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Logistikbranche zeigt bei IoT hohes Innovationspotenzial

Viele Softwareanbieter schotten sich mit ihren proprietären IoT-Lösungen von Konkurrenzprodukten ab. Dabei sind im Internet der Dinge offene Plattformen gefragt.

Das Internet hat mit Blick auf die Vernetzung von Unternehmen bis heute nicht gehalten, was es versprach. Wer den Zugang gewährte, steckte Claims ab und baute eigene Systeme, um Mitbewerber auf Distanz zu halten.

Mit dem Beginn des Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) hat sich diese Entwicklung verstärk. Viele Portallösungen bieten heute eine eigene Welt statt einen offenen Austausch. Mit dem Ansatz unabhängiger, offener Portale kommt Bewegung in den Markt. Die Logistik zeigt, wie es funktioniert.

Die Idee: vernetzten

Einfach vernetzen – mit dieser Idee begann der Erfolg des Internets, als am 29. Oktober 1969 von der University of California an das Stanford Research Institut mit den beiden Buchstaben „lo“ die erste Internetbotschaft übertragen wurde.

Drei weitere Schritte waren nötig, um die Grundlagen der digitalen Transformation zu legen, die wir heute erleben: Die Konzeption des World Wide Webs durch Tim Berners-Lee im Jahr 1989 und die Einführung des Internet-Protokolls TCP/IP im Jahr 1992 bilden die fundamentalen technischen Grundlagen für die weltweite Vernetzung beliebiger Geräte.

1999 schließlich führte Kevin Ashton den Begriff Internet of Things ein – als Titel einer Präsentation, die er in jenem Jahr bei Procter & Gamble hielt. Ashton entwickelte darin die Idee einer optimierten Logistik durch die Verbindung der neuen RFID-Technologie und anderer Sensoren mit dem Internet.

Portale der ersten Generation: Vorteile für eigene Kunden

Aus der Idee eines Netzes, in dem alles mit allem vernetzt sein könnte, entwickelten in den letzten Jahren große Softwarekonzerne mehr oder weniger abgeschottete Portallösungen. Ob Microsoft Azure IoT, SAP Leonardo, Bosch IoT Suite, Siemens MindSphere oder eine der anderen derzeit rund 450 verfügbaren Lösungen: In unterschiedlichen Zuschnitten bedienen sie neben dem einfachen Storage vor allem das Sammeln und Verwalten von IoT-Daten sowie das dazu gehörige Performance-Management, Analytics, Blockchain, Machine Learning, künstliche Intelligenz und ähnliche Dienste.

Das Problem: Praktisch alle diese Plattformen sind nur für die Nutzer von Vorteil, die auch andere Leistungen aus dem jeweiligen Baukasten des Anbieters beziehen. Das einfache Vernetzen funktioniert innerhalb der Angebotswelt eines einzelnen Anbieters. An der Integration von Diensten und Daten anderer Anbieter zeigen die Betreiber aus Wettbewerbsgründen nur verhaltenes Interesse.

Best of breed oder passend zur IT-Landschaft?

Für den flexiblen Austausch von Daten zwischen Unternehmen ist das nur dann von Vorteil, wenn beide ihre Leistungen beim gleichen Anbieter einkaufen. Da die Investitionskosten hoch sind und die Entwicklungszyklen für neue Technologien kurz, entstehen vor allem für kleine und mittlere Unternehmen Wettbewerbsnachteile.

Sie sind oft nur mit hohem Aufwand in der Lage, an die Systeme ihrer Kunden anzudocken. Die Folge sind bis heute Probleme bei der Datenintegration zwischen Unternehmen, also im Bereich EDI (Electronic Data Interchange). Nachteile entstehen für Unternehmen darüber hinaus auch bei der Integration neuer Systeme anderer Anbieter in die eigenen Strukturen, wenn beim Thema EAI (Enterprise Application Integration) nicht das zur Problemstellung passende Best-of-Breed-Produkt, sondern notgedrungen das am besten zur IT-Landschaft passende Produkt gewählt wird.

