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Process Mining und GenAI: vor dem Generieren kommt Analysieren
Process Mining schafft die ideale Grundlage für einen zielgerichteten Einsatz von generativer KI. Viele Unternehmen haben daher bereits Process Mining in ihrem Repertoire.
Generative KI darf nicht zu einem Marketingschlagwort verkommen. Wenn Unternehmen generative KI implementieren, sollte sie sich auch im Sinne eines Business Case rechnen, denn die Einführung und Nutzung verursachen natürlich Kosten. Ihre Implementierung sollte deshalb immer konkreten messbaren Zielen dienen: sei es die Steigerung der Effizienz, die Erhöhung der Effektivität oder die Verbesserung der Kundenzufriedenheit.
Dadurch rückt eine anderes Tool in den Fokus, das neben generativer KI vielleicht alt aussehen mag, aber durch den Hype um generative KI wieder wichtiger wird denn je: nämlich Process Mining. Dieses ermöglicht es Unternehmen, ihre Geschäftsprozesse anhand von Daten aus ihren IT-Systemen zu visualisieren, zu analysieren und Engpässe, Wiederholungen oder Verzögerungen in Prozessen zu identifizieren. Sie können gezielt identifizieren, an welchen Stellen im Prozess Optimierungsbedarf existiert, der möglicherweise mit generativer KI adressiert werden kann und wie groß der potenzielle Nutzen dabei ist.
Viele Unternehmen betreiben bereits Process Mining, allerdings ist es oft noch nicht vollständig in die operativen und strategischen Prozesse integriert. Drei Defizite sind dabei besonders weit verbreitet:
- die Nutzung ist nicht stringent auf die Zielerreichung und Zielkaskade des Unternehmens ausgerichtet
- Process-Mining-Fähigkeiten sind nicht breit in den operativen Bereichen gestreut, sondern bei einer zentralen Einheit wie der IT gebündelt
- Datengenerierung und -haltung sind nicht optimal auf Process Mining eingestellt
Strategische Ziele auf die Prozesse herunterbrechen
“You can only manage what you can measure”. Dieses Zitat, das dem US-amerikanischen Managementberater Peter Drucker zugeschrieben wird, bringt es auf den Punkt: Es ist schwierig bis unmöglich, etwas zu kontrollieren oder zu verbessern, wenn man dazu keine konkreten Daten oder Metriken hat. Auf Process Mining übertragen heißt das, um Prozesse bewerten und anschließend optimieren zu können, muss definiert sein, welchen messbaren Zielen sie überhaupt dienen.
Deshalb sollten Unternehmen ihre Process-Mining-Aktivitäten mit Blick auf ihre Leistungskennzahlen und Zielkaskade gestalten. Durch Kaskadierung können sie ihre strategischen Ziele und deren zugehörige Spitzenkennzahlen über die verschiedenen Ebenen ihrer Organisation bis auf konkrete Ziele für ihre Geschäftsprozesse herunterbrechen. Was soll der Prozess erreichen? Was ist dabei entscheidend? Geht es um Kundenzufriedenheit, Effizienz oder Effektivität?
Diese Ziele sind oft nicht deckungsgleich. Ist beispielsweise Effizienz vorrangig, muss der entsprechende Prozess so optimiert werden, dass er Arbeit und Zeit einspart. Ist das Ziel dagegen Kundenzufriedenheit, muss es nicht unbedingt darum gehen, den Prozess effizienter oder mit weniger Input, also Arbeitszeit, durchzuführen, sondern darum, seinen langfristigen Output, nämlich den Wirkungsgrad beim Kunden, zu verbessen.
Programm zur kontinuierlichen Verbesserung aufsetzen
Wirklich effektiv ist Process Mining nur, wenn es nicht einer zentralen Einheit alleine überlassen wird, sondern wenn die Nutzung in den Geschäftsbereichen durch die funktionalen Experten oder von der IT zusammen mit diesen erfolgt. Nur die funktionalen Experten können die geschäftliche Perspektive und das nötige Prozesswissen einbringen und so sicherstellen, dass Optimierungen nicht nur technisch realisierbar, sondern geschäftlich sinnvoll und wertschöpfend sind.
