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Replatforming: Systemintegrationen erfolgreich meistern

Beim Replatforming sollten Unternehmen auf ihre aktuellen Bedürfnisse achten und Flexibilität für zukünftige Anpassungen priorisieren. Unser Gastautor erklärt, wie das gelingt.

Ob Datenbanken, Shop- oder CRM-Integration: Digitale Projekte starten heutzutage selten aus dem Nichts heraus, vielmehr existiert bereits eine IT-Infrastruktur, in der Teile erneuert oder verbessert werden sollen. Bei den meisten Vorhaben geht es darum, Bestehendes und Neues sinnvoll miteinander zu verknüpfen, um in die Jahre gekommene Systeme zu modernisieren. Bei einem solchen Replatforming-Projekt lauern zwar einige Stolpersteine, vor allem aber bieten es große Chancen.

Replatforming lohnt sich – gerade für den Mittelstand

Besonders in mittelständischen Unternehmen sind oft veraltete IT-Infrastrukturen im Einsatz – gleichzeitig sind die Budgets für neue IT-Projekte vergleichsweise klein. Den meisten Führungskräften dürfte trotzdem klar sein, dass die technologische Entwicklung nicht einfach stehen bleibt. Beispielsweise haben sich viele Mittelständler vor fünf bis zehn Jahren monolithische Shop-Systeme in ihre Systemlandschaften implementieren lassen. Nun sehen sie sich seit geraumer Zeit mit neuen technologischen Paradigmen konfrontiert, wie Headless- oder Unified Commerce, die nicht zu diesen Legacy Shops passen. Wer zukunftsfähig bleiben möchte, muss vor allem flexibel werden, um laufend nachjustieren zu können. Man muss in den seltensten Fällen gleich die gesamte bestehende Infrastruktur erneuern, um signifikante Erfolge zu erzielen. Die Digitalisierung ist kein einmaliges Mammutprojekt, sondern vielmehr ein kontinuierlicher Prozess, bestehend aus kleinen Schritten.

Wo anfangen? Priorisierung ist der Schlüssel zur erfolgreichen Digitalisierung

Unternehmen, die ein Digitalprojekt angehen wollen, sollten zunächst verstehen, dass es gerade zu Beginn nicht immer die großen technischen Neuerungen sind, die ihre Arbeit besser, schneller und effizienter machen. Vielmehr können bereits ein verbesserter Einsatz und die geschickte Kombination bestehender Tools große Auswirkungen haben. Um die jeweils individuell passendsten Lösungen zu identifizieren, sollten sich Unternehmen fragen: Was sind die wichtigsten Handlungsfelder, in denen Technologien ausgetauscht und Prozesse effizienter gestaltet werden sollten? An welchen Stellen entstehen die größten Mehrwerte, beispielsweise weil sie besonders umsatzrelevant sind?

Erfahrungsgemäß gehören dazu insbesondere alle Frontends und andere Funktionen, mit denen Kunden direkt interagieren, beispielsweise bei Kauf- oder Zahlungsvorgängen.

Werden solche Funktionen verbessert, macht sich das kurzfristig bemerkbar und die Unternehmen profitieren von Umsatzsteigerungen und einem hohen ROI (Return on Investment).

Doch was kommt danach? Früher oder später kommt ein Punkt, an dem Organisationen darüber nachdenken müssen, auch die darunter liegenden Systeme zu erneuern. Während gerade Mittelständler oftmals große Datenmengen in herstellerspezifischen (ERP-)Systemen eingeschlossen lagern, geht die Entwicklung immer mehr hin zum Aufbau von Data Hubs, also dem Einziehen einer neutralen Datenschicht, beispielsweise auf Basis von SQL-Datenbanken oder modernen Datenbanktechnologien wie MongoDB Atlas. An diese Schicht können sich sämtliche Anwendungen und Systeme wesentlich leichter über eine universelle API andocken und die jeweils benötigten Daten einfach und schnell herausziehen.

Der neutrale Data Hub als Schlüssel zu mehr Effizienz

Die freie Verfügbarkeit von Daten ist ein zentraler Punkt zum effizienten Anbinden neuer Applikationen. Daher ist das Erstellen einer neutralen Datenschicht eine sinnvolle Investition, auch wenn das Herauslösen der Informationen aus den alten Systemen recht herausfordernd sein kann. Das gilt insbesondere dann, wenn große, alte ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) zum Einsatz kommen: Dort kommen auch mal tausende Spalten an Datenmaterial zusammen, die mit neuen Systemen harmonisiert werden müssen.

