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Prozesse mit einem Center of Excellence (CoE) automatisieren

Organisationen, die Prozesse automatisieren möchten, sollte ein Center of Excellence (CoE) aufbauen. Was ein CoE ist und wer diesem angehört, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Kunden erwarten heutzutage eine Customer Experience à la Amazon: schnell, transparent und unkompliziert. Gleichzeitig stehen Unternehmen aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage unter einem hohen Kostendruck, während durch den demographischen Wandel ein wachsender Fachkräftemangel droht. Um angesichts dieser Herausforderungen am Markt erfolgreich zu sein, sollten sich Organisationen nicht mehr fragen, ob man Prozesse automatisieren sollte, sondern wie man dies am besten macht – und zwar im großen Stil.

Viele Unternehmen haben erste erfolgreiche Automatisierungsinitiativen und automatisieren einzelne Prozesse in spezifischen Domänen. Im Einsatz sind hierfür zum Beispiel Workflow Engines, BPMN-Tools (Business Process Model and Notation) oder Robotic Process Automation (RPA). Häufig sind diese automatisierten Prozesse aber nur Insellösung und nicht Teil eines End-to-End-Prozesses. Auch fehlt oft die übergeordnete Strategie für die Prozessautomatisierung. Um das damit verbundene Potential zu heben, ist es wichtig, dass Unternehmen eine zentrale Organisationseinheit aufbauen, welche die Prozessautomatisierung mit Blick auf das gesamte Unternehmen strategisch vorantreibt.

Genau hierfür richten immer mehr Organisationen ein Center of Excellence (CoE) ein. Ein CoE für Prozessautomatisierung ist ein zentralisiertes Team aus IT-, Entwicklungs- und BPMN-Expertinnen und -Experten, welches die Einführung von Prozessautomatisierung im Unternehmen beschleunigen und skalieren soll. Ein CoE unterstützt unternehmensweit dabei, Projekte schneller umzusetzen, die Produktivität der Entwicklerinnen und Entwickler zu erhöhen, das Prozessdenken in der Organisation zu fördern und so die digitale Transformation voranzutreiben. Das CoE stellt dafür die nötigen Tools bereit, unterstützt einzelne Teams bei der Umsetzung von Projekten und stellt den Wissenstransfer im Unternehmen sicher.

Geballtes Wissen: Aufgaben eines Centers of Excellence

Welche Aufgaben ein CoE auf welche Weise konkret erfüllt, hängt von den spezifischen Eigenschaften des Unternehmens ab. Es kann ein zentralisierter oder ein dezentralisierter Ansatz gewählt werden: Im ersten Fall setzt das CoE Projekte um, im zweiten befähigt es die betroffenen Teams, es selbst zu tun. Die richtige Form hängt von der Organisationsstruktur und -kultur ab. Oft beginnt ein CoE zentralisiert, um das entsprechende Technologiewissen aufzubauen, und wächst dann mit einem dezentralen Ansatz, um Prozessautomatisierung in der Organisation effektiver zu skalieren. Grundsätzlich lassen sich die Aufgaben eines CoE grob in fünf Bereiche einteilen:

  1. Bereitstellung der Technologien: Das CoE stellt die notwendigen Automatisierungs-Tools bereit, um den Kreislauf von Design, Implementierung, Betrieb und Analyse in die Praxis umzusetzen. Dazu gehören Tools für Process Mining, RPA-Lösungen, Plattformen zur Prozessorchestrierung, aber auch dazugehörige Akzeleratoren wie Konnektoren, individuelle Testing-Tools und Libraries zur Integration in die bestehende Anwendungslandschaft (zum Beispiel das Data Warehouse oder User Task Management). Auf diese Weise lässt sich die Entwicklerproduktivität erhöhen, Business-IT-Kollaboration verbessern und die Zeit, die benötigt wird, bis ein Projekt umgesetzt ist (Time-to-Value), reduzieren.
  2. Planung und Ausführung: Wie sehr das CoE in die Planung und Ausführung involviert ist, hängt von der Struktur ab (dezentral versus zentral). Wie schon angerissen, kann das CoE selbst Projekte umsetzen (zentral) oder es unterstützt Projektteams in der Umsetzung mit Beratung und Know-how (dezentral). Es gibt aber auch hybride Ansätze: Dabei unterstützt das CoE bei Leuchtturmprojekten, bei denen ein Wissenstransfer zu den Teams in den entsprechenden Fachabteilungen stattfindet. Sukzessive zieht sich das CoE dann zurück und die Verantwortung für weitere Projekte wechselt mehr und mehr direkt in die Fachabteilung. Außerdem kümmert ein CoE sich um das Pipelinemanagement der Prozessautomatisierung: Es liefert Entscheidungsgrundlagen, welche Prozesse zuerst umgesetzt werden und bestimmt die eingesetzte(n) Technologie(n).
  3. Wissensaufbau und -austausch: Das CoE sollte genau verstehen, welche Skills benötigt werden, um Automatisierungsprojekte voranzubringen. Es definiert Programme, um die nötigen Skills aufzubauen, zum Beispiel ein allgemeines Grundlagentraining, ein spezifisches Modellierungs-, oder Entwicklertraining (gegebenenfalls auch in Kooperation mit externen Anbietern und Partnern). Das Wissen kann auch in einem internen Wiki oder anderen internen Wissensplattformen festgehalten werden, um Best Practices, beispielsweise zur Prozessmodellierung oder zur Entwicklung von Prozessanwendungen, zu dokumentieren und allen Mitarbeitenden zugänglich zu machen.
  4. Internes Marketing: Ein CoE sollte die strategische Vision und die Potentiale aufzeigen, die mit Prozessautomatisierung verbunden sind und somit das Prozessdenken in der Organisation fördern. Durch Blogartikel im Intranet, Events, Newsletter und Vorträge verbreitet das CoE Fachwissen und belegt dessen Nutzen für das Unternehmen. Zudem sollte Vertrauen in die Kompetenz bei den verschiedenen Business-Stakeholdern geschaffen werden. Zu diesem Zweck kann es hilfreich sein, eine Community of Practice (CoP) auf- oder auszubauen, um gezielt Wissen zu sammeln und weiterzugeben, aber auch um Feedback von den jeweiligen Nutzern einzuholen, damit sich das CoE selbst agil weiterentwickeln kann.
  5. Governance: Das CoE kann sich auch um die IT-Governance rund um Automatisierungsprojekte kümmern. Es standardisiert die IT-Architektur und damit einhergehende Entscheidungen, achtet auf das Einhalten von Compliance-Vorschriften, erstellt Vorlagen, zum Beispiel für Referenzarchitekturen und Leitfäden für Entwickler. Wie streng die Governance ist, hängt von der jeweiligen Unternehmenskultur und -strategie ab. Manche Organisationen geben lediglich Governance-Empfehlungen, während andere die Vorgaben zwangsweise durchsetzen (zum Beispiel durch Architekturgremien).

