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Hinterm Horizont geht’s weiter – Horizontale Infrastruktur
Viele Unternehmen überdenken ihre IT-Strategien und räumen dem De-Risiking hohe Priorität ein. Als Maßnahme für mehr Unabhängigkeit setzen sie dabei auf horizontale IT-Integration.
In den vergangenen Jahren bauten Unternehmen und Behörden in ihren Rechenzentren vorranging auf eine vertikale IT-Integration. Sie führten hyperkonvergente Infrastrukturen ein, die Rechen-, Speicher- und Netzwerkressourcen in einem ganzheitlichen System integrieren und es mit Hilfe von nativ eingebundenen Softwareplattformen ermöglichen, die Ressourcen zu virtualisieren, einfach zu verwalten und flexibel bereitzustellen. Diese hyperkonvergenten Infrastrukturen sind gezielt für konkrete Workloads konzipiert und können sie hocheffizient unterstützen.
Organisationen stellen ihre IT-Strategien auf den Prüfstand
Aktuell ziehen aber immer mehr Organisationen auch eine alternative IT-Architektur in Betracht. Der Grund dafür sind die zahlreichen Krisen weltweit, die zu großen wirtschaftlichen Verwerfungen geführt haben. Deshalb stellen viele Organisationen ihre IT-Strategien auf den Prüfstand und rücken bei De-Risking in den Mittelpunkt, um Abhängigkeiten von einzelnen Herstellern zu reduzieren.
Bei vertikal integrierten IT-Infrastrukturen sind diese Abhängigkeiten sehr groß. Die enge native Verzahnung von Hardwareressourcen und Softwareplattformen gewährleistet zwar maximale Effizienz, sorgt aber auch dafür, dass diese beiden Komponenten nur schwer oder gar nicht voneinander getrennt werden können. Das trifft auf hyperkonvergente Infrastrukturen und generell alle monolithischen Systeme zu. Je mehr Organisationen durch tief integrierte oder proprietäre Infrastrukturen spezialisieren, desto größer wird ihre Abhängigkeit von den einzelnen Herstellern. Gibt es bei einer der Komponenten Lieferschwierigkeiten, verschwindet ihr Anbieter wegen wirtschaftlicher oder politischer Verwerfungen vom Markt oder erhöht seine Preise massiv, haben Organisationen keinen Investitionsschutz. Am problematischsten ist das, wenn sie Geschäfts- und Betriebsprozesse mit solchen geschlossenen Ökosystemen abbilden. Der Aufwand und die Kosten für einen Wechsel sind dann meist extrem hoch, wodurch die Abhängigkeit am Ende zu gravierenden Mehrkosten führt.
Offene Schnittstellen und Industriestandards gewährleisten Wahlfreiheit
Um diese Abhängigkeiten zu reduzieren, setzen viele Unternehmen verstärkt auf horizontal integrierte IT-Systeme, die es ihnen erlauben, Hardware und Softwareplattform frei miteinander zu kombinieren. Solche Systeme nutzen keine proprietären Technologien, sondern bringen offene Schnittstellen mit und unterstützen gängige Industriestandards. Sie nutzen x86-Standardserver für Computing und Storage und verwenden Standardprotokolle wie das Internet Protocol (IP). Das ermöglicht es ihnen, beispielsweise beim Storage NVMe over TCP einzusetzen und damit als Übergabemechanismus zwischen Hardware und Software den Industriestandard Block Storage zu unterstützen.
„Um diese Abhängigkeiten zu reduzieren, setzen viele Unternehmen verstärkt auf horizontal integrierte IT-Systeme, die es ihnen erlauben, Hardware und Softwareplattform frei miteinander zu kombinieren.“
Marius Neidlinger, Dell Technologies
Durch diese Eigenschaften können Unternehmen und Behörden Hardware problemlos mit unterschiedlichen Softwareplattformen wie Proxmox, VMware, KVM, OpenStack oder OpenShift betreiben, um sie zu virtualisieren und zu orchestrieren. Das gibt ihnen die Möglichkeit, bei Bedarf jederzeit vorhandene Hardware für Computing und Storage mit einer anderen Softwareplattform zu betreiben oder umgekehrt. Sie haben zwar weniger Integrationstiefe, sind aber unabhängiger von einzelnen Lieferanten und Technologien und können dadurch flexibler auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren. Der Einsatz des Internet Protocol dehnt ihre Unabhängigkeit dabei sogar auf das Netzwerk aus. Damit sind sie in ihren Speichernetzwerken nicht auf proprietäre Fibre-Channel-Technologie angewiesen, für die es nur einige wenige Anbieter gibt, sondern können x86-Storage-Controller einsetzen, für die ein breites und diverses Angebot existiert.
Beide Ansätze haben ihre Berechtigung
Vertikale und horizontale IT-Integration: Beide Ansätze haben ihre Berechtigung und ihre ganz spezifischen Stärken. Organisationen sollten deshalb ihre IT-Strategien hinterfragen und prüfen, welcher der beiden Ansätze ihren Anforderungen am besten gerecht wird. Kommen sie zu dem Ergebnis, dass ihnen Effizienz am wichtigsten ist und sie bereit sind, dafür mehr Abhängigkeit in Kauf zu nehmen, spricht nichts gegen vertikale Integration. Haben dagegen De-Risking, Diversifizierung der Supply Chain und operative Flexibilität oberste Priorität, ist die horizontale Integration der Systeme für sie der bessere Ansatz.
Zu Organisationen, für die eine operative Flexibilität besonders wichtig ist, zählen beispielsweise Forschungseinrichtungen. Sie haben je nach Projekt oft unterschiedliche Anwendungen und Workloads im Einsatz und benötigen deshalb eine flexible Infrastruktur, die es ihnen erlaubt, für jedes Projekt die passende Softwareplattform frei zu wählen. De-Risking, Resilienz und eine Stärkung der Lieferketten haben für die Privatwirtschaft und auch Behörden große Bedeutung. Für Letztere gibt es sogar Direktiven, die sie anweisen, sich resilient aufzustellen und deshalb mindestens zwei Softwareplattformen einzusetzen. Mit horizontaler IT-Integration können sie diese Anforderung erfüllen, ohne dafür mit hohen Kosten und viel Aufwand gleichzeitig zwei IT-Silos zu betreiben.
Über den Autor:
Marius N. Neidlinger ist Business Development Manager bei Dell Technologies in Deutschland.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.