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Die Zukunft der Landwirtschaft: IoT-Wearables und Daten
Landwirte und Haustierbesitzer könnten von IoT in der Veterinärmedizin profitieren. Mit Monitoring und Machine-Learning-Modellen lassen sich Tiere effektiver behandeln.
Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) kann eine geradezu magische Welt für den Gesundheitssektor schaffen. Darin gibt es Dinge wie Wearables für Mediziner und Verbraucher, Datenaggregation und Data Analytics sowie Predictive Systems, die ganzen Nationen dabei helfen, durch die Lebensweise bedingte Krankheiten und andere Leiden zu vermeiden.
Was bislang ein wenig übersehen wurde, ist die Frage, wie IoT-Geräte in Verbindung mit Daten und KI unseren tierischen Gefährten helfen können.
Im Jahr 2020 hatte der Markt für veterinärmedizinische Dienstleistungen für Heimtiere in Großbritannien laut Statista ein Volumen von 2,1 Milliarden Pfund (zirka 2,5 Milliarden Euro). Der Wert sollte nicht überraschen, denn 59 Prozent der Haushalte besitzen heute ein Tier, im Vergleich zu 41 Prozent im Vorjahr, bevor die Coronapandemie zu mehr Remote-Arbeit führte. Die Zahlen für Deutschland liegen bei gleicher Tendenz etwas niedriger (47 Prozent beziehungsweise 45 Prozent).
Die allgemeine tierärztliche Versorgung umfasst mehr als nur Haustiere. Auch die Viehzucht spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Nur zur Veranschaulichung: Die Zahl der Rinder und Schweine In Deutschland belief sich zum Stichtag 3. Mai 2021 auf rund 36 Millionen. IoT-Services können das Leben unserer Haustiere verbessern, aber sie werden auch die Zukunft von IoT in der Landwirtschaft beeinflussen.
IoT in der tierärztlichen Versorgung
Wir könnten das gesamte Wissen und alle Technologien, die in der Humanmedizin bekannt sind, auf die tierärztliche Versorgung anwenden. Momentan hinkt die Tiermedizin der allgemeinen Entwicklung jedoch hinterher.
In der Veterinärmedizin kommen zwar intelligente Geräte wie CT- und MRT-Scanner zum Einsatz. Aber es gibt noch ungenutzte Möglichkeiten, medizinische Geräte durch IoT-Konnektivität zu mehr Intelligenz zu verhelfen. Tierärztliche Einrichtungen könnten die von medizinischer Hardware gesammelten Daten zu Analysezwecken nutzen. Durch die Anwendung von Machine Learning (ML) und künstlicher Intelligenz (KI) können Veterinärdienste detaillierte Einblicke verschaffen. Diese helfen Fachleuten, genauere Diagnosen und Vorhersagen zu treffen sowie die tierärztliche Versorgung effizienter und verfügbarer zu machen.
Natürlich gibt es einige Unterschiede zur Humanmedizin, die über die offensichtlichen biologischen Faktoren hinausgehen. Die Veterinärmedizin hat im Vergleich zur Humanmedizin einen entscheidenden Vorteil: einen geringeren Regulierungsgrad, der eine erweiterte Datenerfassung ermöglicht. So gibt es beispielsweise keine Datenschutzvorschriften für die Tiere selbst, allerdings sind die Halterdaten zu berücksichtigen. Ohne strikte Vorschriften können Veterinäreinrichtungen neue Ideen und Analysen leichter testen, da Tiere selbst nicht zustimmen müssen.
Bei der medizinischen Kodierung gibt es jedoch keine standardisierten Protokolle. Die Anwendung all dessen, was wir über IoT im Gesundheitswesen wissen, auf die Veterinärmedizin würde mehr Aufwand erfordern als menschliche Betreuung, insbesondere für komplexe KI und Natural Language Processing (NLP).
Und schließlich darf man nicht vergessen, dass Tiere nicht sprechen können. Somit kann der Einfluss von Technologie bei deren Behandlung bedeutende Auswirkungen haben.