Wer macht was: Die wichtigsten Rollen im CoE

Die konkrete Zusammensetzung des CoE wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst: Dazu gehören unter anderem die Organisationsstruktur, die Unternehmenskultur, die Finanzierung oder die Automatisierungsstrategie. Ob ein zentralisierter oder dezentralisierter Ansatz gewählt wird, hat ebenfalls großen Einfluss auf die personelle Besetzung des Centers of Excellence.

Einige große Unternehmen, wie die National Bank of Canada, haben ein CoE, das aus zwei Personen besteht und in einem dezentralen Modell arbeitet. Andere Organisationen haben große Teams, die die Automatisierungsplattformen intern als Managed Service verwalten. Trotzdem gibt es typische Rollen, die in einem CoE übernommen werden, wobei eine Person auch mehrere Rollen einnehmen kann. Dazu gehören:

  1. Visionäre: Eine leitende Person des CoE, oder eine Person in einer anderen, technologischen Führungsposition, gibt die Vision und die Automatisierungsziele vor und macht sie im gesamten Unternehmen bekannt. Die Sichtbarkeit des CoE ist besonders wichtig und darf bei dem technischen Fokus nicht untergehen.
  2. Enterprise-/IT-Architekten: Enterprise- oder IT-Architekten verstehen, wie sich die Automatisierungsanwendungen in die IT-Landschaft der Organisation einfügen und geben unter anderem Handlungsempfehlungen für Projekte. Immer häufiger gibt es die Position des Solution Architects, der die Projektteams bei der Automatisierung begleitet und bei der Bewertung von einzelnen Projekten hilft.
  3. BPMN-Methodenexperten: Das kann eine Person oder ein Team sein, das Prozesse in BPMN modelliert sowie komplexe Workflow-Muster umsetzen beziehungsweise entsprechend dazu beraten kann.
  4. Entwickler: Entwickler unterstützen bei der Projektumsetzung in der Praxis. Darüber hinaus können sie Akzeleratoren und wiederverwendbare Komponenten, wie Konnektoren, Integrationsartefakte oder Libraries, bereitstellen.
  5. Experten für Informationssicherheit: IT-Sicherheitsarchitekten konzentrieren sich auf die IT-Sicherheit. Diese Rollen müssen nicht direkt im CoE angesiedelt sein, werden aber immer wichtiger im Kontext von Cloud-Umgebungen.
  6. IT-Operations: System- oder IT-Administratoren oder Operations Manager verwalten die Infrastruktur und die für die Prozessautomatisierung und -orchestrierung verwendeten Tools.

Erfolge messbar machen

Es ist wichtig, die Erfolge eines CoEs in der Organisation sichtbar zu machen, um dessen Akzeptanz zu erhöhen sowie den Wert von Automatisierung für die Organisation herauszustellen. Im Unternehmenskontext bedeutet das idealerweise, Erfolge quantitativ messbar zu machen. Zum einen hilft dies, den Mehrwert gegenüber den zentralen Stakeholdern aus dem Management oder den Fachbereichen nachzuweisen. Zum anderen kann so das Wertversprechen von Automatisierung in der ganzen Organisation bekannt gemacht und neue Geschäftseinheiten zu Projekten inspiriert werden.

