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Gut für den Kreislauf: Das Recht auf Reparatur kommt
Ein neues EU-Gesetz soll Regeln für das Recht auf Reparatur vorgeben. Dabei geht es nicht nur um Kundenrechte, sondern auch um Umweltaspekte, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit.
35 Millionen Tonnen Abfall, 12 Milliarden Euro Kosten: In dieser Höhe beziffert die EU-Kommission den jährlichen Schaden, der entsteht, weil Produkte zu früh weggeworfen werden, statt sie reparieren zu lassen. Das soll sich ändern: Das Green-Deal-Ziel, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, hat daher auch das EU-Gesetz Recht auf Reparatur mit sich gebracht. Denn Verbraucher und Unternehmen müssen nachhaltiger konsumieren und produzieren, um unnötigen Abfall und die Verschwendung von Ressourcen zu vermeiden. Das EU-Parlament hat am 23. April 2024 für das Recht auf Reparatur gestimmt. Nach der Verabschiedung des Gesetzes haben die EU-Staaten noch zwei Jahre Zeit, um es in ihre nationalen Gesetze zu übertragen.
Was besagt das Recht auf Reparatur?
Mit dem neuen Gesetz will die EU die Lebensdauer von Elektrogeräten verlängern. Gemeinsame Regeln sollen Reparaturen erleichtern und Verkäufer beziehungsweise Hersteller innerhalb der Garantiezeit zur Reparatur verpflichten.Entscheiden sich Verbraucher für eine Reparatur während der gesetzlichen Gewährleistungsfrist, verlängert sich diese pauschal um ein Jahr. Hersteller werden zudem verpflichtet, ihre Produkte reparaturfreundlich zu gestalten. Das gilt sowohl für die Software als auch für die Hardware. Darüber hinaus müssen sie Ersatzteile für ihre Produkte zur Verfügung stellen und Kundinnen und Kunden auf das Reparaturrecht hinweisen. Auch wenn die gesetzliche Gewährleistung abgelaufen ist, sollen Konsumenten eine einfache und kostengünstigere Reparatur verlangen können. Dabei ist Transparenz gefordert: Die Hersteller werden verpflichtet, öffentlich Angaben über ihre Reparaturleistungen zu machen und dabei auch anzugeben, wieviel die gängigsten Reparaturen ungefähr kosten werden. Außerdem müssen sie künftig Anleitungen bereithalten, damit auch unabhängige Werkstätten leichter Reparaturen durchführen können. Kann ein Produkt nicht repariert werden, können Hersteller alternativ auch ein überholtes Gerät anbieten. Hier kommen Refurbisher ins Spiel, die Geräte fachgerecht aufbereiten und wieder vermarkten.
Das neue Gesetz legt zudem fest, dass jeder Staat mindestens eine Maßnahme einführen muss, mit der Reparaturen gefördert werden. Ein Vorreiter ist hier Österreich: Hier gibt es bereits seit 2022 einen Reparaturbonus, das heißt der Staat übernimmt 50 Prozent der Reparaturkosten, bei einer Deckelung von 200 Euro. Verbraucher können somit deutlich Kosten sparen, wenn sie nicht bei jedem Defekt sofort zum Neugerät greifen. Eine erfolgreiche Maßnahme: Allein im vergangenen Jahr wurden 480.000 Bons eingelöst.
Ungenutzte Ressourcen wieder verwerten
Ein gravierendes Umweltproblem sind neben zu häufigen Neuanschaffungen auch die vielen Geräte, die nicht mehr verwendet werden. Aktuell horten die Deutschen laut Berechnung des Digitalverbands Bitkom beispielsweise rund 210 Millionen ausrangierte Handys und Smartphones – auch das soll künftig anders werden. Denn mit den Alt-Geräten liegen wertvolle Rohstoffe ungenutzt in den Schubladen, wie zum Beispiel Aluminium, dessen Ausgangsstoff Bauxit die EU als kritischen Rohstoff einstuft. Dazu kommen weitere Ressourcen, unter anderem Kobalt, Lithium, Magnesium, Titan, Phosphor, Tantal, Platin-Metalle, seltene Erden und Gold.
Zudem erfordert die Herstellung von Hardware große Mengen an Energie und Wasser. Aus ökologischen Gründen sollten IT-Geräte daher generell möglichst lange genutzt werden – ob mit oder ohne Reparatur. Denn während des Lebenszyklus sind verschiedene Einsatzszenarien möglich: Ist beispielsweise ein Notebook für anspruchsvolle Aufgaben im Unternehmen nicht mehr geeignet, kann es im privaten Bereich oder Bildungssektor häufig problemlos noch mehrere Jahre verwendet werden. Für die Wiederaufbereitung, eventuell notwendige Reparaturen und die Wiedervermarktung sorgen professionelle Refurbishing-Unternehmen. Auch für sie ist das neue Gesetz ein entscheidender Schritt.
