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Ist das Ende des Allround Data Scientists gekommen?
Jonathan Wilkins, Marketing Director bei EU Automation, beschreibt in diesem Artikel die veränderte Rolle des Data Scientists und wie diese heute arbeiten.
Wenn Harvard Business Review den Begriff sexy als etwas definiert, das schwer zu bekommen, aber stark gefragt ist, dann ist in der heutigen Zeit wohl kaum ein Beruf so sexy wie der des Datenwissenschaftlers (Data Scientist). McKinsey & Co. Berichtet jedoch, dass die meisten IoT-Daten überhaupt nicht genutzt werden, das heißt, Unternehmen entgehen zahlreiche Gelegenheiten. Um das zu vermeiden, suchen Firmen zunehmend nach Experten, die aus Daten implementierbare Lösungen machen können.
Gartner unterstreicht die Ergebnisse von McKinsey und stellt fest, dass 72 Prozent der Fertigungsdaten aufgrund der Komplexität von Variablen (zum Beispiel Druck, Temperatur und Zeit) nicht verarbeitet werden. Der Rest wird größtenteils zum Erkennen und Kontrollieren von Anomalien verwendet und nicht für die vorausschauende Instandhaltung und Geschäftsoptimierung, von denen Unternehmen eigentlich den größten Nutzen hätten.
Aufgrund der hohen Nachfrage und des knappen Angebots ist es schwierig, einen Data Scientist anzustellen und zu halten. Doch noch schwieriger ist es, jemanden zu finden, der tatsächlich einen Nutzen aus Daten ziehen kann. In der Branche herrscht in der Tat ein Mangel an Fachkräften, die Sensordaten in Lösungen umwandeln, die sich in der Produktionsstätte implementieren lassen und so den Herstellern helfen, ihr großes Ziel zu erreichen – die intelligente Fabrik (Smart Factory).
Die Einhörner der Datenwissenschaft
Genau wie Einhörner sind Datenwissenschaftler, die in der Lage sind, die Kluft zwischen Theorie und Praxis zu überwinden, schwer zu finden. Dennoch glauben wir, dass es sie gibt. Das Geheimnis dieser seltenen Gattung von Experten ist einfach – sie sind in der Lage, elegant zu programmieren, und verfügen gleichzeitig über eine extrem geschäftsorientierte Denkweise. Dies ermöglicht ihnen, systematisch algorithmische Produkte in Entscheidungsfindungs- und Geschäftsprozesse zu integrieren, anstatt einfach nur Informationen zu extrahieren, die dem Unternehmen eigentlich kaum einen Nutzen bringen.
Um die steigenden Erwartungen von Geschäftsführern zu erfüllen, müssen Data Scientists von morgen sich noch mehr spezialisieren. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass sie sich auf einen bestimmten Sektor konzentrieren müssen, da sich bereichsspezifische Kenntnisse für gewöhnlich bei der Arbeit selbst aneignen lassen. Vielmehr müssen sie Experten für eine bestimmte Phase der Pipeline zwischen den Rohdaten und der implementierbaren Lösung werden.
Der Bedarf einer weiteren Untergliederung dieses Berufs lässt sich bereits an der Art und Weise feststellen, wie die meisten Unternehmen ihre Datenwissenschaftsteams strukturieren: Diese bestehen nämlich nicht aus einer Vielzahl von Allroundern, sondern aus Personen mit unterschiedlichen Kompetenzen.
Ein Team besteht dann zum Beispiel aus einem Datenarchitekten, der für das Sammeln, Speichern und Schützen von Daten verantwortlich ist; einem Datenanalysten, der relevante Daten auswählt und unnütze aussiebt; einem Experten für Datenvisualisierung und -präsentation, der die Ergebnisdaten in einem Format aufbereitet, mit dem Manager und Interessensvertreter etwas anfangen können; und letztlich einer Fachkraft, die aus Informationen, die aus verarbeiteten Daten gezogen wurden, implementierbare Lösungen macht.
