Schöne neue Welt: Was hinter der Idee einer KI-Steuer steckt
Künstliche Intelligenz bringt einen Umbruch in allen Arbeits- und Lebensbereichen. Eine KI-Steuer soll mögliche Negativauswirkungen der KI abschwächen, wird aber stark diskutiert.
Spätestens seit der Veröffentlichung des generativen KI-Tools ChatGPT wird das Thema künstliche Intelligenz kontrovers diskutiert – nicht nur in Bezug auf Datenschutz und Urheberrecht, sondern vor allem auch im Kontext der Sicherung von Arbeitsplätzen. Viele Beschäftigte fürchten, auf lange Sicht ihren Job zu verlieren. Kann eine KI-Steuer helfen, dem Arbeitsplatzverlust entgegenzuwirken und finanzpolitische Auswirkungen abzufangen?
Historisch betrachtet, stehen Menschen technologischen Neuerungen meist eher skeptisch gegenüber. Daher dürfte die derzeit um sich greifende Sorge, der kommerzielle Einsatz künstlicher Intelligenz könnte zu weitreichenden Jobverlusten führen, wohl kaum verwundern – zumal drohende Massenarbeitslosigkeit nicht nur für die jeweils Betroffenen ein Problem darstellt. Im großen Stil ausbleibende Lohnsteuerzahlungen würden auch den Staat hart treffen. Ein derzeit heiß diskutierter Vorschlag, der darauf abzielt, der Lage im Ernstfall Herr zu werden, kommt aus den Reihen der Linksparteien: Unter anderem SPD und Bündnis 90/Die Grünen fordern eine Sondersteuer auf den Einsatz künstlicher Intelligenz.
Wie sinnvoll jedoch ist eine solche Steuer? Wo können sich bei der Umsetzung Schwierigkeiten ergeben? Und welche Alternativen gibt es?
Gesetzeslage in der EU: Der AI Act
Künstliche Intelligenz ist, zumindest bezogen auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, ein noch relativ unreguliertes Feld. Erst im März 2024 konnte das Europäische Parlament eine juristische Basis zur Bewertung von KI schaffen. Als weltweit erstes Gesetz über künstliche Intelligenz enthält der AI Act spezifische Regelungen zum rechtlichen Umgang mit KI. Die Verordnung teilt entsprechende Technologien in vier Risikogruppen ein: inakzeptables Risiko, hohes Risiko, Transparenzanforderungen und kein Risiko. Systeme, die in die erste Kategorie fallen, beispielsweise solche, die Social Scoring oder biometrische Identifizierung bezwecken, verbietet das Gesetz komplett, wohingegen Hochrisiko-Systeme einer strengen Überwachung und Kontrolle unterliegen. Für generative Modelle gelten lediglich Transparenzanforderungen bezüglich der verwendeten Daten sowie eine allgemeine Kennzeichnungspflicht KI-generierter Inhalte, wobei jedoch auch diese Systeme eine gründliche Bewertung durchlaufen. Wo laut KI-Verordnung kein Risiko besteht, greifen keine weiteren Kontrollmechanismen.
Steuerliche Erfassung von KI
Was das europäische Gesetz nicht enthält, ist eine eindeutige Definition von KI, die sich auch auf die Frage der Besteuerung übertragen lässt. Laut AI Act ist künstliche Intelligenz ein maschinengestütztes System, das für einen in unterschiedlichem Grade autonomen Betrieb ausgelegt ist und das nach seiner Betriebsaufnahme anpassungsfähig sein kann (Gesetz über Künstliche Intelligenz, Art. 3 Abs. 1, 2022). Neben hoch entwickelten Softwaresystemen wie ChatGPT oder DALL-E fallen unter diese Definition allerdings auch Sprachassistenten wie Alexa und Siri sowie Snapchat-Filter mit Gesichtserkennung oder autonom agierende Saugroboter.
„ Zur Umsetzung einer KI-Steuer bedürfte es also zunächst einer genauen Differenzierung, welche Formen künstlicher Intelligenz unter welchen Bedingungen besteuert werden sollen.“
Christoph Juhn, Juhn Partner GmbH
Zur Umsetzung einer KI-Steuer bedürfte es also zunächst einer genauen Differenzierung, welche Formen künstlicher Intelligenz unter welchen Bedingungen besteuert werden sollen. In einem Gespräch mit dem Handelsblatt äußerte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch beispielsweise den Vorschlag, nur digitale Großkonzerne zu besteuern, die KI-Programme verkaufen oder selbst nutzen. Wobei sich allerdings auch dort die Frage stellt, welcher Faktor letztendlich für die Steuer entscheidend ist – der Unternehmenssitz oder das Land, in dem die Umsätze entstehen? Aufgrund des bisher unzureichenden gesetzlichen Rahmengerüsts wäre die Umsetzung einer KI-Steuer aktuell mit massivem bürokratischem Aufwand und rechtlichen Unsicherheiten verbunden.
