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IT-Lieferengpässe: Halbleiter sind kein Toilettenpapier
Wer IT-Hardware kaufen möchte, hat derzeit kaum Auswahl – falls überhaupt etwas verfügbar ist. Unternehmen können sich aber auf Lieferengpässe vorbereiten und Probleme minimieren.
Wer erinnert sich nicht an den März 2020: Viele von uns haben das erste Mal in ihrem Leben leere Regale im Supermarkt gesehen. Mehl, Hefe, Toilettenpapier und andere Bedarfsmittel waren wochenlang kaum zu erwerben. Heute warten wir wieder – aber auf Netzwerkkomponenten, Server, Laptops oder einige sehnsüchtig auf das neue Auto.
Ob Corona oder Chipkrise: Die als normal empfundene Versorgungssicherheit bekommt eine vollkommen neue Bedeutung in unserem Leben. Es wäre jedoch fatal, kurzfristige Versorgungsengpässe im Einzelhandel mit den systemischen Herausforderungen der globalen Wertschöpfungsketten zu vermischen.
Toilettenpapier war kurzfristig nicht zu erhalten, da die Letzte Meile in der Versorgungskette überlastet war. Als die Konsumenten sich wieder beruhigt hatten, stabilisierte sich die Situation nach wenigen Wochen. Nicht so bei Halbleitern: Diese sind aktuell am Weltmarkt nicht zu bekommen, weil schlichtweg zu wenige hergestellt werden. Aber wie kann das sein?
Cisco sagte bereits 2010 das Internet der Dinge mit über 50 Milliarden Sensoren vorher – und jeder Sensor besitzt mindestens einen Halbleiter. Warum hat uns also der Bedarf überrascht? Zunächst ist Halbleiter nicht gleich Halbleiter. Je moderner und leistungsfähiger der Halbleiter, desto komplexer ist die Fertigungsstraße. Für moderne Halbleiter gibt es daher weltweit nur wenige Produktionsstätten. Zusätzliche Kapazitäten sind schwer zu schaffen und das Einstellen eines Fertigungsprozesses kann Monate dauern, bis er perfekt funktioniert.
Zudem ist die Nachfrage deutlich höher als erwartet. Zu Beginn der Pandemie war man von einer Stagnation oder sogar einem Rückgang des Bedarfs ausgegangen. Es zeigte sich aber schnell, dass das genaue Gegenteil der Fall war und viele Digitalthemen einen enormen Schub bekommen haben.
Home-Offices mussten ausgestattet, die Bandbreite des Internetzugangs erhöht und Serverfarmen leistungsfähiger gemacht werden. Auch Privatgeräte wurden auf den neuesten Stand gebracht. Man konnte ja nicht raus. Das hat viele Bedarfszyklen über alle Branchen und Produkte hinweg synchronisiert, die sonst nicht um Chips konkurrieren. So benötigen Konsumenten- und Industrieelektronik zur gleichen Zeit die gleichen Chips.
„In der neuen Halbleiter-Realität müssen Unternehmen also nachhaltiger, digitaler und kooperativer denken. “
Christian Korff, Cisco Deutschland
Hinzu kommt der zumindest für den Westen überraschende Ukraine-Krieg. Dieses Land liefert normalerweise rund 70 Prozent des weltweit benötigten Edelgases Neon, das bei Industrielasern zur Halbleiterfertigung genutzt wird. Aus Russland kommen Rohstoffe, die zur Herstellung von Sensoren und Speichern nötig sind. Die Lieferketten sind nun sehr labil. Es wird weitere Monate dauern, bis das Gesamtsystem in allen Bereichen resistenter und Fertigungskapazitäten geschaffen sind, die Spitzenlasten abfangen können.
Was Unternehmen gegen Lieferengpässe tun können
Doch was können Unternehmen in der Zwischenzeit tun, um trotz Chipkrise Produktion und IT-Infrastruktur zu betreiben?
- Alternative Planung: Nur wer frühzeitig weiß, welche Produkte er benötigt, kann sie rechtzeitig und vollständig bestellen. Dabei sind von vornherein Alternativen einzuplanen, etwa gebrauchte und wiederaufbereitete Geräte oder andere Lieferanten.
- Transparente Lieferkette: Beschaffer müssen sich frühzeitig und umfassend über Verfügbarkeit und Lieferstatus informieren. KI-basierte Lösungen für Predictive Analytics sagen Nachfrage, Lieferengpässe und Preissteigerungen bei Materialien und Rohstoffen voraus.
- Auf Vorrat kaufen: Just-in-Time funktioniert nicht mehr. Unternehmen müssen heute wichtige Komponenten auf Vorrat kaufen, wenn sie erhältlich sind, selbst wenn dies das Budget belastet und Lagerkapazitäten erfordert.
- Flexibles Design: Technologie-Architekturen sollten interoperabel sein und flexible Umnutzung ermöglichen.
- Auch Modularität und Kompatibilität mit Drittanbietern erhöhen die kurzfristige Anpassungsfähigkeit an neue Situationen.
- Komponenten länger verwenden: Ex und hopp ist nicht nur aus Klima- und Nachhaltigkeitsgründen passé. Wartung und Support verlängern die Lebensdauer der eingesetzten Produkte. Ältere Versionen lassen sich eventuell in weniger kritischen Bereichen weiterhin einsetzen.
- Service-Angebote nutzen: Unternehmen müssen nicht alles selbst machen. Als Übergangs- oder Dauerlösung lassen sich Infrastrukturen, Plattformen, Hardware oder Software als Service nutzen.
Fazit
In der neuen Halbleiter-Realität müssen Unternehmen also nachhaltiger, digitaler und kooperativer denken. Das reicht von den Lebenszyklen der Produkte, über Managed-Service-Angebote bis hin zu digitalen Lösungen. Nur so kann aus kurzfristigen Reaktionen eine gute Strategie gegen die andauernde Chip-Shortage werden. Denn Antworten brauchen wir, da sowohl Halbleiter als offenbar auch Toilettenpapier systemrelevant sind.
Über den Autor:
Christian Korff ist seit Mai 2019 als Managing Director EnterpriseOne bei Cisco für internationale Großkunden in Deutschland verantwortlich. In diesem Segment betreut Cisco global agierende Großkonzerne. Korff ist seit 2001 bei Cisco, seit 2012 war er als Vertriebsdirektor verantwortlich für die Öffentliche Hand.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.