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Mit intelligenter Automatisierung Fachkräftemangel bekämpfen

Intelligenter Automatisierung versetzt Unternehmen in die Lage, das mangelnde Fachkräfteangebot und die Qualifikationslücken abzumildern beziehungsweise zu schließen.

Der Mangel an Fachkräften ist seit einigen Jahren ein großes Thema. Zusätzlich haben in den vergangenen Jahren erhöhte Fluktuation und Frühverrentung zu einem geringeren Fachkräfteangebot in Deutschland beigetragen. Hinzu kommt die Coronapandemie, die Mitarbeiter dazu veranlasste, ihre Rollen, Positionen und Erwartungen zu überdenken. Gleichzeitig veranlasste der Krieg in der Ukraine – ein beliebtes Land für Near-/Offshore-Betriebe – Unternehmen dazu, ihre Aktivitäten in dieser Region abrupt zu verlagern oder sogar zu beenden, da auf einen Schlag hunderttausende Arbeitsstellen in Russland und der Ukraine wegfielen.

Zu hohe Arbeitsbelastung und ein Mangel an Ressourcen führten zudem dazu, dass viele ihren Arbeitgeber oder gar die Branche wechselten. Für Unternehmen zählen die Mitarbeiterbindung sowie deren Rekrutierung daher mit zu den wichtigsten Aufgaben. In Deutschland kämpften im Jahr 2021 laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung zwei Drittel (66 Prozent) aller Unternehmen mit einem Fachkräfteengpass. Die Beschleunigung der digitalen Transformation im Zuge der Pandemie erhöhte die Nachfrage nach technisch versierten Mitarbeitern und verstärkte den Fachkräftemangel. Der schnelle technologische Fortschritt hat unter anderem dafür gesorgt, dass viele Unternehmen mit Fachkräftemangel in Branchen konfrontiert sind, die vor fünf Jahren noch nicht existierten.

Von Off- und Nearshore zu Digital Shore

Nachdem die Auslagerung von Aufgaben in sogenannte Off- oder Nearshore-Zentren häufig der erste Reflex war, um den Betrieb zu erhalten und sich durch geringere Kosten Wettbewerbsvorteile zu sichern, überdenken Unternehmen heute häufig diese Strategie. Denn auch Off-/Nearshore-Unternehmen sind von Fachkräftemangel, Fluktuation und steigenden Personalkosten betroffen. Hinzukommen weitere Herausforderungen dieser Auslagerung, wenn Off- und Nearshore-Unternehmen von geopolitischen Effekten betroffen sind, die sich unmittelbar auf das auslagernde Unternehmen auswirken.

Um all diesen Herausforderungen entgegenzutreten und das Wachstum des Unternehmens zu sichern, müssen diese Überlegungen anstellen, welche Tätigkeiten automatisiert werden können. Anstatt Aufgaben also in Off- und Nearshore-Zentren auszulagern, gehen sie zum Model der Digital Shore über. Dabei übernehmen nicht externe Mitarbeiter, sondern digitale Mitarbeiter in Form von Softwarerobotern, die entsprechenden Aufgaben.

Intelligente Automatisierung erhöht Mitarbeiterproduktivität und -zufriedenheit

Um dies umzusetzen, bedarf es jedoch auch einen kulturellen Wandel in den Unternehmen. Irrtümlicherweise denken noch viele Arbeitnehmer, dass digitale Mitarbeiter sie ersetzen sollen, doch das Gegenteil ist der Fall: sie sollen sie dabei unterstützen, sich auf qualifiziertere Aufgaben konzentrieren zu können, was sowohl die Produktivität als auch Mitarbeiterzufriedenheit erhöht.

Mit intelligenter Automatisierung sind Unternehmen in der Lage, das mangelnde Fachkräfteangebot und die Qualifikationslücken abzumildern beziehungsweise zu schließen. Unternehmen sind die Vorteile von Automatisierungstechnologien bereits bewusst, weshalb die entsprechenden Investitionen steigen und Mitarbeiter im Umgang damit geschult werden. So setzen laut IDC bereits 70 Prozent der Unternehmen in Deutschland auf Prozessautomatisierung. Dennoch gibt es noch Aufholbedarf, da es sich erst bei einem Drittel davon um intelligente Automatisierung handelt. Diese intelligente Form kombiniert Robotic Process Automation (RPA), künstliche Intelligenz(KI) und maschinelles Lernen (ML), so dass die Automatisierung von komplexeren Prozessen, die eigentlich Denkarbeit erfordern, ermöglicht wird.

