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Ist das Internet der Dinge (IoT) am Ende?
Der Rummel um das Internet der Dinge war vor einigen Jahren groß, aber mittlerweile ist es still geworden um das IoT. Auch Größen wie Google und IBM haben IoT-Dienste eingestellt.
Eine vernetzte Welt, in der alles, von Haushaltsgeräten bis hin zu industriellen Maschinen, miteinander verbunden ist, nahtlos kommuniziert und unsere Arbeits- und Lebensweise drastisch verändert, das versprach das Internet der Dinge (IoT). Man kann hier parallelen zu dem aktuellen GenAI-Hype ziehen. Doch was ist aus dem damaligen „das nächste große Ding“ geworden? Ist das Internet der Dinge inzwischen an seinem Ende angekommen? Mit diesen Fragen befasst sich dieser Artikel.
Für den ungeduldigen Leser: Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass das IoT keineswegs verschwunden ist. Vielmehr hat es sich weiterentwickelt und tritt nun in neuen Formen und unter neuen Namen auf.
Die IoT-Evolution
Einen guten Einstieg in das Thema IoT bietet der Artikel „The Internet of things: an overview“, der bei der Internet Society als kostenloses PDF verfügbar ist. Darin wird IoT wie folgt definiert: „Der Begriff Internet der Dinge bezieht sich im Allgemeinen auf Szenarien, in denen sich die Vernetzung und die Datenverarbeitungsfähigkeit auf Objekte, Sensoren und Alltagsgegenstände ausdehnt, die normalerweise nicht als Computer betrachtet, werden[...].“1 Bevor wir uns mit dem aktuellen Stand befassen, werfen wir einen kurzen Blick zurück. Die Entstehung des Begriffs IoT lässt sich in die Anfänge der 2000er verorten, doch erst ab Mitte der 2010 entfloh der Begriff seiner Nische und wurde in der breiten technologieinteressierten Öffentlichkeit bekannt.
Als Indikator lassen sich Google-Trends Analysen verwenden, hier stiegen die IoT-Suchanfragen ab 2014 stark an. Abbildung 1 zeigt den Suchverlauf zum Thema IoT in Deutschland von 2013-2023. Aus dem Verlauf lässt sich schließen, dass die Technologie bekannter wurde und somit auch die technischen Möglichkeiten.
Dies zeigt sich auch daran, dass Unternehmen massiv in das Internet der Dinge zu investieren begannen. Sie erhofften sich eine Welt, in der von einzelnen Geräten bis hin zu komplexen Industriemaschinen alles miteinander vernetzt ist und wertvolle Daten für bessere Entscheidungen liefert. Viele Unternehmen sahen im IoT eine Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle zu erproben und sich somit zu einem digitalen Unternehmen zu entwickeln. Daraus folgt, dass die technologische Basis professionalisiert wurde, am Anfang dominierten pragmatische Bastellösungen die Systemlandschaft. Mit steigendem Interesse erschienen viele professionelle IoT-Plattformen, und auch die großen Hyperscalern und IT-Firmen erkannten das Potential.
Nach dem Hoch kommt das Tief?
Analysten prophezeiten Milliarden von vernetzten Geräten und damit ein Billionen-Dollar-Markt. In den Jahren 2018 und 2019 gab es eigentlich keine Branche, die nicht dabei war, das IoT zu nutzen beziehungsweise zu erproben. Die Rede war von smarten Städten, intelligenter Kleidung, die den Gesundheitszustand der Trägerin erkennt oder auch automatisierter und intelligenter Fertigung, die immer weiß wie viel Material im Lager ist. Neben den etablierten Unternehmen, die auf den IoT-Zug aufsprangen, gründeten sich auch viele Start-ups, die mit kreativen Ideen punkten wollten.
Aus dem Tal der Tränen zum produktiven Einsatz von IoT
Nachdem anfänglich unzählige IoT-Initiativen gestartet wurden, trat die Ernüchterung ein. Neben der Suche nach erfolgreichen Geschäftsmodellen gab es weitere zahlreiche Herausforderungen. Dazu gehören die hohen Kosten für die Implementierung, die Komplexität der Datenanalyse und die Sicherheitsrisiken. Diese Herausforderungen haben dazu geführt, dass einige Unternehmen ihre IoT-Projekte zurückgestellt oder ganz abgebrochen haben. Als besonders hervorzuheben ist die Abkündigung der dedizierten IoT-Dienste von Google (IoT Core EOL 08/2023) und IBM (Watson IoT Platform – EOL 12/2023).
„Nachdem anfänglich unzählige IoT-Initiativen gestartet wurden, trat die Ernüchterung ein. Neben der Suche nach erfolgreichen Geschäftsmodellen gab es weitere zahlreiche Herausforderungen.“
Dr. Olaf Neugebauer, adesso SE
Und nun zur Kernfrage dieses Artikels: Ist das Internet der Dinge also tot? Auf keinen Fall!
Der Hype ist offensichtlich abgeklungen, aber IoT ist sehr lebendig. Es hat sich weiterentwickelt und ist zu einer allgegenwärtigen Technologie gereift. Intelligente vernetzte Produkte haben sich durchgesetzt und bieten den Verbrauchern ein besseres Erlebnis und den Herstellern wertvolle Daten. Meiner Ansicht nach haben wir das Tal der Enttäuschung nach dem Hype Cycle nach Gartner durchschritten, befinden uns auf dem Pfad der Erleuchtung und nähern uns dem Plateau der Produktivität. Meine Annahme lässt sich auch im Hype Cycle for the Internet of Things, 2020 ablesen. IoT ist eine sich ständig weiterentwickelnde Technologie und aus vielen Branchen nicht mehr wegzudenken. Wir sehen neuen Begriffen wie Smart Spaces, Smart Products, Smart Home, Smart Grid und Industrie 4.0 oder Digitaler Zwilling. Diese Begriffe spiegeln spezifischere Anwendungen und Kontexte wider, in denen IoT-Technologien genutzt werden. Diese Diversität zeigt aber auch, dass ein generalistischer Out-of-the-Box- oder Wir-vernetzen-alles-Ansatz nicht funktioniert. Daher trifft man immer mehr domainspezifische IoT-Plattformen sowie -Anwendungen und der Blick richtet sich nun mehr auf den Mehrwert und orientiert sich demnach stark an den Bedürfnissen und nicht an der Technologie.
