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Nachhaltigkeit in Rechenzentren: Auf Strukturen kommt es an
Auch Rechenzentren müssen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Für die Umsetzung eines solchen Projekts müssen verschiedene Punkte beachtet und adressiert werden.
Weltweit richtet sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Maßnahmen, die zur Begrenzung der durch menschliche Aktivitäten verursachten Umweltschäden erforderlich sind. Auch aufgrund des rasanten Wachstums der IT-Branche sucht der Rechenzentrumssektor verstärkt nach Möglichkeiten, seinen Energieverbrauch und damit seine CO2-Emissionen zu reduzieren.
Nach Schätzungen der Europäischen Kommission wird der Stromverbrauch europäischer Rechenzentren bis 2030 mehr als drei Prozent des weltweiten Energieverbrauchs ausmachen. Als Reaktion darauf verpflichten sich Branchenverbände und einzelne Unternehmen zu Initiativen, die einen positiven Einfluss auf Energieverbrauch, Kohlenstoffausstoß und Wassernutzung versprechen.
Business Critical Solutions (BCS) hat kürzlich die 22. Ausgabe einer Umfrage unter Kunden, Investoren und Fachleuten für Rechenzentren veröffentlicht. Die Studie repräsentiert Trends in 38 europäischen Ländern. Eines der grundlegenden Themen, die sich dabei herauskristallisierten, ist der Wettlauf um eine bessere Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Platzes und eine bessere Leistung der Systeme.
Fast drei Viertel der Teilnehmer an der Umfrage nannten die Verfügbarkeit von Strom als wichtigstes Kriterium bei der Standortwahl für Rechenzentren. Ein Risiko besteht darin, dass die schnell wachsende Nachfrage nach Informationsdiensten und rechenintensiven Anwendungen die Effizienzgewinne übersteigt, die den Energieverbrauch von Rechenzentren in der Vergangenheit unter Kontrolle hielten.
Das Potenzial für erhebliche Effizienzsteigerungen bleibt bestehen, doch sind Investitionen in die nächste Generation von Rechen-, Speicher- und Wärmeabfuhrtechnologien erforderlich, um einen potenziell steilen Anstieg der Energienachfrage in diesem Jahrzehnt zu vermeiden.
Abreißen oder erneuern?
Die Herausforderungen bei der Entwicklung neuer Standorte sind klar definiert. Aber was ist mit den bestehenden Rechenzentren in ganz Europa? Schätzungen zufolge sind etwa 60 Prozent davon mehr als 18 Jahre alt. Wie bei Gebäuden in anderen Immobiliensektoren stellt der Umgang mit Rechenzentren, die ab den frühen Nullerjahren gebaut wurden und entweder teilweise oder vollständig ausgelastet sind, wesentliche und vielfältige Herausforderung dar.
Der Pakt für klimaneutrale Rechenzentren (Climate Neutral Data Centre Pact, CNDCP) verlangt von den Unterzeichnern, an Standorten, die bis 2025 errichtet werden, eine Stromverbrauchseffektivität (PUE) von 1,3 bis 1,4. Ältere Rechenzentren wurden häufig mit einem PUE-Wert von 2,0 oder mehr gebaut. In ihrer jetzigen Form sind entsprechend viele Standorte weit von dem geforderten Standard entfernt und verstoßen gegen die CNDCP-Verpflichtungen.
Sie werden auch für Mieter zunehmend unattraktiv, die eine verantwortungsvolle Energie- und CO2-Politik verfolgen. Die Modernisierung dieser Rechenzentren ist eine große Herausforderung, insbesondere, sobald hohe Verfügbarkeitsanforderungen im Spiel sind. Dieser Schritt erfordert erfahrene Planungs- und Konstruktionsteams, die eng mit den operativen Teams zusammenarbeiten, um die erforderlichen Änderungen an der technischen Infrastruktur ohne Betriebsunterbrechung vorzunehmen.
Eine simple Antwort auf dieses Problem wäre der Abriss und der Wiederaufbau mit neuer Infrastruktur, um die Anforderungen zu erfüllen. Die simple Lösung ist allerdings in diesem Fall nicht unbedingt die beste Antwort. Die ursprüngliche Planung und die Finanzpläne für diese Rechenzentren wurden oft mit einer Lebenserwartung der strukturellen und architektonischen Elemente von sechzig Jahren erstellt.
Zudem fallen bei Abriss und Wiederaufbau große Mengen CO2 an. Für einen erheblichen Teil der Bauarbeiten werden energieintensiver Beton und Stahl in einem solchen Ausmaß verwendet, dass sich bei der Sanierung einer bestehenden Anlage 70 % bis 80 % an CO2 gegenüber einem Neubau einsparen ließe.