Produktivitätsgewinne sinnvoll verteilen
Andererseits könnte eine Steuer auf künstliche Intelligenz gemäß der ursprünglichen Intention dazu beitragen, Produktivitätsgewinne und wirtschaftliche Vorteile durch KI gerecht auf die Gesellschaft zu verteilen. Denn wo stark in autonome Systeme investierende Unternehmen hohe Gewinne erzielen, erfahren traditionelle Arbeitskräfte im Vergleich eher eine Benachteiligung. Mit einer KI- Steuer ließe sich diese Disparität ausgleichen und ließen sich wettbewerbsfähige Bedingungen schaffen. Nicht zuletzt würde auch der Staat von einer Steuer auf KI profitieren, da sich durch die zusätzlichen Einnahmen öffentliche Dienste und Infrastrukturen finanzieren ließen, die durch die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung unter Druck geraten könnten.
Innovationsbremse KI-Steuer?
Unter anderem Experten des Internationalen Währungsfonds IWF sowie Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP sehen die Besteuerung von KI hingegen eher kritisch. Als führender Industriestandort sei Deutschland darauf angewiesen, technologische Fortschritte mitzugehen, um im internationalen Wettbewerb nicht zurückzufallen. Eine KI-Steuer könnte dazu führen, Anreize entsprechender Investitionen zu schmälern, was wiederum Innovationen ausbremsen würde. Deutschland verlöre dadurch als Unternehmensstandort an Attraktivität. Potenziell zöge dies also den Abbau von Arbeitsplätzen und Abwanderungen ins Ausland nach sich.
Flexibilität statt Steuerlast
Als Alternative zu einer Besteuerung böten sich, laut IWF, gezielte Förderprogramme an, um den Abbau von Arbeitsplätzen aufgrund von KI abzufedern und die Liquidität des Staates aufrechtzuhalten. Staatliche Umschulungsprogramme könnten Arbeitnehmer auf neue Tätigkeiten vorbereiten, die durch die Automatisierung entstehen, während das großflächige Vorantreiben der Digitalisierung gleichzeitig neue Wirtschaftszweige eröffnen und dadurch Arbeitsplätze schaffen könnte. Es empfiehlt sich zudem, dass Schulen und Universitäten flexible Bildungspläne entwickeln, um Abgänger besser auf die veränderten Bedingungen des Arbeitsmarkts vorzubereiten. Gleichzeitig rät der IWF zu einer generellen Umverteilung der Steuerlast durch niedrigere Lohnsteuern und eine höhere Besteuerung auf Kapitalerträge, um Arbeitnehmer zu entlasten und staatliche Einnahmen zugleich krisensicherer zu gestalten. Auch die gezielte Förderung von Branchen mit hoher Arbeitsnachfrage könnte sich in diesem Kontext als sinnvoll erweisen, um nicht nur dem Wegfall von Arbeitsplätzen, sondern auch dem Fachkräftemangel, beispielsweise in Pflege und Betreuung, entgegenzuwirken.
Über den Autor:
Prof. Dr. Christoph Juhn ist Professor für Steuerrecht, Steuerberater und besitzt einen Master of Laws. Seine Schwerpunkte in der Gestaltungsberatung liegen auf Umwandlungen und Umstrukturierungen, Unternehmens- und Konzernsteuerrecht, internationalem Steuerrecht, Unternehmenskäufen/-verkäufen (M&A), Beratung für Berater sowie der laufenden Steuerberatung. Nachdem er 2011 seinen LL.M. an der Universität zu Köln erwarb, wurde er 2013 zum Steuerberater bestellt. Im Jahr 2020 promovierte er zum Dr. jur. im internationalen Unternehmens- & Umwandlungssteuerrecht und wurde noch im selben Jahr zum Professor für Steuerrecht an der FOM Hochschule Bonn berufen. Parallel dazu gründete er – nach Anstellungen in zwei Steuerberatungsgesellschaften – im Jahr 2015 die JUHN Partner GmbH und 2017 die JUHN BESAU GmbH. Parallel dazu betreibt der Steuerprofi unter @juhnsteuerberater auf YouTube einen erfolgreichen YouTube-Kanal.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.