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IT-Dienstleister müssen ihre Strategien neu ausrichten
Der Wettbewerb auf dem IT-Dienstleistungsmarkt wird intensiver. IT-Service-Unternehmen müssen ihre Angebote besser an die Kunden anpassen. Wie sollten sie dabei vorgehen?
Der Kampf um den IT-Dienstleistungsmarkt verschärft sich zusehends. Um weiterhin eine relevante Rolle einzunehmen, müssen IT-Service-Unternehmen noch besser auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen. Was sollten sie dabei besonders beachten?
Laut einer Analyse von Gartner investieren Unternehmen derzeit eher in die Entwicklung neuer digitaler Produkte und Services als in die Erneuerung ihrer Kernsysteme (44 Prozent vs. 26 Prozent). Ihr Fokus liegt vor allem auf der Steigerung des Umsatzes (59 Prozent) und der Generierung von Einnahmen aus neuen Kunden oder Märkten (56 Prozent). Kostenreduzierungen und das Geschäft mit vorhandenen Kunden werden dagegen vergleichsweise nachrangig behandelt. Unternehmen konzentrieren sich also beispielsweise mehr darauf, neue Umgebungen aufzubauen, um die Kundenerfahrung durch neue Lösungen zu verbessern, anstatt das Backoffice zu optimieren.
Diese Entwicklung stellt IT-Dienstleistungsanbieter vor mehrere Herausforderungen. Zwei davon erfordern ihre sofortige Aufmerksamkeit:
- Die Identifizierung der aktuellen Einkäufer digitaler Dienstleistungen wie CEOs, CFOs, CDOs und CIOs unter der Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse.
- Die Anpassung der Engagement-Modelle und der Go-to-Market-Strategien, um die verschiedenen Käufergruppen angemessen anzusprechen.
Wer kauft heute eigentlich welche IT-Services ein?
Die Produktverantwortlichen der IT-Serviceunternehmen müssen sich also im ersten Schritt darüber im Klaren sein, wer eigentlich ihre wichtigsten Käufer sind. Grundsätzlich sitzen diese an zwei unterschiedlichen Budget-Töpfen: diejenigen für das IT-Fundament des Unternehmens; und diejenigen für die digitale Geschäftsentwicklung.
Anbieter müssen sich darauf einstellen, dass beide Käufergruppen unterschiedliche Bedürfnisse haben und auf andere Arten von Ansprachen reagieren: Das Interessensgebiet der ersten Gruppe ist die unternehmensweite IT und die Kernsysteme, mit der sie betrieben wird. Sie kümmern sich also um die unverzichtbare Technologien zur Unterstützung der internen Organisationsfunktionen, wie zum Beispiel die Backoffice-IT-Umgebung.
Die zweite Gruppe hat andere Interessen im Blick. Ihr geht es darum, neue Produkte oder Geschäftsmodelle auf Basis von Informationen und digitaler Technologie zu entwickeln. Für sie hat der Prozess der Digitalisierung den Zweck, ein neues, wettbewerbsfähiges und robustes digitales Geschäftsmodell zu schaffen.
Sobald die Produktverantwortlichen der IT-Serviceanbieter diese beiden Investitionssegmente unterschieden haben, sollten sie für jedes Segment konkrete Anwendungsfälle entwickeln. Das hilft, spezifische Bedürfnisse pro Segment einzuordnen und somit wichtige Käufer in jedem Segment zu identifizieren.
Typische Anwendungsfälle für die IT-Abteilung sind beispielsweise die Steigerung der Produktivität oder der Backoffice-Resilienz, Remote-Arbeitsplätze oder IT-Security. Typische Käufer sind hier aus der Riege der CIOs, COOs, CSOs sowie der CFOs oder HR-Verantwortlichen. Anwendungsfälle für die digitale Geschäftsentwicklung sind beispielsweise die Steigerung der Kundenzufriedenheit, neue Produkte oder Multi-Channel-Möglichkeiten. Diese Bedürfnisse kommen eher aus der Richtung CEO, CMO oder von Verantwortlichen aus den Fachabteilungen wie die Supply Chain oder dem Kundenservice.
Markteinführung und Engagement auf spezifische Käufergruppen ausrichten
Jetzt gilt es seitens der IT-Dienstleister den Fokus auf einen konkreten Mehrwert zu legen, der den Bedürfnissen der genannten Käufergruppen entspricht. Dabei sollten sie sich auf verschiedene Szenarien und konkrete Ergebnisse konzentrieren, um den spezifischen Wert und Return on Investment (ROI) zu veranschaulichen, den die Kunden erhalten werden.