Die drei Ebenen des Cloud Computing

Beim Weg in die Cloud sind diese Probleme ähnlich gelagert. Auf drei Ebenen findet hier der Wandel von On-Premises zu Cloud Computing statt. Software as a Service (SaaS) nutzen inzwischen immer mehr Unternehmen. Content-Management-Systeme (CMS) wie TYPO3, Joomla! oder WordPress gehören dazu, ebenso Office-Lösungen wie Office 365, Google G Suite oder iWork for iCloud.

Auch ERP-Anbieter bieten seit einiger Zeit Softwarelösungen aus der Cloud an. Neben den großen wie SAP S/4HANA und Microsoft Dynamics 365 gibt es inzwischen eine Vielzahl an kleineren Unternehmen, die den Markt für sich erkannt haben. Stefan Höchbauer, President Digital Core GCO bei SAP, hob Anfang des Jahres hervor, dass SAP schon jetzt mehr Umsatz mit dem Cloud-Geschäft mache als mit On-Premises-Systemen.

Der wesentliche Vorteil: Anwender müssen die Software nicht mehr installieren. Tests mit neuen Produkten können ohne aufwändige und langwierige Eingriffe in die eigenen IT-Strukturen durchgeführt werden. Updates geschehen im Hintergrund ohne Aufwand für die IT und die Skalierung von Leistung oder Arbeitsplätzen lässt sich mit ein paar Klicks bewerkstelligen. Zudem ermöglicht SaaS den Zugriff von jedem beliebigen Gerät aus. Der Nachteil: Auch hier bleibt das Thema Datenintegration problematisch, wenn Daten zwischen Softwareprodukten unterschiedlicher Welten miteinander ausgetauscht werden müssen.

Ebene zwei dieser Entwicklung bildet Infrastructure as a Service (IaaS). Im Kern stellt hier ein Cloud-Provider die Infrastruktur eines Rechenzentrums bereit, auf die der Nutzer über öffentliche wie private Netze zugreifen kann. Komponenten wie Server oder Rechen- und Netzwerkkapazitäten gehören ebenso dazu wie Router, Switches und Firewalls. Im einfachsten Fall nutzen Unternehmen schlicht Speicherplatz zur aktuellen Datenhaltung sowie zur Archivierung und Sicherung ihrer Daten. Es geht zusammengefasst um virtualisierte Hardware.

Die dritte Ebene ist Platform as a Service (PaaS). Hier erhalten Nutzer Zugriff auf vorinstallierte Programmier- und Laufzeitumgebungen. Die großen Cloud-Plattformen wie AWS, Microsoft Azure und Google Cloud Platform (GCP) bieten mit ihrem umfangreichen Set an Werkzeugen einen breiten Gestaltungsspielraum für Entwickler an, welches den Start im Bereich IIoT erleichtert.

Abbildung 1: Laut der Deloitte-Studie How manufacturers use IoT for operational efficiencies erwarten die meisten Unternehmen eine Steigerung der betrieblichen Effizienz durch IoT.
Abbildung 1: Laut der Deloitte-Studie How manufacturers use IoT for operational efficiencies erwarten die meisten Unternehmen eine Steigerung der betrieblichen Effizienz durch IoT.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Bedarfsgerechte Kapazitäten können den aktuellen Erfordernissen jederzeit angepasst werden. Besonders die großen Dienstleister bieten hohe Nutzungsraten zu niedrigeren Preisen, da die Preisgestaltung nutzungsabhängig in Form eines Pay-per-use-Modells geregelt ist.

Das bedeutet: Gezahlt wird lediglich für die EDV-Ressourcen, die tatsächlich genutzt werden. Das Vorhalten von Kapazitäten zum Puffern von Spitzen ist nicht notwendig. Und Investitionskosten etwa für eigene Server oder gar Rechenzentren entfallen ganz. Zudem wird das Updaten auf neue Technologien an den Service Provider ausgelagert. Der Effekt: mehr Flexibilität, geringere Kosten, bei Bedarf schnelle Skalierung, sinkende Ausfallrisiken und immer der aktuelle Stand der Technik.

Logistik zeigt neutrales Portal für einfache Vernetzung

Gerade für kleine und mittlere Unternehmen entstehen durch diese IT-Themen große Unsicherheiten. Der Aufwand, ständig up to date zu bleiben, ist hoch. Und er führt die meisten Unternehmen weg von den Fragen rund um ihr Kerngeschäft.