„Statt Unternehmensprozesse an den Stand der Technik anzupassen und um diese herum zu bauen, mit einem starken Fokus auf dem zu verkaufenden Produkt, können durch die neue Infrastruktur die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden in den Fokus gerückt werden.“

Christopher Möhle, Turbine Kreuzberg

Trotzdem lohnt sich die Mühe, denn die Chancen, die sich durch eine neutrale Datenschicht ergeben, überzeugen: Die operative Arbeit, beispielsweise die Analyse größerer Datenmengen, und Anbindung neuer Systeme wird stark vereinfacht und beschleunigt – Informationssilos gehören der Vergangenheit an. Diese Vorteile entstehenden gerade durch die Technologieneutralität der Datenschicht: Kein einzelnes System hat die Hoheit über darin verwaltete Informationen, vielmehr wird so auf die Bedürfnisse aller Anwendungen und ihrer Nutzer eingegangen. Vor allem aber erleichtert es auch künftige Integrationen und das Replatforming von Systemen, die ausgedient haben. Flexibilität zahlt sich aus.

Klassische ERP-Systeme haben ausgedient

Diese Entwicklung befeuert einen allgemeinen Paradigmenwechsel: Gerade auch produzierende Unternehmen, in denen zumeist das ERP im Zentrum der IT-Infrastruktur steht, wechseln vermehrt zu einem daten- und kundenorientierten Technologieansatz.

Dieser Wandel ist absolut notwendig, weil er die gesamte Denk- und Arbeitsweise in Unternehmen positiv beeinflussen kann: Statt Unternehmensprozesse an den Stand der Technik anzupassen und um diese herum zu bauen, mit einem starken Fokus auf dem zu verkaufenden Produkt, können durch die neue Infrastruktur die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden in den Fokus gerückt werden. Um aus einer solchen Umstellung den größtmöglichen Nutzen zu ziehen, ist es daher besonders wichtig, auch bestehende Prozesse offenzulegen, kritisch zu hinterfragen und gewachsene Strukturen so weit wie möglich zu verschlanken.

In diesem Prozess werden Unternehmen oftmals feststellen, dass sie eigentlich kein ERP-System mehr brauchen und stattdessen mit einer serviceorientierten Infrastruktur deutlich besser bedient sind. Nicht zuletzt können so auch flexible, dem Bedarfsfluss angepasste Produktionsprozesse umgesetzt werden, beispielsweise durch Verfahren wie Lean Production. Das alles wird durch zeitgemäße CRM-Systeme (Customer Relationship Management) und smartes Sourcing von Rohstoffen immer einfacher.

Nicht von der Technologie, sondern den unternehmerischen Herausforderungen her denken

Bei jedem Systemwechsel sollte nicht die Technologie, sondern die zu meisternden unternehmerischen Herausforderungen im Fokus stehen – die dann in Softwareanforderungen übersetzt werden müssen, beispielsweise beim Management der Buchhaltung oder Zulieferung und Logistik. Wichtig ist dabei, genau zu prüfen, was die aktuellen Systeme wirklich leisten: Welche Funktionen sind essenziell und werden auch in Zukunft gebraucht – und was ist veraltet oder unpraktisch und kann deshalb weggelassen oder verändert werden? Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass oftmals nur zehn Prozent der alten Systeme wirklich zur Wertschöpfung beitragen und neunzig Prozent erneuert werden müssen. Der Das-war-schon-immer-so-Effekt lässt Systemlandschaften immer weiter anwachsen. Es ist wichtig, regelmäßig alles kompromisslos auf den Prüfstand zu stellen.

Fazit: Replatforming heißt, Prozesse und Funktionen auf den Prüfstand zu stellen

Replatforming bedeutet also in erster Linie, den Status quo gründlich zu hinterfragen. Dazu ist entsprechendes Know-how beziehungsweise der Aufbau technologischen Fachwissens in den Unternehmen notwendig. So wächst auch die Unabhängigkeit von Softwareanbietern: Firmen können selbst fundiertere Entscheidungen treffen und Verantwortung für die Ergebnisse übernehmen, Prozesse besser modellieren und Technologien optimal auf die eigenen Bedürfnisse anpassen.

Durch die so aufgebaute Expertise wird sich in vielen Unternehmen auch zeigen, dass ein ERP-System, lange das größte Rad im Uhrwerk mittelständischer Unternehmen, nur eines von vielen Elementen ist – nicht zuletzt aufgrund hoher Kosten, Komplexität und massiver Aufwände bei der Implementierung oder Anpassungen. Mit einer neutralen Datenschicht und daran angedockten, schlanken und individuell gebauten Applikationen fährt ein großer Teil der Unternehmen wesentlich besser. Wichtig ist daher vor allem ein Umdenken der Entscheidungsträger, weg von alten Paradigmen, hin zu mutigen neuen Wegen bei IT-Infrastrukturen.

Über den Autor:
Christopher Möhle ist COO bei Turbine Kreuzberg und begleitet Unternehmen bei der Entwicklung von digitalen Produkt- und Serviceplattformen sowie individuellen Applikationen auf IoT- und Blockchain-Basis. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Technologie und Umsetzungsstrategie. Möhle leitet den Plattformbereich am Agenturstandort Berlin.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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