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Menschen, Daten und KI: die Kraft kollaborativer Intelligenz
Wie können Unternehmen von KI vor dem Hintergrund finanzieller Herausforderungen und wachsenden Kundenanforderungen profitieren? Zwei Use Cases für KI.
Ohne Zweifel markierte das Jahr 2023 einen Meilenstein in der Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML). Was ein, zwei Jahre zuvor wie Science-Fiction erschien, war plötzlich – vor allem dank ChatGPT von OpenAI – praktisch für jedermann zugänglich.
Gleichzeitig kamen die enormen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten und Folgen einer breiten, scheinbar unkontrollierten Anwendung von KI ans Tageslicht – positive wie negative. Das Thema ist längst nicht ausdiskutiert. Die oft als schwerfällig gescholtene Europäische Union hat mit ihrem Artificial Intelligence Act, der weltweit als Vorbild gesehen wird, überraschend schnell auf den KI-Boom reagiert. Das unterstreicht die Bedeutung des Themas.
Doch was genau bringt KI der Wirtschaft, und speziell den Unternehmen? Wie können sie davon profitieren – insbesondere vor dem Hintergrund enormer Herausforderungen, hohem Kostendruck und wachsenden Anforderungen ihrer Kunden? Einer Gartner-Studie zufolge halten 21 Prozent aller CEOs und Unternehmensleiter KI für den Heilsbringer schlechthin. Eine Top-Technologie, die in den nächsten drei Jahren die eigene Branche dominieren wird. Der Gartner-Analyst Mark Raskino sieht diesbezüglich sogar schon den Punkt erreicht, an dem alle Unternehmen, die bislang noch nicht in KI investiert haben, sich Sorgen um ihre Wettbewerbsfähigkeit machen sollten.
Essenzielle Überlegungen zum Einsatz von KI in Unternehmen
Doch hat KI wirklich das Potenzial, alle Branchen vom Gesundheitswesen bis zur Fertigung, auf den Kopf zu stellen? Wird sie traditionelle Produkte und Dienstleistungen revolutionieren und Unternehmen wie Kunden zu vollkommen neuen Geschäftspraktiken zwingen? Ein Realitätsscheck schützt vor allzu illusionären Erwartungen. Führen wir uns ein paar grundlegende Fakten vor Augen.
Klar ist, dass KI gut große Datenmengen verarbeiten und Mitarbeiter von monotonen, repetitiven Aufgaben entlasten kann. Dank ihrer Unterstützung kann die Führungsebene, insbesondere der CIO, fundierte Entscheidungen auf Basis von Echtzeitdaten treffen. Das Ziel, Prozesse zu automatisieren, die Kundenerfahrung zu verbessern, Betriebskosten zu senken und in der digitalen Geschäftslandschaft Wettbewerbsvorteile zu erzielen, rückt mit KI in greifbare Nähe.
Jedoch birgt KI auch Gefahren, die speziell Unternehmen betreffen. Zum Risiko durch vermehrte (automatisierte) Cyberangriffe und Social Engineering, befeuert durch Deepfakes, gesellt sich die – oft irrationale – Angst vor möglichen Massenentlastungen. Dies bringt Unruhe in die Belegschaft. Und: KI ist nur so gut wie die dazu verwendeten Modelle und Daten. Sind diese ungeeignet oder veraltet, kann der Einsatz von KI auch negative Schlagzeilen, Rufschädigung und unkalkulierbare Folgekosten nach sich ziehen. Ein Beispiel dafür ist das mittlerweile ausrangierte KI-Rekrutierungs-Tool von Amazon, das männliche Bewerber bevorzugte.
Am Ende des Tages ist KI jedoch weder gut noch böse, sondern ein mächtiges Werkzeug, dessen Anwendungsmöglichkeiten wir erst langsam kennenlernen. Sie ist ein nützliches Tool für viele, aber nicht alle Probleme im Unternehmen. Die Gefahren durch KI werden reduziert, wenn Mensch, Daten und Software ein gut eingespieltes Team bilden. Das heißt auch, dass Unternehmen ihre geschäftlichen Entscheidungen nicht allein automatisierten Systemen überlassen. In diesem Sinne ist KI also als Abkürzung für kollaborative Intelligenz zu verstehen.
Wir sehen hier zwei klassische Anwendungsfälle in der unternehmerischen Praxis:
Einsatzgebiet 1: Finanzplanung
Zur optimalen Finanzplanung verkürzen Unternehmen heute ihre Planungszyklen und müssen immer öfters ihre Prognosen anpassen. Das Sammeln der benötigten Daten sowie die Festlegung einer schlüssigen Strategie bindet jedoch enorme Personal- und Zeitressourcen. Dies wird zur Herausforderung gerade bei Personalmangel in den betroffenen Fachabteilungen.