Eine Aufrüstung und Erneuerung kritischer Infrastrukturen würde Stromkapazitäten freisetzen, die dann wiederum für wachsende IT-Lasten eingesetzt werden können, zum Beispiel durch den Austausch von USV-Anlagen oder die Änderung von Kühlungslösungen. Diese Art von Eingriffen ist in Tier-3-Rechenzentren mit zwei separaten Strom- und Kühlungspfaden leichter zu bewerkstelligen, auch wenn die Arbeiten sorgfältig geplant und auf Anhieb richtig ausgeführt werden müssen. Gut geplant und ausgeführt überwindet eine solche Lösung die Herausforderungen der Stromversorgung und bereitet den Weg zu einer besseren PUE-Leistung.
Die PUE-Grenzwerte sind jedoch nicht die einzige Herausforderung durch den CNDCP. Der Pakt sieht vor, dass der Strombedarf von Rechenzentren bis Ende 2025 zu 75 Prozent durch erneuerbare Energie gedeckt werden muss und bis Ende 2030 zu 100 Prozent. Diese Anforderungen muss die Rechenzentrumsbranche in einer Zeit erfüllen, in der die Menge an zu verarbeitenden Daten wächst und auch andere Branchen verstärkt um erneuerbare Energie konkurrieren – beispielsweise Produktion, Handel und Transport.
Um die Ziele des CNDCP zu erreichen, muss der Einsatz neuer und bestehender Technologien im Bereich der erneuerbaren Energieerzeugung sofort und in noch nie dagewesenem Maße beschleunigt werden. In einem der Szenarien, die Bloomberg in seinem Bericht New Energy Outlook 2021 modelliert hat, müssen in den Jahren bis 2030 weltweit im Durchschnitt pro Jahr 5,2-mal so viel Windkraft, 3,2-mal so viel Solarenergie und 26-mal so viel Batteriespeicher wie im Jahr 2020 eingesetzt werden.
Eine Reihe von Technologieunternehmen hat bereits ihre Pläne oder gar Erfolge bei der Umstellung auf Ökostrom vorgestellt. Diese Unternehmen haben ihre Muskeln spielen lassen, um große Mengen an verfügbarem Ökostrom abzurufen, aber die einfache Umstellung auf 100 % Ökostrom wird nicht ausreichen. Es kommt vielmehr auf Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung innerhalb der bestehenden Anlagen an, sei es durch ein intelligenteres Management der IT selbst oder der zugrunde liegenden technischen Infrastruktur.
Rechenzentrumsrenovierung: Was ist zu beachten?
Wir haben bereits erhebliche Verbesserungen der Energieeffizienz als Teil einer allgemeinen Erneuerung von Anlagen erreicht, die ihre wirtschaftliche Lebensdauer überschritten hatten. In unternehmenskritischen Umgebungen gibt es eine Reihe von Erfolgsfaktoren, die beachtet werden müssen, damit Projekte ihre ökologischen und wirtschaftlichen Ziele erreichen:
1. Klare Auftragsdefinition
Bei bestehenden Rechenzentren kann der intendierte Projektumfang leicht überschritten werden, wenn Interessengruppen des Betreibers zu Wort kommen und periphere Fakten und Mängel der Einrichtung ans Licht kommen. Ein klares Briefing verhindert, dass Budget und Arbeitsumfang außer Kontrolle geraten, und sorgt zudem dafür, dass sich alle Aktivitäten darauf richten, die Leistung und den Wert der Anlage zu verbessern und zu schützen.
Das Briefing sollte auch die erforderlichen Anpassungen an den Klimawandel und extreme Wetterereignisse berücksichtigen, einschließlich Perioden mit heißem Wetter, hoher Luftfeuchtigkeit und Veränderungen in Überschwemmungsgebieten.
2. Kontrolle und Validierung von Aufzeichnungen
Häufig wird davon ausgegangen, dass die Informationen in den Unterlagen korrekt und aktuell sind. Eine risikobehaftete Annahme. Kontrollen und Validierungen sollten immer zu einem frühen Zeitpunkt des Projekts in Auftrag gegeben werden. Untersuchungen des Energiemonitoring sollten in der Anfangsphase eines Projekts durchgeführt werden und können einfache und schnell umsetzbare Erfolge aufzeigen. Außerdem liefern sie einen Vergleichswert, an dem sich der Gesamterfolg des Projekts bemessen lässt.
