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Cyberangriffen mit Negative Trust begegnen
Aufgrund der Bedrohungslage sind Unternehmen gut beraten, ihre Abwehrstrategie anzupassen. Mit der Integration von Negative Trust in Zero-Trust-Umgebungen täuschen sie Angreifer.
Die Notwendigkeit eines Zero Trust-Konzepts in Unternehmen hat sich im letzten Jahr auch auf Vorstandsebene etabliert und wird nicht mehr nur von IT-Sicherheitsteams verstanden. Doch mit der größeren Aufmerksamkeit für das Sicherheitsmodell steigen auch die Bemühungen der Angreifer, diese Hürden zu überwinden - unterstützt durch die Fortschritte der künstlichen Intelligenz (KI). Demnach lautet die Prognose für 2024, dass Cyberangriffe weniger mit bewährter Malware ausgeführt werden. Stattdessen werden Angreifer IT-Tools nutzen, um unter dem Radar der Zero-Trust-Erkennung IT-Systeme zu kompromittieren.
Gelingt es ihnen, sich beispielsweise durch die Verwendung einer gestohlenen Identität Zugang zu einer Zero Trust-Umgebung zu verschaffen, müssen Unternehmen in der Lage sein, den potenziellen Schaden zu minimieren. In der Regel kommt hier die Täuschungstechnologie ins Spiel. Für IT-Sicherheitsteams ist die Täuschung von Angreifern schon seit einigen Jahren ein Teil ihrer Notfallpläne. Diese Technologie entwickelt sich jedoch weiter und wird mit Hilfe von maschinellem Lernen (ML) und von KI bald einfacher zu implementieren sein. IT-Sicherheitsteams tun demnach gut daran, in den nächsten zwölf Monaten ihre Täuschungsinfrastruktur zu überdenken und neue Methoden wie Negative Trust in Betracht zu ziehen.
Zero Trust bedeutete bisher, sich von der Welt der Netzwerkkonnektivität zu verabschieden und dafür aufbauend auf dem Prinzip des am wenigsten privilegierten Zugriffs und auf dem geringsten Vertrauen Zugangspfade abzusichern. Der Schwerpunkt lag bisher darauf, den Usern nur den Zugriff auf die vom Unternehmen genehmigten Anwendungen zu ermöglichen – und zwar nachdem dieses Risiko von einem unabhängigen Zero-Trust-Broker bewertet worden ist. Negative Trust unterscheidet sich dahingehend, dass das Vertrauen für Angreifer minimiert wird, selbst, nachdem sie den Zero-Trust-Broker passiert haben.
KI sorgt für eine sich verändernde Sicherheitslandschaft
Die Verteidiger nutzen KI und ML bereits seit 2001 zur Aufdeckung von Malware und Betrug. Seit dem letzten Jahr sehen wir allerdings, wie sich auch Angreifer zunehmend der KI bedienen – sei es in Form von Language Models, Deep Learning oder angewandter generativer KI. Neue Codierungstechniken erschweren die Erkennung von Zero Day-Angriffen erheblich. Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) helfen Angreifern beim schnellen Aufspüren von Sicherheitslücken. Sie nutzen die Ergebnisse bereits dafür, dass ihre Angriffe nicht entdeckt werden. In Anbetracht dessen müssen IT-Sicherheitsteams proaktiv agieren und generative KI stärker zur Verteidigung einsetzen und nicht nur auf maschinelles Lernen setzen.
Eine Geschichte der „Deception“
Täuschungsmanöver (Deception) sind keine neue Verteidigungspraxis – das Konzept der „Honeypots“ und „Tarpits“ als Mittel zur Erkennung oder Ablenkung unberechtigter Zugriffsversuche gibt es schon seit Jahren. Das Konzept war seiner Zeit dabei immer etwas voraus – und das ist auch wichtig. Denn im Kern ist Cybersicherheit schließlich nichts anderes, als ein Wettlauf zwischen Verteidigung und Angriff. Um in Führung zu gehen, muss eine Seite schneller sein als die andere. Dazu muss sie über bessere Daten verfügen und mehr Optionen zur Verfügung haben, um den Konkurrenten auszubremsen, Hürden zu errichten und die Energie des anderen zu verschwenden. Die Täuschungstechnologie dient dementsprechend dazu, kompromittierte Identitäten mit falschen Informationen wie gefälschten Anwendungen, Dateien oder Datenstrukturen von einem potenziellen Endpunkt fernzuhalten. Bei jedem möglichen Schritt sollten Angreifer damit konfrontiert werden, Fehler zu machen, vorzugsweise auf eine Art und Weise, die ihnen nicht verrät, dass sie auf einen Köder oder eine falsche Fährte hereinfallen.