Um den Erfolg eines CoE messbar zu machen, sind verschiedene Faktoren entscheidend: erzielter Geschäftswert sowie Nutzungsbreite und -akzeptanz.  Im Hinblick auf den Geschäftswert bieten sich folgende Parameter an:

  • Umgesetzte Projekte: Hier sollten sich Unternehmen folgende Fragen stellen: Wie viele Prozesse sind produktiv? Wie viele Geschäftsvorfälle laufen über die realisierten Prozesse? 
  • Automatisierungsquote: Die Automatisierungsquote der umgesetzten Prozesse ist messbar, indem man die Anzahl der dunkel (komplett automatisiert) und hell (mit menschlichem Eingriff) verarbeiteten Prozesse ins Verhältnis setzt.
  • Projekt-Setup:  Bei diesem Parameter geht es darum, wie schnell eine Organisation neue Projektteams aufstellen kann, um mit der Implementierung von Prozessen anzufangen.
  • Time-to-Value: Die Time-to-Value definiert, wie schnell ein Projekt umgesetzt werden kann. Sie kann durch wiederverwendbare Komponenten (zum Beispiel Konnektoren, Libraries, Integrationsartefakte) oder gezielte Trainings beschleunigt werden.
  • Return on Investment (ROI): Wie hoch ist der Nutzen eines umgesetzten Projektes im Verhältnis zum erbrachten Aufwand?
  • Nutzungsbreite und -akzeptanz: Diese Größen lassen sich beispielsweise darin messen, wie viele Personen durch das CoE ausgebildet wurden. Auch das Wachstum der Community, also derjenigen, die im Unternehmen in einem Automatisierungsprojekt involviert sind, ist ein guter Anhaltspunkt. Diese Aspekte sind unter anderem durch die Anzahl der Community-Meetings, Blog-Posts, Newsletter oder durch eine Zunahme der Teilnehmerzahl bei internen Events messbar. Auch die Zufriedenheit der Stakeholder ist ein wichtiger Faktor, der sich über Umfragen unter den beteiligten Personen quantifizieren lässt.

Keine Angst vor einer Governance-Polizei

Die kontinuierliche Bereitstellung von Mehrwerten für das gesamte Unternehmen ist ein Schlüsselkriterium für ein erfolgreiches CoE. Es gilt zu vermeiden, dass sich ein Automatisierungs-CoE zu einem Elfenbeinturm, oder einer Governance-Polizei entwickelt. Dieser Eindruck kann entstehen, wenn ein CoE zu einem Flaschenhals wird (zum Beispiel bei der Beschaffung von Lizenzen) oder Architekturvorgaben macht, die nichts mit der Projektrealität zu tun haben und Teams unnötig einschränken.

Leon Strauch, Camunda

„Ein Center of Excellence für Prozessautomatisierung ist ein zentralisiertes Team aus IT-, Entwicklungs- und BPMN-Expertinnen und -Experten, welches die Einführung von Prozessautomatisierung im Unternehmen beschleunigen und skalieren soll.“

Leon Strauch, Camunda

Infolgedessen können Fachabteilungen oder Projektteams zögern, mit einem CoE zu kooperieren – insbesondere, wenn sie es gewohnt sind, in dezentralen, agilen Teams zu arbeiten. Um dies zu vermeiden, ist es entscheidend, dass ein CoE mit den täglichen, praktischen Herausforderungen der Teams vertraut ist. Dazu ist es wichtig, dass es durch Enablement, Know-How und Technologien einen Mehrwert für die Projektteams beziehungsweise Fachabteilungen schafft und sich mit ihrem Feedback kontinuierlich weiterentwickelt – um eben kein Elfenbeinturm zu werden.

Das CoE als Wegbereiter der digitalen Transformation

Ein CoE kann Automatisierungsprojekte in allen Phasen des Lebenszyklus unterstützen. Dazu gehören Chancenbewertung, Strategie, Anforderungserfassung, Plattformauswahl, Geschäftsprozessdesign und -modellierung, Prozessimplementierung sowie das kontinuierliche Monitoring. Das CoE hat in der Regel einen Überblick über Projekte im gesamten Unternehmen. Dessen Experten kennen mögliche Fallstricke und können dabei unterstützen, bekannte Fehler zu vermeiden. Doch jedes Unternehmen ist anders und so gibt es kein one size fits all – jedes Unternehmen muss das für sich passende CoE-Modell finden.

Und obwohl der Aufbau eines CoE mit Aufwand verbunden ist, lohnt sich dieser. Denn alle Unternehmen müssen Prozesse im großen Stil automatisieren, um wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben. Als Inkubator für Prozessautomatisierung ist das CoE der Wegbereiter der digitalen Transformation.

Über den Autor:

Als Senior Customer Success Manager bei Camunda unterstützt Leon Strauch unterschiedliche Organisationen dabei, ihre digitalen Transformationsziele nachhaltig zu erreichen. Mit seinem interdisziplinären Hintergrund in den Bereichen B2B-Management, Kommunikationswissenschaften, Software as a Service (SaaS) und Enterprise Software beschäftigt er sich dafür intensiv mit den strategischen Methoden, um Prozessautomatisierung in Unternehmen effektiv zu skalieren.

 

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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