Deshalb sollten Unternehmen Process Mining in den operativen Ablauf der Geschäftsbereiche integrieren. Das können sie bewerkstelligen, indem sie ein Programm für kontinuierliche Verbesserung aufsetzen, Verantwortliche dafür benennen und die Identifizierung von Optimierungspotential mit Incentives belohnen. Natürlich müssen die Unternehmen den Mitarbeitern auch die nötige Zeit für die Teilnahme an der kontinuierlichen Verbesserung einräumen und ihnen ein Process Mining Tool zur Verfügung stellen, mit dem sie möglichst autonom arbeiten können. Intuitiv bedienbare und durch Visualisierung unterstützte Werkzeuge ermöglichen es den Fachabteilungen, ohne tiefere technische Kenntnisse ihre Prozesse zu analysieren und Verbesserungspotenziale zu identifizieren.
Konsistente Datenarchitektur schaffen
Die Datenvorbereitung ist ein weiterer entscheidender Faktor für den erfolgreichen Einsatz von Process Mining. Die Daten, die in den verschiedenen IT-Systemen von Unternehmen gespeichert sind und auf die Process Mining aufsetzt, eignen sich oft nicht ohne Aufbereitung dafür, Geschäftsprozesse korrekt abzubilden und zu analysieren. Häufig existieren separate, isolierte Datentöpfe, die gar nicht zusammenhängend betrachtet werden oder wenn, dann nur aus transaktionaler Sicht und nicht aus prozessualer Perspektive.
„Wenn Unternehmen Process Mining mit einem tiefen Integrationsgrad in ihrer Organisation implementieren, legen sie die ideale Basis für Prozessverbesserungen.“
Florian Lauck-Wunderlich, Pegasystems
Idealerweise schaffen Unternehmen mit Methoden wie Event Streams, Datenpipelines und Data Lakes eine konsistente Datenarchitektur und führen damit die Daten aus den unterschiedlichen Kernsystemen zusammen, bereinigen, strukturieren und konsolidieren sie. Bei der Entwicklung neuer Applikationen sollten sie zudem darauf achten, die Datengenerierung so zu konzipieren, dass sie eine Messung auf Zeitleisten erlaubt. Wenn eine Anwendung einen Eingangswert, der sich im Laufe eines Prozesses ändert, einfach überschreibt und immer nur den aktuellen Stand des Wertes vorhält, haben Unternehmen keine Möglichkeit, zeitliche Veränderungen in den Prozessen sichtbar zu machen und daraus Rückschlüsse zu ziehen.
Ideale Basis für Prozessverbesserungen
Wenn Unternehmen Process Mining mit einem tiefen Integrationsgrad in ihrer Organisation implementieren, legen sie die ideale Basis für Prozessverbesserungen. Sie können Optimierungspotenziale zuverlässig erkennen und mit Hilfe unterschiedlichster Technologie heben. Welche Technologie das ist, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Das kann Robotic Process Automation (RPA) sein, ein regelbasiertes System, Machine Learning, analytische KI – oder eben generative KI.
GenAI kann dabei alle drei Zielarten – Kundenzufriedenheit, Effizienz und Effektivität – unterstützen. Chatbots im Customer Service können etwa dafür sorgen, dass Kunden unkompliziert Antworten auf ihre Fragen erhalten und so ihre Zufriedenheit steigern. Durch die schnellere Bereitstellung von Informationen, die automatische Generierung von E-Mails oder die Zusammenfassung langer Dokumente ermöglicht generative KI effizientere Prozesse. Generative KI kann beispielsweise die Effektivität im Marketing erhöhen, indem sie personalisierte und damit relevantere Inhalte für die Kundenansprache erstellt, was letztlich zu höheren Conversions-Raten führt.
Über den Autor:
Florian Lauck-Wunderlich ist Head of AI and Advanced Analytics Consulting EMEA bei Pegasystems.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.