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Beim Quantencomputing geht es um mehr als Knacken von Codes
Mit Quantencomputing ändern sich die Grenzen der Datenverarbeitung. Die strategische Technologie bietet mannigfaltige Einsatzgebiete, entsprechend wichtig ist die Entwicklung.
Staaten stufen Technologien aus verschiedenen Gründen als strategisch ein. Einige Technologien werden als Motor für wirtschaftliches Wachstum betrachtet, andere wiederum als Möglichkeit, die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten zu schmälern oder als Verteidigungsmaßnahme – teilweise auch als Weg, um wirtschaftliche oder nationale Sicherheitsvorteile zu erlangen, oder sogar als Druckmittel in Konfliktzeiten. Wir haben dies bereits bei beispielsweise Satelliten, Mobilfunknetzen, Atomenergie und Chipherstellung erlebt.
Quantencomputing ist eine neue strategische Technologie mit umfangreichen Möglichkeiten. Die Fähigkeit, Probleme zu lösen und Berechnungen durchzuführen, die kein bestehender klassischer Computer leisten kann oder jemals leisten wird, bietet eine Fülle an technischen Lösungen sowie neuen Herausforderungen.
Quantencomputer und das Thema Verschlüsselung
Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Entschlüsselung durch den Einsatz von Quantencomputern. Die weltweiten Finanzsysteme und viele Computernetze sind durch ein Verschlüsselungssystem geschützt, das einst als unüberwindbar galt. Und tatsächlich würden klassische Computer viele Jahre brauchen, um es zu durchbrechen.
Aber ein Quantencomputer, der leistungsstark genug ist, könnte den Code in wenigen Stunden knacken. Plötzlich könnten Bankkonten, Gesundheitsdaten und andere sensible Informationen offengelegt werden, was ungeahnte Folgeschäden nach sich ziehen würde. Obwohl Quantencomputer, die den Code knacken können, vielleicht erst in fünf bis zehn Jahren zur Verfügung stehen, zeichnen böswillige Akteure bereits jetzt sensible verschlüsselte Daten auf, damit sie sie in Zukunft entschlüsseln können.
Selbst wenn man die Blockchain in Betracht zieht, sind Public-to-Public-Key- und wiederverwendete Public-to-Public-Key-Hash-Adressen anfällig für Quantenangriffe, was Bedenken hinsichtlich Bitcoin und Verträgen aufwirft, die durch die Blockchain gesichert sind.
Die gleichen Technologien des Quantencomputings können auch als wirkungsvolle Verteidigungsmaßnahme dienen. Viele Unternehmen nutzen Quantentechnologie und insbesondere die Verteilung von Quantenschlüsseln, um Verschlüsselungssysteme zu entwickeln, die sehr viel schwieriger zu knacken oder zugänglich sind.
Während Unternehmen in der Tat die positiven und negativen Auswirkungen von Quantencomputern auf ihre Verschlüsselungs- und Kommunikationssysteme bedenken sollten, sollten sie sich auch darüber im Klaren sein, dass sie aus der hochentwickelten Quantencomputing-Technologie einen strategischen Nutzen ziehen können.
Strategische Anwendungsgebiete für Quantencomputing
Quantencomputer können bei der Arbeit mit riesigen Datensätzen und Modellen, die zahlreiche Variablen enthalten und sich im Laufe der Zeit stark verändern, einen entscheidenden Unterschied machen. Dies gilt für „Moonshot“-Projekte – Heilung von Krebs, Entschlüsselung des menschlichen Genoms – aber auch für alltägliche Probleme wie die Optimierung von Schifffahrtsrouten oder das Ausbalancieren persönlicher Aktienportfolios.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Energiespeicherung. Quantencomputer eignen sich hervorragend für die Simulation von chemischen und pharmazeutischen Verbindungen. Das liegt daran, dass die chemische Interaktion auf der Ebene der Quantenphysik stattfindet, und – wie der Nobelpreisträger Richard Feynman schon vor 40 Jahren feststellte – ein Quantensystem ist die beste Wahl zur Simulation von Quantenphänomenen.
