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So planen und bauen Sie ein klimafreundliches Rechenzentrum
Die gesamte IT-Branche muss klimafreundlicher werden. Wer jetzt ein neues Rechenzentrum baut, sollte sich daher bereits bei der Planung Gedanken um seinen Ressourcenbedarf machen.
Rechenzentren sind eine wichtige Grundlage für den technischen Fortschritt und der steigende Bedarf führt dazu, dass ständig neue geplant und gebaut werden. Die Pandemie hat die Nachfrage nach Internetdiensten weiter angekurbelt. Menschen verbringen immer mehr Zeit online, arbeiten häufig von zu Hause, und ständig werden neue Technologien entwickelt. Das führt zu einem erheblichen Anstieg des Strombedarfs. Nach Angaben des Borderstep Instituts benötigten Rechenzentren 2020 rund 16 Milliarden Kilowattstunden.
Gleichzeitig spielt das Thema Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. Diese Entwicklung ist kein temporärer Trend, sondern ein grundlegender Wertewandel in allen Bereichen. In Anbetracht des starken Energiebedarfs von Data Centern sind also neue Ansätze gefragt, mit denen Betreiber an die NetZero – also Klimaneutralität – herankommen.
Effektive Abwärmenutzung
Der Ruf nach klimaneutralen Lösungen für Rechenzentren wird immer lauter. Die Nutzung von Abwärme kann dazu einen bedeutenden Beitrag leisten – insbesondere in Industriegebieten. Zahlreiche ältere Standorte setzen noch immer auf fossile Brennstoffe wie Kohle oder Öl und müssen dies mit immer kostenintensiveren CO2-Zertifikaten kompensieren. Durch den Ausbau eines Nahwärmenetzwerks lässt sich die Abwärme von Rechenzentren in unmittelbarer Nähe nutzen. Bei größeren Mengen ist das nicht nur finanziell günstiger, sondern auch nachhaltig.
Der Einsatz einer effizienten Kühltechnologie im Data Center ist hierbei unerlässlich. Bei der konventionellen Luftkühlung nutzt das System die Leistung nicht besonders effizient. Vor allem bei Hochleistungsrechnern kommt es zu einer erheblichen Wärmeentwicklung. Um die Hardwarekomponenten zu schützen, müssen Betreiber das gesamte System kühlen, was eine große Menge an Energie erfordert. Bei der Direktwasserkühlung dagegen werden nur die empfindlichen Komponenten und nicht der gesamte Rechner klimatisiert. Durch dieses zielgerichtete Chip-Kühlverfahren lässt sich außerdem das heiße Wasser anschließend ableiten und direkt in das Heizungsnetz führen. Die Weiternutzung warmer Luft ist demgegenüber viel aufwendiger.
Bauprozesse nachhaltig gestalten
Nicht nur im Betrieb, auch beim Bau eines Rechenzentrums gilt es, auf Klimaneutralität zu achten. Weltweit sind 40 Prozent der CO2-Emissionen auf Bauprojekte zurückzuführen. Da hier viele ressourcenintensive Abläufe ineinandergreifen, ist eine kluge Planung bereits die halbe Miete. Wenn Betreiber bei der Koordination ihrer Projekte Engpässe oder sogar Rückbaumaßnahmen vermeiden, senken sie Kosten und CO2-Ausstoß.
„Eine nachhaltige Energieversorgung und klimaneutrale Bauprojekte entstehen nicht im Handumdrehen. Sich überhaupt solche ambitionierten Ziele zu setzen, ist ein wichtiger erster Schritt.“
Herbert Radlinger, NDC-GARBE
Eine weitere Strategie ist das Reduzieren von Emissionen, die beim Bauprozess oder der Produktion von Baumaterialien anfallen. Zu empfehlen sind recycelte oder erneuerbare Rohstoffe. Schon durch den Einsatz von Sperrholz statt Beton und Stahl lässt sich der Treibhausgasausstoß reduzieren.
Eine durchdachte Vorproduktion kann zusätzlichen Aufwand durch Fehlplanungen, Nachbestellungen oder Umbaumaßnahmen senken. Ein wichtiger Faktor ist hierbei die Logistik: Koordinieren Sie Lieferfahrten sowie Montagereisen von Fachkräften so, dass sie nur für gewisse Zeiträume an der Baustelle vor Ort sein müssen und es minimale Wartezeiten gibt. Schließlich sollte bereits die Baustelle selbst nachhaltig erzeugte Energie beziehen.
Die Ausstattung des Rechenzentrums kann ebenfalls zur Klimaneutralität beitragen. Zum Beispiel lässt sich mit einem intelligenten Kreislaufverfahren der CO2-Ausstoß verringern: Ältere Server werden oftmals aussortiert, obwohl sie noch einwandfrei funktionieren und für bestimmte Workloads über ausreichend Leistung verfügen. Gebrauchte Geräte – ob aus dem eigenen Betrieb oder von einem Refurbished-Anbieter – stellen eine klimafreundlichere Alternative zu kostenintensiven Neuanschaffungen dar.
Erste Schritte in Richtung NetZero
Eine nachhaltige Energieversorgung und klimaneutrale Bauprojekte entstehen nicht im Handumdrehen. Sich überhaupt solche ambitionierten Ziele zu setzen, ist ein wichtiger erster Schritt. Selbstverständlich birgt die Umstellung Herausforderungen – etwa eine CO2-neutrale Stromversorgung oder die Beschaffung alternativer Baustoffe. Um die Umweltbilanz eines Data Centers zu optimieren, müssen Sie daher viele Prozesse rechtzeitig überdenken und unter Umständen umgestalten.
Ein Rechenzentrum gilt als Bereicherung für jedes Baugebiet, sofern alle damit verbundenen Prozesse klug umgesetzt werden – von der Planung bis hin zum täglichen Betrieb. Dies ermöglicht neben einer hohen Datenverfügbarkeit auch, dass das Rechenzentrum Energie speichert und als Wärmequelle für die Nachbarschaft fungiert. Errichten Sie ein Data Center in enger Zusammenarbeit mit der Stadtentwicklung, ergeben sich nachhaltige Möglichkeiten für die gesamte Umgebung. Die NetZero-Zukunft rückt damit ein gutes Stück näher.
Über den Autor
Herbert Radlinger verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Rechenzentrumsbranche sowie in den Bereichen Technologie, Bau und Lieferkettenmanagement. Er ist als Vice President für Projekte & Lösungen sowie als technischer Leiter bei NDC-GARBE tätig. Zuvor war er Managing Direcor bei der M+W Group (EXYTE) in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.