2009 führten die RSA Labs ein Projekt durch, bei dem versucht wurde, gefälschte Passwörter in Passwortdateien einzuschleusen. Die These war, das zu schützende Asset so zu duplizieren, dass ein Angreifer nicht sicher sein konnte, welches das echte Asset war. Wenn zum Beispiel zehn Millionen Passwörter in einer Datei gespeichert sind, könnten 90 Millionen falsche Passwörter die echten schützen? Das Projekt benötigte dabei Menschen, um Algorithmen zur Erstellung gefälschter Passwörter (auch bekannt als Honeywords) zu entwickeln, und bezahlte im Anschluss „Mechanical Turks“-Farmen, um diese falschen Passwörter zu erraten. Wenn das Experiment erfolgreich verlaufen wäre, hätten diese Farmen nur eines von zehn Passwörtern erraten können. Leider waren die Erfolgsquoten jedoch am Ende viel höher. Damals erwies es sich als sehr schwierig, Täuschungstechnologien für Passwörter zu verwenden, da die Algorithmen von Menschen und nicht von Maschinen entwickelt wurden.
Gleiches Spiel, andere Regeln
Neue Technologien wie Zero Trust und KI verändern das Täuschungsspiel und bieten Unternehmen heute einen leistungsfähigeren, automatisierten und intelligenten Ansatz für Täuschungstechnologien. Wenn man beispielsweise mit Risikobewertungen auf Ebene des Users arbeitet und nach Verhaltensmustern suchen lässt, die jenseits der Norm liegen, kann man basierend darauf für diesen potenziellen Angreifer gefälschte Optionen erstellen. Diese Fälschungen sehen mittlerweile viel glaubwürdiger aus, als dies noch vor ein paar Jahren der Fall gewesen wäre. Diese Deception-Technologien können sogar zum Schein Ordner und Dateien vorgaukeln und die IT-Abteilung alarmieren, wenn darauf Zugriffsversuche erfolgen. Die Verteidiger können dem Malware-Akteur in der Unternehmensumgebung auf diese Weise realistisch aussehende, gefälschte Anwendungen präsentieren und ihn bei der Zielerreichung „richtiger“ Anwendungen verlangsamen. Sie schieben den Angreifer dann unauffällig aus dem Hauptnetz in ein digitales Repository, in dem keine der Daten echt sind. So kann eine Negative-Trust-Umgebung für Angreifer zur Falle werden und echte Daten und Anwendungen schützen.
„In einer Welt, in der Menschen mit Hilfe der künstlichen Intelligenz auch KI-gestützte Verteidigungsanlagen angreifen, gilt es das Spiel zu ändern und den kriminellen Kontrahenten durch Tricks in die Irre zu führen, um letztlich zu gewinnen.“
Sam Curry, Zscaler
Ziel von Negative Trust ist es, böswilligen Akteuren das Vertrauen in ein Asset zu verleiden. Jedes Mal, wenn sie sich in einem Netzwerk fortbewegen, besteht für den Angreifer die Gefahr, auf eine falsche Datei zuzugreifen und dabei entdeckt zu werden. Unabhängig davon, welche Daten oder Assets sie aus dem Netzwerk abziehen, können sie nicht sicher sein, ob die Daten echt sind. Auf diese Weise wird ihre Arbeit entwertet und möglicherweise ihre Zeit verschwendet.
Gegenwärtig werden in Zero-Trust-Umgebungen im Voraus solche Negative-Trust-Umgebungen geschaffen mit breit angelegten Lockangeboten für Angreifer. Künftig soll eine Negative-Trust-Umgebung um einen Angreifer herum geschaffen werden können, wenn dieser durch sein Verhalten eine Warnmeldung verursacht. Ein solch moderner Köder kann auf die Informationen zugeschnitten werden, auf die der Zugriffsversuch erfolgte, anstelle wie bislang ein ganzes System mit Dateien und gefälschten Anwendungen zu erstellen. So kann eine maßgeschneiderte und daher effektivere Täuschung entstehen, die zudem keine Rechenleistung für IT-Sicherheitsteams verschwendet.
Schlussfolgerung
Im Grunde genommen müssen IT-Sicherheitsteams fortsetzen, was sie schon immer getan haben, um das Cyberrisiko zu verringern. Allerdings kommt hinzu, dass sie ihren Gegnern weitere Hindernisse in den Weg legen und sie mit Wegscheiden konfrontieren, die Verwirrung und Unsicherheit beim Angreifer verursachen. Jeder Abzweig auf seinem Pfad durch die IT-Umgebung kann für den Angreifer zur Erkennung führen. In einer Welt, in der Menschen mit Hilfe der künstlichen Intelligenz auch KI-gestützte Verteidigungsanlagen angreifen, gilt es das Spiel zu ändern und den kriminellen Kontrahenten durch Tricks in die Irre zu führen, um letztlich zu gewinnen.
Über den Autor:
Sam Curry ist Vice President und CISO in Residence Zscaler.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.