Hinzu kommt, dass die Hierarchie hier klar geregelt ist: Große Marktteilnehmer machen die Vorgaben und kleinere Dienstleister müssen diese umsetzen, wenn sie weiterhin Aufträge erhalten wollen. Weniger beachtet ist die Tatsache, dass auch den großen Unternehmen durch dieses System Nachteile entstehen. Denn durch den fehlenden Zugang kleinerer Anbieter zu den IT-Systemen der Großen verringert sich das Angebot.

Die Logistikbranche zeigt hier inzwischen hohes Innovationspotenzial. Mehrere Verbände haben sich in der Schweiz zusammengeschlossen, um dieser Marktbegrenzung entgegenzuwirken. Sie gründeten das Portal efreight mit dem Ziel, kleinen wie großen Teilnehmern der Logistikkette über alle Verkehrsträger hinweg mit einer neutralen Plattform den Marktzugang zu ermöglichen.

Die Vision: einfaches Andocken mit der eigenen IT, die Vernetzung mit anderen Marktteilnehmern unabhängig von den eigenen IT-Systemen und der Datenaustausch in unterschiedlichste Systeme. Es geht darum, allen Partnern der Logistikkette Informationen, Statusmeldungen und Begleitpapiere auf einer unabhängigen Plattform ohne weitreichende IT-Vorgaben oder –Investitionen in der jeweils aktuellen Form elektronisch zur Verfügung zu stellen.

Nach dem erfolgreichen Testlauf in der Schweiz hat efreight das Thema Anfang 2019 nach Deutschland exportiert und zusammen mit der Lobster GmbH die Logistics Data Cloud gegründet. „Der Schlüssel ist ein intuitiv zu bedienendes Frontend. Bei solchen Portalen muss die Bedienung für den Nutzer so einfach wie möglich gestaltet sein, damit man eine hohe Akzeptanz erreicht“, sagt LDC-Geschäftsführer Rolf Henrich.

Zu den Referenzkunden gehören nach eigener Aussage jetzt schon Lufthansa Cargo, Schaeffler und der Gefahrgutspezialist NMMN. Offensichtlich wollen die Großen im Markt den kleinen und mittleren Marktteilnehmern die Möglichkeit geben, sich mit ihrem Logistik-Know-how zu präsentieren und nicht mit der von ihnen eingesetzten Software.

Steffen Brehme, Lobster GmbH

„Das einfache Vernetzen funktioniert meist gut innerhalb der Angebotswelt eines einzelnen Anbieters. An der Integration von Diensten und Daten anderer Anbieter zeigen die Betreiber aus Wettbewerbsgründen nur verhaltenes Interesse.“

Steffen Brehme, Lobster GmbH

Für die Lufthansa lohnt sich dieser Schritt zur Marktöffnung bereits. Dr. Harald Kolbe, Head of Digital Innovation der Lufthansa Technik Logistik GmbH, erläutert: „Durch den Einsatz der Logistics Data Cloud erhalten wir 12 Prozentpunkte mehr Trackinginformationen im Inbound und reduzieren den manuellen Tracking-Aufwand für mehr als 5.000 Transaktionen pro Jahr. Darüber hinaus sehen wir das große Potenzial, die Transparenz in unserem Logistiknetzwerk kontinuierlich zu erhöhen.“

Der Vorteil: Nicht mehr die IT sondern die Fachkompetenz der Anbieter entscheidet darüber, ob man miteinander ins Geschäft kommt. Neutrale Plattformlösungen wie diese können, wenn sie auch in anderen Industrien Schule machen, zu mehr Wettbewerb führen, mehr Transparenz ermöglichen, komplett digitalisierte Prozesse schaffen und Investitionskosten einsparen.

Die Aufgabe des Plattformanbieters ist es, den Marktteilnehmern einfache Zugänge zu ermöglichen. Diese konzentrieren sich dann auf ihre Kernkompetenzen, während der Plattformbetreiber sich um die Fragen der IT und der Datenintegration kümmert. Unternehmen wählen etwa bei den SaaS-Produkten, was immer zu ihnen passt. Auf der Plattform wird der notwendige Datenaustausch mit beliebigen Partnern ermöglicht.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder und entsprechen nicht unbedingt denen von ComputerWeekly.de.

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