.

Thilo Rockmann, LzLabs

„Anstatt eine veraltete Technologie ständig aktualisieren zu müssen, können Unternehmen ihre Bestandsapplikation auf einem Software Defined Mainframe (SDM) bringen.“

Thilo Rockmann, LzLabs

Von großem Vorteil ist außerdem die Möglichkeit einer flexiblen und granularen Modernisierung, unter Verwendung genau der Entwicklungsplattformen und Methoden, wie sie auch bei modernen Applikationen zur Verfügung stehen. Keinesfalls muss das gesamte System ausgetauscht werden. So kann diese Modernisierung, wenn sinnvoll, auch nur einzelne Module der ursprünglichen Anwendung beinhalten, die weiterhin mit den auf dem Mainframe laufenden Applikationen interagieren.

Vorteile nutzen

Der SDM bietet Mainframe-Anwendern durch mehr Flexibilität und Sicherheit entscheidende Vorteile. Der bestehende Code kann weiterhin verwendet werden und mit neuen, in Java erstellten Komponenten interagieren. Damit lösen IT-Verantwortliche auch eine wichtige Herausforderung ihrer Unternehmen, welche in ständigen Wettbewerb stehen.

Schließlich bedeutet die Modernisierung eines Mainframes auf den SDM einen Gewinn für alle im Unternehmen. Die Agilität des Unternehmens nimmt zu, gleichzeitig kann Bewährtes behalten und Neues hinzugefügt werden. Ein solcher Umstieg bietet außerdem die Chance, dass aktuelle Mitarbeiter den Wechsel als Chance und nicht als Bedrohung sehen.

Über den Autor:
Thilo Rockmann ist Chairman und COO von LzLabs.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder und entsprechen nicht unbedingt denen von ComputerWeekly.de

Nächste Schritte

IBM richtet seine Blockchain-Technologie an Mainframes aus.

IBM versucht den Spagat zwischen Mainframes und moderner IT.

Mainframes: Eine Sache der Vergangenheit oder der Zukunft?

Erfahren Sie mehr über Data-Center-Betrieb