3. Budgetfestlegung und Projektdetails
Pauschale Kostenschätzungen auf der Grundlage früherer Erfahrungen sind in der Regel unangemessen und führen schlimmstenfalls zu falschen Ergebnissen. Die Besonderheiten des Projekts und die vorherrschenden Arbeitsbedingungen müssen berücksichtigt werden. Ein Benchmarking von Teilen oder des gesamten Vorhabens kann nützlich sein, um sich zu vergewissern, dass die Schätzungen in der richtigen Größenordnung liegen, sollte aber nicht als alleinige Grundlage für die Genehmigung des Projekts dienen.
4. Anerkennung der Arbeitsbeschränkungen und des Tempolimits bei Projekten
Die Betriebsabläufe an den Standorten von Rechenzentren verhindern häufig ein ununterbrochenes Arbeiten. Erneuerungsprojekte haben im Vergleich zu Neubauprojekten in der Regel längere Ausführungszeiten. Darüber hinaus gibt es aufgrund der COVID-Protokolle Einschränkungen für Arbeitskräfte, die in laufenden Rechenzentren eingesetzt werden.
„Die Projektplanung und -durchführung muss auf die betrieblichen Risiken und Folgekosten abgestimmt werden. Es sind gut durchdachte Risikoverzeichnisse erforderlich, die Klarheit über Verantwortliche und Maßnahmen schaffen.“
Simon Harris, Business Critical Solutions (BCS)
Typische Einschränkungen betreffen die Bewegungsfreiheit des Personals (im Ausland oder anderen Risikogebieten) oder erforderliche Impfungen. Diese Beschränkungen sind zwar oft angemessen, erschweren aber die Durchführung von Projekten mit unvermeidlichen Auswirkungen auf den Ablauf.
5. Risikomanagement
Die Projektplanung und -durchführung muss auf die betrieblichen Risiken und Folgekosten abgestimmt werden. Es sind gut durchdachte Risikoverzeichnisse erforderlich, die Klarheit über Verantwortliche und Maßnahmen schaffen. Risikopläne sind zudem in angemessenen Abständen zu überprüfen, um sicherzustellen, dass sie relevant und aktuell sind sowie aktiv genutzt werden.
6. Zusammenarbeit mit operativen Teams
Es muss sichergestellt werden, dass die Projektarbeiten in einer Weise durchgeführt werden können, die mit dem laufenden Betrieb des Rechenzentrums vereinbar ist. Eine qualitativ hochwertige Vorausplanung ist erforderlich, um die Bau- und Betriebsaktivitäten zu integrieren.
7. Plan B
Bei vielen Projekten gibt es eine oder mehrere wichtige Umstellungsaktivitäten, die auf Anhieb gelingen müssen. Diese werden oft abends oder am Wochenende ausgeführt, damit der laufende Betrieb so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. Um die volle Verfügbarkeit des Dienstes zu wichtigen Zeiten zu gewährleisten, sollten Ausweichpläne existieren, die in Kraft treten, wenn die Arbeiten nicht wie geplant verlaufen.
8. Fähige Teams mit einschlägigem Fachwissen und Erfahrung
Die Auswahl qualifizierter und erfahrener Planungs- und Bauteams ist für eine erfolgreiche Projektdurchführung unerlässlich. Die Ernennung von Projektteilnehmern sollte daher auf Grundlage eines gründlichen Präqualifizierungsverfahrens oder aufgrund bereits vorhandener Kenntnisse über die Fähigkeiten von Schlüsselpersonen der Organisationen erfolgen. Aufgrund des Fachkräftemangels in diesem Sektor ist ein solches Verfahren unerlässlich.
Der richtige Zeitpunkt ist jetzt
Die gesamte Rechenzentrumsbranche hat einen wichtigen Beitrag zur Ressourceneinsparungen zu leisten. Das gilt für neue Rechenzentren ebenso wie für bestehende. Letztere stellen eine besondere Herausforderung dar, insbesondere weil der laufende Betrieb garantiert werden muss. Mit der richtigen Herangehensweise stellt aber auch die Erneuerung älterer Rechenzentren kein unüberwindliches Problem dar. Nicht nur in Anbetracht der Vorgaben des CNDCP, sondern der dringenden Notwendigkeit, eine lebenswerte Zukunft zu sichern, ist schnelles Handeln gefordert: Der richtige Zeitpunkt für die Erneuerung bestehender Rechenzentren ist jetzt!
Über den Autor:
Simon Harris ist Head of Critical Infrastructure bei Business Critical Solutions (BCS).
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.