In diesem Stadium ist es wichtig, die Geschichte aus der Perspektive der Käufer zu erzählen. IT-Dienstleister sollten immer mit einer klaren Aussage darüber beginnen, wie sich die IT-Investitionen auf das Geschäft und die Geschäftskennzahlen auswirkt. Ziel ist es, das Gespräch über den geschäftlichen Mehrwert der IT zu führen, indem man die Anwendungen, Dienstleistungen oder Initiativen betrachtet, die den gewünschten Nutzen bringen. Zu beachten ist dabei:
- Der Wertbeitrag der IT sollte aus der Perspektive der potenziellen Anwender erzählt werden, beispielsweise in Bezug auf den CEO oder das Führungsteam; dabei kann man gar nicht spezifisch genug sein.
- Die geschäftlichen Ziele sowie priorisierte Anwendungen, Dienstleistungen und Initiativen sollten regelmäßig überprüft werden.
- Der Fokus sollte auf den Ergebnissen liegen und nicht auf den Technologien. Dabei sollte der Beitrag zu den Geschäftszielen und Ergebnissen gemessen und erläutert werden, anstatt sich in Diskussionen über die technische Leistung zu verlieren.
- Flexibel bleiben – es ist damit zu rechnen, dass sich die Prioritäten ändern werden.
- Die Metriken über die IT sollten zu einem gemeinsamen Wertbeitrag konsolidiert und aggregiert werden. Es sollten keine mehrfachen oder widersprüchlichen Botschaften über verschiedene IT-Funktionssilos präsentiert werden.
- Der Fokus sollte auf wenige aussagekräftigen Metriken liegen, die den Wertbeitrag deutlich machen.
- Die Informationen sollten auf eine Seite mit einer Zusammenfassung oder einem Dashboard der Metriken beschränkt sein und ermöglichen, weitere detaillierte Informationen abzurufen.
Szenarien für verschiedene Käufergruppen
Zur praktischen Umsetzung hier zwei Szenarien. Zunächst zur ersten Käufergruppe, also diejenigen, die für das IT-Fundament zuständig sind. Angenommen ein Unternehmen für Konsumgüter möchte die Zuverlässigkeit und Stabilität seiner Cloud-Plattform verbessern. Der konkrete Vorschlag besteht darin, eine bestehende E-Commerce-Plattform auf eine stabilere und skalierbare Infrastruktur zu migrieren, um den Web-Traffic zu stützen. Die geschäftlichen Ergebnisse und der ROI sind dabei konkret: flexiblere Kosten für die Hosting-Infrastruktur, erhebliche Reduzierung der Rechenzentren und eine deutliche Verbesserung der Leistung der Website während Spitzenverkehrszeiten.
„Mit zunehmender Digitalisierung werden die Anforderungen der Käufer von IT-Dienstleistungen in Unternehmen immer differenzierter.“
René Buest, Gartner
Ein typisches Szenario für die Käufergruppe, die für die digitale Geschäftsentwicklung zuständig ist, wäre folgendes: Ein Versicherungsunternehmen möchte das Kundenerlebnis verbessern. Das Angebot ist, dies durch Cloud-KI-Services für häufig gestellte Kundenfragen zu ermöglichen. Der geschäftliche Nutzen besteht dabei in reduzierten Wartezeiten im Callcenter und die schnellere Bereitstellung von Informationen zu Versicherungspolicen, Adressen und Krediten. Zudem gibt es die Möglichkeit einer rund um die Uhr Unterstützung in mehreren Sprachen bei allen versicherungsbezogenen Fragen.
Auf überzeugende Geschichten über den IT-Wertbeitrag kommt es an
Mit zunehmender Digitalisierung werden die Anforderungen der Käufer von IT-Dienstleistungen in Unternehmen immer differenzierter. Insbesondere die beiden Käufergruppen, diejenigen für die grundlegende Unternehmens-IT und diejenigen für die digitale Geschäftsentwicklung, stellen sehr spezifische Anforderungen. IT-Dienstleister müssen sich darauf einstellen, indem sie überzeugende Geschichten über den Wertbeitrag der IT für die jeweiligen Bedürfnisse der Käufergruppen erzählen können.
Über den Autor:
René Buest ist Senior Director Analyst für den Bereich Technology and Services Provider (T&SP) bei Gartner. Er befasst sich in vor allem mit dem Cloud-Services-Markt: Cloud-IT-Services, Cloud Professional Services, Cloud Managed Services, Cloud Computing, Cloud IaaS, Infrastruktur-Services, Digital Operations und Digital Business. René Buest berät Technologie- und Service-Provider-Führungskräfte von Cloud-Anbietern und IT-Services-Anbietern bei Portfolio- und Marketingstrategien. Dafür bringt er mehr als 20 Jahre Erfahrung in den Bereichen Geschäftsentwicklung, Go-to-Market-Strategien und Technologiemarketing mit.
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