Fokussierte Alleskönner
Wenn man über die zukünftige Entwicklung der Datenwissenschaft spricht, ist die Terminologie manchmal etwas verwirrend. Abhängig von ihrer internen Struktur verwenden Firmen unter Umständen verschiedene Bezeichnungen für Rollen, die in Wirklichkeit einander stark ähneln, oder sie bevorzugen einen übergreifenden Ausdruck, der eine Vielzahl von Kompetenzen umfasst. Doch es gibt mehrere Teilgebiete der Datenwissenschaft, die Unternehmen vermutlich den größten Nutzen bringen und angehenden Datenwissenschaftlern die größten Chancen bieten.
Das erste ist die Datenarchitektur. Diese befasst sich mit dem Entwurf einer Struktur zum Integrieren, Zentralisieren und Schützen von Daten, damit diese einfach und sicher für andere Mitarbeiter verfügbar sind. Die entsprechenden Experten entscheiden, auf welche Weise Daten von einer Organisation gesammelt, gespeichert, ausgewählt und verwaltet werden. Daher sind ihre Einblicke für sämtliche weiteren Phasen der Datenaufbereitung und -implementierung von wesentlicher Bedeutung.
Das zweite Teilgebiet ist Data Mining, das häufig Überschneidungen mit der Definition der Datenanalyse aufweist. Fachleute in diesem Feld sind in der Lage, sich ein Geschäftsproblem anzusehen und daraus eine Frage zu formulieren, die mit Daten beantwortet werden kann. Anschließend untersuchen sie die unstrukturierten Daten, um Muster zu erkennen, die Antworten liefern.
Auf diese Weise sorgen sie dafür, dass niemand im Team seine Zeit damit vergeudet, Lösungen zu entwickeln, die keinen echten Geschäftsnutzen bringen. Da diese Mitarbeiter zwischen dem Forschungsteam und der Führungsebene agieren, sollten sie auch in der Lage sein, die Informationen, die sich aus den Daten ableiten lassen, verständlich zu erklären und deren möglichen Nutzen aufzuzeigen.
Größere Unternehmen benötigen unter Umständen noch einen Experten für Datenvisualisierung und -präsentation. Diese Disziplinen werden häufig als Teilbereich der visuellen Kommunikation oder des Webdesigns gesehen und bestehen aus der Präsentation von Daten auf eine optisch ansprechende Weise, die für Nichtexperten leicht verständlich ist.
Datenvisualisierung ist eine komplexe Mischung aus Wissenschaft und Kunst – viele Kreative haben sogar richtige Kunstwerke auf der Grundlage von Daten geschaffen. Ein Beispiel hierfür ist die Kunst von Paul Button, einem Grafikdesigner mit einer starken Faszination für alles, was mit dem Weltall zu tun hat. So sammelte er Daten zu jeder einzelnen Apollo-Mission und schuf ein fesselndes Visualisierungsprojekt auf deren Basis.
„Es gibt mehrere Teilgebiete der Datenwissenschaft, die Unternehmen vermutlich den größten Nutzen bringen und angehenden Datenwissenschaftlern die größten Chancen bieten.“
Jonathan Wilkins, EU Automation
Ein weiterer Bereich, in dem dringend nach Experten gesucht wird, ist der letzte Abschnitt der Pipeline, wo aus Informationen, die aus Daten extrahiert wurden, richtige Lösungen und Best Practices gemacht werden.
Diejenigen, die dies beherrschen, sind die sprichwörtlichen Einhörner der Datenwissenschaft, da sie Big-Data-Projekte an bestimmten Geschäftszielen ausrichten können. Derzeit herrscht eine enorme Kompetenzkluft bei dieser Position. Es werden Experten für Datenmanagement, künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen benötigt – wenn Sie einen finden, müssen Sie schnell sein.
Da Unternehmern die Bedeutung klar geworden ist, die Daten bei der Maximierung ihrer Umsätze spielen, werden neue Teilgebiete der Datenwissenschaft entstehen, die ihnen beim Erreichen ihrer Ziele helfen. In diesem Szenario werden Datenwissenschaftler immer begehrter – ihr Sex-Appeal wird exponentiell wachsen.
Über den Autor:
Jonathan Wilkins ist Marketing Director bei EU Automation. Er ist außerdem Autor von Fachartikeln im Bereich der industriellen Automatisierung und Industrie 4.0. Wilkins ist seit 2009 Teil des EU Automation Teams und verfügt über mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung im Marketing.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder und entsprechen nicht unbedingt denen von ComputerWeekly.de.