Dank KI und maschinellem Lernen (ML) kann der Planungsaufwand bei einer gleichzeitig geringeren Ressourcenverfügbarkeit deutlich reduziert werden. ML gestaltet Finanzplanung und Forecasting flexibler und schafft mit Data Mining die Grundlage für Predictive Modelling, szenariobasierte Planung, bessere Kontrolle und Validierung. Tools zum IT-Finanzmanagement (ITFM) beziehungsweise Technology Business Management (TBM) bieten Zugang zu Echtzeit-Betriebsdaten, mit denen der CIO seine IT-Budgets optimiert.
Solche Tools sind angesichts eines steigenden Investitionsdrucks inzwischen unverzichtbar. KI automatisiert lästige, schwerfällige und manuelle Prozesse und öffnet den Mitarbeitern Freiräume für sinnvollere Tätigkeiten. Künstliche Intelligenz liefert die Entscheidungsgrundlagen, die daraus resultierenden Schlüsse trifft weiterhin die Führungsetage.
Einsatzgebiet 2: Kundenservice
Neben effektiver Kostenkontrolle sind heute Kundenbindung und Kundenloyalität entscheidende Faktoren für den Unternehmenserfolg. Untersuchungen zufolge gewinnt Digital Customer Experience (DCE) in vier von fünf Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Aber auch hier treffen knappe Budgets auf immer höhere Anforderungen. Deswegen sollten sich Unternehmen zuerst fragen, was einen exzellenten Service überhaupt ausmacht. In erster Linie ist es eine schnelle Antwortreaktion, verbunden mit entsprechend kurzer Bearbeitungszeit. Dazu kommt ein besseres Verständnis dessen, was der Kunde wirklich will.
Mit Automatisierung und KI sind Unternehmen in der Lage, ihr Serviceversprechen auf ein neues Level zu heben. In den Fokus rückt dabei ein optimales IT-Servicemanagement (ITSM), also die Verwaltung und Unterstützung von IT-Services für das unternehmenseigene Problemmanagement, Incident Management, Change Enablement, Release Management und Finanzmanagement. Als integraler Bestandteil des Kundenservices gilt es, ITSM so weit wie möglich zu optimieren und zu vereinfachen.
„Kein zukunftsorientiertes Unternehmen wird 2024 auf KI-gestützte Lösungen verzichten können. Sie sorgen in der Führungsetage für bessere Entscheidungen bei Unternehmensstrategie und Finanzplanung und optimieren den Kundenservice.“
Werner Luetkemeier, Serviceware SE
KI übernimmt dabei eigenständig Routineaufgaben, beschleunigt den Prozess und entlastet gleichzeitig die Service-Mitarbeiter dank automatisch klassifizierter Tickets, selbstständig gefundener Antworten auf Anfragen und automatisch generierter E-Mails. Statt menschlicher Mitarbeiter beantwortet ein KI-gestützter Chatbot die allgemeinen Kundenanfragen, sammelt Benutzerdaten und sorgt für den gewünschten Support.
Da geht noch mehr
Gerade beim Verständnis der Kundenwünsche stehen wir noch am Anfang und haben bislang nur an der Oberfläche gekratzt. KI bietet viel Raum für Verbesserungen entlang der gesamten Prozesskette. So ist ein denkbarer nächster Schritt die Weiterentwicklung von Wissensmanagement-Tools für Mensch und Maschine. Ein weiterer Ansatz verbindet Kunden via KI viel früher als bisher mit der Wissensbasis des Unternehmens. Idealerweise lassen sich Kundenfragen schon während ihrer Formulierung beantworten – noch bevor sie das Unternehmen überhaupt erreichen. Möglich ist das etwa durch die Integration bestimmter KI-Funktionen in Browser-Formularfelder, die die unternehmenseigene Wissensbasis anzapfen.
Fakt ist: Kein zukunftsorientiertes Unternehmen wird 2024 auf KI-gestützte Lösungen verzichten können. Sie sorgen in der Führungsetage für bessere Entscheidungen bei Unternehmensstrategie und Finanzplanung und optimieren den Kundenservice, um nur drei Beispiele zu nennen. Entscheidend für den Erfolg ist jedoch immer die optimale Integration von Menschen, Daten und Maschine: die kollaborative Intelligenz.
Über den Autor:
Werner Luetkemeier ist Group Director Marketing von Serviceware SE, dem deutschen ESM-Softwareunternehmen mit der AI-first-Strategie. Mit seinem Team verantwortet er die Unternehmenskommunikation rund um die digitale Transformation, die künstliche Intelligenz und deren Anwendung im Enterprise Service Management. Frühere Stationen seiner Karriere sind Novell Inc., d.velop AG und Bechtle AG.