Die ökologischen Auswirkungen von IT-Refurbishing
Zur positiven Wirkung auf den ökologischen Fußabdruck durch Refurbishing gibt es bereits seit mehreren Jahren valide Zahlen durch das IT-Unternehmen AfB gGmbH. Es wertet jährlich die Auswirkung auf den Ressourcenverbrauch durch die Wiederaufbereitung der Geräte im Vergleich zur Neuproduktion auf Basis mehrerer Ökobilanzstudien aus und stellt seinen Geschäftspartnern berichtsfähige KPIs zur Verfügung.
Im Jahr 2023 hat das Unternehmen rund 666.000 IT- und Mobilgeräte aufbereitet und davon 70 Prozent wiedervermarktet, der Rest wurde fachgerecht recycelt. Dadurch konnten im vergangenen Jahr im Vergleich zur Neuproduktion 66.000 Tonnen Treibhausgase, 480 Millionen Liter Wasserverbrauch und 252.300 MWh Primärenergie sowie 31.000 Tonnen Rohstoffe eingespart werden. In der Wirkungsmessung erfasst AfB neben den KPIs zu Rohstoffen, Treibhausgasen, Wasser und Energie auch Zahlen zu schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit (Humantoxizität). Hier wurden durch die Wiederaufbereitung und -vermarktung von Geräten im letzten Jahr 351.000 Tonnen 1,4-DB-äq. Humantoxizität vermieden.
Was Hersteller und Handel künftig beachten müssen
Ziel von Refurbishern ist es, so viele Gebrauchtgeräte wie möglich wieder zu vermarkten und nur solche, die gar nicht mehr einsetzbar sind, fachgerecht zu entsorgen. Ein liberaler Ersatzteil- und Reparaturmarkt macht diese Wiederaufbereitung einfacher. Wichtige Voraussetzung sind dabei realistische, transparente Kosten für Ersatzteile. Denn nur wenn diese zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden, können Reparaturen kostengünstig durchgeführt werden und sich als Alternative zum Neukauf etablieren.
Zudem müssen sich Hersteller bereits bei der Produktion umstellen. So ist das Verbot der Serialisierung wichtig. Bei diesem Software-Verfahren werden Komponenten per Seriennummer an ein bestimmtes Gerät gekoppelt, was selbst den Austausch von Original-Ersatzteilen nahezu unmöglich macht. Gerade hochwertige Smartphones sind häufig davon betroffen. Diese werden daher bislang nicht repariert, sondern müssen entsorgt werden – auch wenn eigentlich nur ein Bauteil getauscht werden müsste.
„Auch Verbraucher sind gefordert, Kaufentscheidungen gründlicher zu überdenken und im Zweifelsfall eher zum hochwertigen Produkt zu greifen. Denn es liegt auf der Hand: Robuste und unempfindliche Geräte eignen sich generell besser für eine dauerhafte Inbetriebnahme und lange Nutzungsdauer als Billigware.“
Daniel Büchle, AfB social & green
Neben der Software muss sich auch das hardwareseitige Produktdesign weiterentwickeln, damit das Recht auf Reparatur umsetzbar wird. Aktuell werden Einzelteile häufig verlötet oder verklebt, künftig sollten sie besser gesteckt und verschraubt sein. Dadurch können defekte Teile leichter ausgetauscht werden, wodurch Smartphone und Co. wiederum länger nutzbar werden. Aktuell stehen Refurbisher häufig vor dem Problem, dass die Geräte verschweißt sind und damit nicht repariert werden können. Auch hier bleibt nur das Recycling. Ein liberaler Ersatzteilemarkt umfasst außerdem, dass Drittanbieterkomponenten oder solche aus dem 3D-Drucker verwendet werden können. In Kombination mit Reparaturanleitungen können Tüftler ihre Geräte zukünftig dann sogar selbst wieder richten.
Auch Verbraucher sind gefordert, Kaufentscheidungen gründlicher zu überdenken und im Zweifelsfall eher zum hochwertigen Produkt zu greifen. Denn es liegt auf der Hand: Robuste und unempfindliche Geräte eignen sich generell besser für eine dauerhafte Inbetriebnahme und lange Nutzungsdauer als Billigware.
Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft
Es geht voran: Mit dem neuen Gesetz stellt die EU die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft zur Reduzierung von Elektroschrott und Ressourcenabbau in den Fokus. Das ist wirtschaftlich und nachhaltig: Die Ökologie profitiert vom nachhaltigeren Konsum, und auch Verbraucherrechte sowie lokale mittelständische Dienstleistungsunternehmen werden durch das Recht auf Reparatur gestärkt. Daraus können sich neue Geschäftsmodelle entwickeln und Arbeitsplätze entstehen. Auch die Abhängigkeit von globalen Rohstoffentwicklungen lässt sich verringern, wenn weniger Ressourcen benötigt werden. Damit das Gesetz zum Erfolgsmodell wird, sind nun Hersteller und Handel gefordert. Denn bis zur Umsetzung in zwei Jahren ist noch einiges zu tun.
Über den Autor:
Daniel Büchle ist CEO von AfB social & green IT. Das Inklusionsunternehmen hat sich auf Refurbishing von IT-Geräten spezialisiert und beschäftigt zu 50 Prozent Menschen mit Behinderung.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.