Steigerung des Wohlbefindens und der Produktivität in der Tierhaltung
Haben Sie schon einmal daran gedacht, die täglichen Schritte einer Kuh zu erfassen oder sie einem EKG zu unterziehen? Und warum sollten Sie das tun?
Das Wohlergehen von Tieren in landwirtschaftlichen Betrieben ist in den letzten Jahren aus ökologischen und ethischen Gründen zu einem Trendthema geworden. Die Landwirte müssen eine ganze Reihe von Vorschriften einhalten.
Auch die kleinbäuerliche Landwirtschaft hat in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt. Fleisch von lokalen Bauernhöfen und Metzgereien zu kaufen, erfreut sich bei den Verbrauchern immer größerer Popularität, um Umweltprobleme zu bekämpfen und die Wirtschaft zu unterstützen – und ist nicht zuletzt eine Folge der COVID-19-Pandemie.
Jeder, der einmal eine Dokumentationsserie über heutige Agrarbetriebe wie Clarkson's Farm gesehen hat, weiß jedoch, dass die Tierhaltung kein Zuckerschlecken ist. Sowohl die Kosten für Maschinen als auch für die tierärztliche Versorgung sind hoch. So hatten nach Angaben des statistischen Bundesamts 50 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe 2020 zusätzliche Einkommensquellen, um das Risiko von starken Einkommensschwankungen auszugleichen.
Wie kann IoT also helfen?
Einmal angenommen, Landwirte wollen die Qualität der Milch überwachen und kontrollieren. Sie können Hardware-Wearables und vernetzte Geräte verwenden, die physisch an den Tieren angebracht sind, um verschiedene relevante Parameter zu messen. Dazu gehören zum Beispiel ihre Bewegung, Temperatur, medizinische Parameter und die Nahrungsaufnahme.
Die Bauern können dann die Daten zur Verarbeitung erheben und mithilfe von KI-Systemen das Wohlergehen der Tiere verbessern sowie die Produktqualität und Produktivität steigern. Durch die Überwachung der Bedingungen und Analyse der Daten können wir besser verstehen, welche Faktoren eine Veränderung verursachen. Es ließe sich etwa feststellen, dass eine bestimmte Futterkomponente die Temperatur des Tieres, sein Wohlbefinden und letztlich die Milchqualität beeinflusst.
IoT ist in der Landwirtschaft zwar noch nicht weit verbreitet, aber auch nicht völlig neu. Wissenschaftler haben bereits ML eingesetzt, um Schlafphasen und sogar die Fruchtbarkeit von Rindern im Rahmen von Precision Agriculture vorherzusagen.
IoT im Bereich der Tiergesundheit
In der Praxis sollte IoT im Rahmen der Tierpflege aus einem Wearable, einem Gerät zur Datenaggregation und einem Data Center bestehen. Es ist wichtig, daran zu denken, dass es keine gute Idee wäre, jeden Sensor einfach so direkt mit unzuverlässigem Breitbandinternet zu verbinden. Und eine große Zahl von Sensorgeräten mit der Cloud zu vernetzen, ist weder energie- noch kosteneffizient. Stattdessen können Benutzer ein lokales Funknetzwerk aufbauen, das Bluetooth Low-Energy oder LoRa für eine maximale Effizienz und kostengünstige Infrastruktur integriert.
Die Datentransfereinheit sendet die erfassten Daten über ein Gateway mit einem drahtlosen Kommunikationsmedium an das Data Center. Dort werden die vom Gateway empfangenen Daten verwendet, um Analysen und Visualisierungen zu erstellen, die es den Nutzern ermöglichen, den Gesundheitszustand der Tiere in Echtzeit zu verfolgen. Die Daten werden in der Cloud für die zukünftige Nutzung und Analyse gespeichert.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die IoT-Hardware heute viel leichter verfügbar ist als noch vor zehn Jahren. Es gibt nicht nur mehr Standardprodukte, sondern es ist auch einfacher, sie individuell anzupassen. Der Einsatz von IoT in der Tiermedizin ist keine Science-Fiction mehr.