Auf dem Weg zur Datenökonomie: Mehrwerte durch Smart-Product-Datenplattformen schaffen
Damit IoT nicht nur eine Kostenstelle ist, müssen die Telemetriedaten mit weiteren Daten verknüpft werden. An dieser Stelle spricht man schnell von Smart Product Platform, im Allgemeinen auch Datenplattformen genannt. Diese Datenplattformen sammeln nicht nur IoT-Daten, sondern ermöglichen auch die nahtlose Integration verschiedener Datenquellen, wodurch die Entwicklung neuer, datengetriebener Anwendungen erleichtert wird. So können beispielsweise IoT-Maschinendaten mit der Service-Historie aus SAP verknüpft werden, um präzise Vorhersagen für anstehende Wartungen (Predictive Maintenance) zu treffen und somit die Serviceabteilung zu entlasten. Ein weiteres Beispiel wäre die Kombination von Sensordaten aus Produktionsanlagen mit Echtzeit-Wetterdaten, um Produktionsprozesse effizienter zu gestalten. Diese Datenplattformen bilden das Rückgrat einer modernen IT-Landschaft und ermöglichen es Unternehmen, fundierte, datenbasierte Entscheidungen zu treffen oder neue, datengetriebene Dienstleistungen und Produkte zu entwickeln. Daher ist es unerlässlich, dass Unternehmen eine klare Datenstrategie definieren und das Thema Datenplattformen priorisieren. Mit Dashboards können Fachkräfte die gesammelten Daten analysieren und daraus wertvolle Erkenntnisse für strategische Entscheidungen gewinnen. Darüber hinaus eröffnet die Nutzung von Datenplattformen den Zugang zur Datenökonomie und die Möglichkeit, Teil eines größeren Datenökosystems zu werden. Dadurch können sich Unternehmen zusätzliche Wertschöpfungspotenziale erschließen. Die Manufactoring-X Initiative ist hier zu nennen.
Die sprechende Maschine: IoT in Kombination mit KI und GenAI
Ein weiterer bedeutender Einsatzpunkt für IoT-Datenplattformen ist die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) und generativer KI (GenKI), um die Leistungsfähigkeit von Maschinen zu optimieren und neue Interaktionsmöglichkeiten zu schaffen. KI-Algorithmen können auf Basis der gesammelten IoT-Daten Maschinendaten analysieren und dadurch Muster sowie Anomalien identifizieren, die auf potenzielle Probleme oder Optimierungsmöglichkeiten hinweisen. Beispielsweise kann ein KI-Modell durch kontinuierliche Überwachung und Analyse der Maschinendaten Abweichungen im Betrieb erkennen und proaktiv Wartungsmaßnahmen vorschlagen, bevor es zu Ausfällen kommt. In Kombination mit einer Smart Product Platform, können direkt Technikertermine vereinbart und passende Ersatzteile bestellt werden. Das ist ein echter Mehrwert für den Hersteller, der die Möglichkeit hat, Serviceleistungen zu verkaufen, und für den Besitzer, der die Maschine optimal einsetzen kann.
Darüber hinaus ermöglicht der Einsatz von GenKI die Entwicklung sprechender Maschinen, die in der Lage sind, in natürlicher Sprache mit Bedienern zu kommunizieren. Diese Maschinen können nicht nur Statusinformationen und Warnhinweise verbal übermitteln, sondern auch auf Fragen antworten und Anweisungen entgegennehmen, was die Bedienung und Wartung erheblich vereinfacht. Dies ist besonders in Zeiten eines hohen Fachkräftemangels attraktiv.
Durch die Kombination von IoT-Datenplattformen mit fortschrittlichen KI-Technologien können Unternehmen somit nicht nur die Effizienz und Zuverlässigkeit ihrer Maschinen steigern, sondern auch eine intuitivere und benutzerfreundlichere Interaktion ermöglichen.
Fazit
Die provokante Frage Ist das Internet der Dinge am Ende? lässt sich ganz klar mit Nein! beantworten. Getreu dem Gartner Hype Cylce hat sich der anfängliche Hype gelegt, jedoch ist das Thema lebendig und entwickelt sich weiter. Intelligente und vernetzte Systeme haben ihre ganz eigenen Herausforderungen und Chancen. Heute sind IoT-Systeme ein wichtiger Datenlieferant und somit essenzielle Bausteine einer modernen Datenstrategie. In Kombination mit Datenplattformen bilden sie die Grundlage für datengetriebene Entscheidungen. In der Zukunft werden wir vermehrt KI-Systeme sehen, die auf IoT-Geräten laufen oder essenziell auf deren Daten angewiesen sind. Auch wenn der Begriff IoT nicht mehr so präsent ist, sind die Geräte allgegenwärtig.
Über den Autor:
Dr. Olaf Neugebauer leitet als Senior Manager das Competence Center IoT der adesso SE. Er und seine Abteilung befassen sich mit dem nachhaltigen und mehrwertstiftenden Einsatz von IoT. Insbesondere betrachtet er die Integration von IoT in die Datenstrategie seiner Kunden. Das Unternehmen startete 2016 seine adesso com2m Plattform für smarte Produkte.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.