Die drei Irrtümer der Testautomatisierung
Automatisierung ist in aller Munde. Viele Unternehmen möchten gerne alle Verfahren automatisieren. Doch nicht jede komplizierte Strategie findet eine einfache Lösung.
Viele Unternehmen sehnen sich nach einfachen Antworten auf komplexe Fragen. Die Realität ist jedoch, dass erfolgreiche Unternehmen von sorgfältig durchdachten Strategien leben. Man kann sich den Weg zum Erfolg nicht erschwindeln.
Das Gleiche gilt für die Testautomatisierung. Automatisierte Tests können zwar einen Teil des manuellen Testaufwands abnehmen und somit Qualitätssicherungsexperten entlasten, aber es gibt kein Patentrezept, um Testengpässe zu beseitigen. Tatsächlich kann ein uninformierter Ansatz zur Automatisierung mehr Probleme verursachen als lösen. Eine Kombination aus fehlerhaften Tests, institutionalisiertem Wissen und verpassten Veröffentlichungsterminen ist kaum ein idyllisches Bild des Automatisierungserfolgs.
Wichtig beim Aufsetzen der Automatisierungs- und Teststrategie ist ein Dreiklang aus codeloser Automatisierung, skriptgesteuerte Automatisierung und manuelles Testing. Die drei Bereiche sollten Hand in Hand gehen, aber das ist leichter gesagt als getan. Nichts ist ein Wundermittel für alle Fehler. Je früher die enorme Herausforderung des Testens von digitalen Produkten im Zeitalter der rasanten Innovation verstanden wird, desto besser können eine effektive Strategie entwickelt und Prioritäten gesetzt werden.
Wie schwierig es ist, einen umfassenden Ansatz mit diesen Komponenten zu verfolgen, zeigen auch die drei gängigsten Mythen, die sich viele Qualitätssicherungsmanager einreden:
Irrtum 1: Alles wird getestet
Zuerst einmal gibt es keinen Test, der alle Bugs in allen Bereichen erfasst. Daher sollten Qualitätssicherungsmanager auf den oben genannten Dreiklang setzen. Hinzu kommt außerdem, dass selbst bei der richtigen Nutzung aller drei Test- und Automatisierungstechniken, (noch) nicht alles getestet werden kann. Milliarden von Datenpermutationen und möglichen Anwendungsszenarien sind mit den aktuellen technischen Gegebenheiten, geschweige denn von menschlicher Hand nicht zu überprüfen.
Auch die schier unendlichen Kombinationsmöglichkeiten von Geräte-/Betriebssystemen macht es unmöglich, alles zu testen. Kommt dann noch ein enger Veröffentlichungstermin hinzu, der eingehalten werden soll, empfiehlt es sich, die wichtigsten Bereiche zu identifizieren, zu priorisieren und das zu testen, was tatsächlich möglich ist.
Irrtum 2: Alles wird automatisiert
Wie eingangs beschrieben, würden viele Betriebe gern alles automatisieren, dazu gehören auch Softwaretests. Und die Entwicklungen in der Testautomatisierung in den letzten Jahren sind vielversprechend, aber sie kann nicht alles leisten. Für einige Arten von Tests ist eine menschliche Validierung erforderlich.
Insbesondere explorative Tests können bislang noch nicht automatisiert werden und brauchen einen menschlichen Blick sowie menschliche Kreativität. Auch für ein noch breiteres Spektrum von Tests ist aufgrund der Komplexität oder Subjektivität der erwarteten Ergebnisse, wie zum Beispiel bei UX-Tests, ein menschlicher Blick notwendig. Bis die Testautomatisierungstechnologie so weiterentwickelt wird, dass mehr Validierungen bewältigt werden können, kann noch nicht alles automatisiert werden. Wer das bedenkt, kann seine Automatisierungsstrategie entspannter entwickeln und tappt nicht in die Falle zu versuchen, alles zu automatisieren.
Irrtum 3: Jeder Bug wird eliminiert
Kleinere Bugs gelangen oft in die Produktion – und das unbemerkt. Wer sich darauf konzentriert, diese kleineren Probleme zu erkennen und zu eliminieren, verliert schnell den Blick für das große Ganze. Showstopper Bugs müssen jedoch bereits in einem frühen Stadium des Software Development Lifecycles (SDLC) aufgespürt und behandelt werden. Denn ein kleiner Bug kann im Nachhinein meist noch bereinigt werden, ein großer Fehler hingegen kann die gesamte Applikation unbrauchbar machen.
Daher ist es wichtig, die Teststrategie mit Fokus auf das Auffinden der großen Bugs zu entwickeln, bevor diese kostspielig werden oder das Kundenerlebnis ruinieren. Außerdem nicht zu vernachlässigen: Wer sich bewusst macht, dass niemals alle Bugs gefunden werden können, testet entspannter.
Eine strategische Herangehensweise an die Testautomatisierung sorgt für langfristigen Erfolg und reduziert das Risiko, Irrtümern zu verfallen. Welche Tests kann – und sollte – eine Maschine einem erfahrenen Programmierer abnehmen? Wo kann deren Fachwissen sinnvoller eingesetzt werden? Wie kann sie Mehrwert und Qualitätsprodukte liefern, ohne dass sich diese Dinge gegenseitig behindern?
Die Antworten auf diese Fragen können für jedes Unternehmen unterschiedlich ausfallen. Daher ist es wichtig, einen Testing-Partner zu haben, der sich während des gesamten SDLC an die individuellen finanziellen und technischen Bedürfnisse eines Unternehmens anpassen kann.
Die Pflege der richtigen Teststrategie
Können Unternehmen sich von den drei Irrtümern der Testautomatisierung lösen, wird die Testgeschwindigkeit erhöht und die Automatisierung nur dort eingesetzt, wo sie Sinn ergibt. Doch damit ist es leider nicht getan. Wie in jedem anderen Bereich, kann sich auch in der Testautomatisierung nicht auf den erreichten Lorbeeren ausgeruht werden.
„Können Unternehmen sich von den drei Irrtümern der Testautomatisierung lösen, wird die Testgeschwindigkeit erhöht und die Automatisierung nur dort eingesetzt, wo sie Sinn ergibt.“
Jan Wolter, Applause
Viele Unternehmen denken, einmal eingeführt funktioniert die Testautomatisierung bis in alle Ewigkeit und versäumen es daher, diese zu pflegen. Mit der Zeit jedoch, wenn Produkt und Unternehmen wachsen, steigen auch die Anforderungen an die Testautomatisierung. Wer die gleiche Strategie beibehält, merkt schnell: Die Ressourcen sind begrenzt und die Effizienz der automatisierten Tests beginnt zu schwinden – oder Projekte werden übereilt bereitgestellt, weil sie versuchen, mit einem unrealistischen Veröffentlichungsrhythmus mitzuhalten.
Damit die Testautomatisierung Schritt halten kann, müssen Unternehmen regelmäßig neue Techniken und Technologien einführen, um Tests in großem Umfang zu gewährleisten. Das Vertrauen in oder sogar Beharren auf alte Lösungen ist dabei der größte Fehler und kann zu mehr Arbeit führen, als das Unternehmen bewältigen kann.
Über den Autor:
Jan Wolter leitet als General Manager für Applause den europäischen Geschäftsbereich und ist verantwortlich für den Ausbau des Unternehmens im europäischen Markt.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.