Remote-Diagnose
Ein weiterer Anwendungsfall für die IoT-Technologie in der Agrarwirtschaft und der Tierpflege könnte Remote-Diagnose und -Versorgung an schwer zugänglichen Orten und bei Notfällen sein. Indem medizinisches Fachpersonal per Wearable-Hardware remote auf Daten und Diagnosen zugreifen kann, erhalten die Tiere sofortige Hilfe zur Linderung ihres Zustands. Landwirte sparen Zeit und Ressourcen, die sie sonst für Tierarztbesuche hätten aufwenden müssten.
Die IoT-basierte Remote-Diagnostik könnte auch die medizinische Versorgung von Haustieren verbessern. Bereits jetzt ist die Telemedizin ein boomender Markt, auf dem Start-ups wie Dogsee.me Remote-Services und -Diagnosen anbieten. Wenn Fachleute auf medizinische Daten in Echtzeit zugreifen dürften, würde das die Qualität der Versorgung auf eine neue Ebene bringen. Das Internet der Dinge in Verbindung mit Telediensten birgt außerdem das Potenzial, die Kosten zu senken und Services nicht nur genauer, sondern auch breiter verfügbar zu machen.
Die IoT-gestützte Zukunft von Smart Farming
Die Tiermedizin kann die Möglichkeiten von IoT nur dann voll ausschöpfen, wenn Data Analytics und KI zum Einsatz kommen. Angenommen, wir erfassen Daten von Wearables in landwirtschaftlichen Betrieben, analysieren diese Daten und nutzen ML sowie KI. In diesem Fall können wir datengetriebene Erkenntnisse gewinnen und Modelle erstellen, die auf kollektiver Ebene funktionieren und sowohl Vorhersagen als auch Prävention ermöglichen.
Der Fantasie sind hier fast keine Grenzen gesetzt. Echokardiogramme, Temperatur- und Bewegungsdaten könnten erfasst und in einen KI-Algorithmus eingespeist werden, um Krankheiten und dringende Fälle zu erkennen. Mit Computer Vision könnten spezifische Bewegungsmuster extrahiert werden, die auf Krankheiten hinweisen, um dank der Frühdiagnose schwere Fälle zu verhindern. Durch die Einbeziehung einer Vielzahl von Technologien und deren Nutzung für Stream Analytics lassen sich noch bessere Einblicke gewinnen.
Heute können wir digitale Zwillinge für landwirtschaftliche Betriebe erzeugen, indem wir die Daten aus der realen Welt nutzen, um Simulationen und vor allem Vorhersagen zu erstellen.
Technologie kann Landwirten – unabhängig von der Größe ihres Betriebs – helfen, Herausforderungen vorherzusagen, die Produktivität und das Wohlbefinden der Tiere zu verbessern sowie die Rentabilität zu steigern, wovon sowohl die Verbraucher als auch die Wirtschaft insgesamt profitieren.
Über den Autor:
Henry Brown ist Data and Analytics Director bei Ciklum. Er verfügt über Erfahrung bei der Leitung von Datentransformationen, der Einführung von Machine Learning und Cloud-nativen Projekten in Unternehmen und Branchen wie dem öffentlichen Sektor, dem Einzelhandel, der Rohstoffindustrie, Finanzdienstleistungen und der Fertigung. Brown besitzt umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich Daten und Wertschöpfung durch Daten, darunter die Arbeit an Datenvorhersagen für das Brexit-Votum in Großbritannien 2016 und die US-Wahlen. Bei Ciklum arbeitet Brown mit Fortune-500-Unternehmen und Start-ups zusammen und hilft ihnen, durch strategische Beratung und individuelle Daten-, Analytics- und KI-Lösungen zu wachsen und Geschäftschancen zu nutzen. Er hat außerdem einen Doktortitel in Teilchenphysik der University of Liverpool, wo er am LHCb-Experiment (Large Hadron Collider beauty) beim europäischen Kernforschungszentrum CERN beteiligt war.