Beispielsweise können Dokumente durch die Kombination dieser Technologien ausgelesen werden, wobei mit optischer Zeichenerkennung (Optical Character Recognition, OCR) Daten extrahiert und in eine Form gebracht werden, die der Computer versteht. Anschließend kommt Dokumentenverarbeitung (Intelligent Document Processing, IDP) zum Einsatz, um den Dokumenttyp zu bestimmen und die relevanten Daten zu extrahieren, damit das Dokument ordnungsgemäß weiterverarbeitet werden kann. Auch die intelligente Spracherkennung ist von Nutzen: so kann ein entsprechender automatisierter Prozess E-Mails lesen und Fragen, die einem Support-Team oder Chatbot gestellt werden, beantworten. Kunden erhalten die Möglichkeit, in Echtzeit mit dem Unternehmen zu interagieren und für Mitarbeiter werden zusätzliche Ressourcen freigesetzt.

Wenn intelligente Automatisierung richtig geplant und die skalierbare digitale Belegschaft mit KI-Funktionen kombiniert wird, können im großen Stil Kosten und Zeit eingespart werden, während zeitgleich Qualifikations- und Arbeitskräftelücken geschlossen werden. Das ermöglicht Unternehmen wiederum, in transformative Projekte zu investieren. Die Mitarbeiter können sich in der frei gewordenen Zeit auf wertschöpfende Initiativen – einschließlich Weiterbildungen – und Aufgaben konzentrieren. Diese Art der digitalen Transformation fördert eine agile und effizienter arbeitende Belegschaft, die in der sich schnell verändernden Marktsituation von heute erforderlich ist.

Fehlende Strategie behindert den Fortschritt

Allerdings verfügt laut einer Studie von Deloitte nur ein Viertel der Unternehmen über eine unternehmensweite Strategie für intelligente Automatisierung. Dies führt zu einer Reihe von Hindernissen bei der Skalierung der intelligenten Automatisierung – dazu zählen unter anderem Prozessfragmentierung, mangelnde IT-Bereitschaft und Skepsis gegenüber Veränderungen. Führungskräfte unterschätzen häufig noch die Chancen, die sich ergeben, wenn Automatisierung im Unternehmen eingeführt wird. Wie bei jeder Transformation gilt es, Chancen und Risiken zu managen und die Mitarbeiter zu befähigen, neue digitale Wege zu gehen. Die Errichtung eines Expertenteams im Rahmen eines Center of Excellence (CoE) hat sich als erfolgreiche Maßnahme erwiesen. Die gute Nachricht: in vielen Unternehmen gibt es bereits die notwendigen Fähigkeiten zum Beispiel in Form von Business Analysts. Außerdem gestatten No-Code-Softwareplattformen es der Fachseite in Zusammenarbeit mit der IT, Prozesse schnell zu automatisieren.

Tina Seuchter, Blue Prism

„Wenn intelligente Automatisierung richtig geplant und die skalierbare digitale Belegschaft mit KI-Funktionen kombiniert wird, können im großen Stil Kosten und Zeit eingespart werden, während zeitgleich Qualifikations- und Arbeitskräftelücken geschlossen werden.“

Tina Seuchter, Blue Prism

Mit der Einführung eines aus qualifizierten Mitarbeitern bestehenden CoE können Unternehmen intelligente Automatisierung so implementieren, dass ihre Anliegen angegangen und die Herausforderungen der Integration bewältigt werden können. Es verwendet dafür Daten und Planungsmaßnahmen, die das Potenzial von intelligenter Automatisierung bei minimalem Risiko und Komplikationen maximiert. Das CoE stellt zudem sicher, dass das gesamte Unternehmen mit all seinen Mitarbeitern auf die Reise mitgenommen, über alle Schritte auf dem Laufenden gehalten und so für die digitale Transformation begeistert wird.

Automatisierung soll zwar im Jahr 2025 bis zu 85 Millionen Arbeitsplätze weltweit verdrängen, allerdings wird dabei gerne außer Acht gelassen, dass diese Veränderungen auch die Schaffung von 97 Millionen neuer Positionen fördert. Das postulieren die Autoren der Studie The Future of Jobs Report 2020 des World Economic Forum. Die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage an Talenten wird in den kommenden Jahren noch größer werden und der Fachkräftemangel weiter zunehmen. Daher sollten Digital Shore und intelligente Automatisierung als strategische Initiative mit Unterstützung der Geschäftsführung umgesetzt werden, damit Unternehmen in Deutschland sowohl national als auch international wettbewerbsfähig bleiben.

Über die Autorin:

Tina Seuchter ist VP Central & Northern Europe bei Blue Prism.

 

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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