Leistungsstarke Quantencomputer und die Software, die sie steuert, können zur Entwicklung besserer Batterien mit erhöhter Effizienz, reduziertem Gewicht und höherer Kapazität eingesetzt werden. Da Batterien etwa 30 Prozent der Kosten eines Elektrofahrzeugs ausmachen und eine entscheidende Rolle für seinen Nutzen spielen, könnte eine führende Rolle in der Batterietechnologie zu einer führenden Rolle bei der Elektrifizierung von Fahrzeugen, der Energiespeicherung für Gebäude und mehr führen.
Machine Learning (ML) ist ein anderes Beispiel. Ob es sich um die Verbesserung künstlicher Intelligenz (KI), die Lösung von Problemen der Proteinfaltung oder die Analyse von Bildern und Videos handelt – Länder, die führende ML-Kompetenzen entwickeln, gewinnen strategische Vorteile. Die Quanteninformatik bietet beeindruckende, neue ML-Möglichkeiten. Sie ergeben sich aus der Fähigkeit eines Quantencomputers, viel mehr Informationen laden zu können als klassische Computer, außerdem zahlreiche Berechnungen gleichzeitig durchführen und diese Fähigkeiten nutzen zu können, um neue und aussagekräftige Datenmuster zu entdecken.
Die einzigartige Fähigkeit der Quantencomputer, zahlreiche Berechnungen parallel, statt sequenziell durchzuführen, ist ideal für bessere Wettervorhersagen, genauere Bewertungen finanzieller Risiken, Rationalisierung der Lieferketten, Optimierung des Verkehrs sowie zur Verbesserung der digitalen Verteilung gemeinsam genutzter Ressourcen, wie zum Beispiel Mobilfunkfrequenzen.
Das Rennen ums Quantencomputing
Viele Staaten haben das bereits erkannt. In der Tat erleben wir ein globales „Quantum-Wettrüsten“, das Ähnlichkeiten mit dem Wettrüsten in der Raumfahrt in den vergangenen Jahrzehnten aufzeigt. China zum Beispiel investiert Berichten zufolge 10 Milliarden US-Dollar in ein nationales Quantenprogramm.
Die Europäische Union hat erhebliche Beträge zugesagt, zusätzlich zu den Beträgen, die die einzelnen Mitgliedsstaaten vorsehen. Die USA haben im Rahmen der Nationalen Quanteninitiative 1,2 Milliarden US-Dollar zugesagt, gefolgt von einer weiteren Milliarde US-Dollar an Mitteln der National Science Foundation für KI- und Quantenzentren. Andere Länder, darunter Russland, Japan, Indien, Deutschland und Frankreich, sind dabei, ihre eigenen nationalen Quantenprogramme zu entwickeln.
Angesichts der strategischen und weitreichenden Folgen einer höheren Quantencomputer-Kapazität stellt sich die Frage, was technische Überlegenheit ausmacht. Hierbei geht es um zwei Schlüsselkomponenten: Hardware und Software. Bei der Hardware für Quantencomputing geht es um die Erforschung neuer Wege zur Erzeugung hochwertiger Quantenbits – oder Qubits – und deren Integration in Maschinen mit größerer Kapazität und höherer Rechengenauigkeit.
Diese Hardware ist jedoch nutzlos ohne Software, die es den Forschern wiederum ermöglicht, ihre Algorithmen schnell in die Low-Level-Befehle zu übersetzen, die Quantencomputer zum Betrieb benötigen. Die Erstellung von Quantenschaltkreisen erfolgt heute fast ausschließlich manuell, ganz in der Nähe der eigentlichen Hardware. Da die Computer jedoch immer größer und leistungsfähiger werden, wird es für Menschen unmöglich sein, mit dem Umfang und der Komplexität von Quantenschaltungen fertig zu werden – es sei denn, sie greifen auf neue, bahnbrechende Softwareentwicklungsplattformen zurück.
Die Möglichkeiten der konventionellen Datenverarbeitung sind begrenzt: Man muss die Daten in 1 und 0 zerlegen. Quantencomputing ändert das und eröffnet damit viele neue Optionen, mit denen mehrere Variablen gleichzeitig betrachtet werden können.
„Die Fähigkeit von Quantencomputing, Probleme zu lösen und Berechnungen durchzuführen, die kein bestehender klassischer Computer leisten kann oder jemals leisten wird, bietet eine Fülle an technischen Lösungen sowie neuen Herausforderungen.“
Nir Minerbi, Classiq
Wahrung und Erhalt strategischer Vorteile erfordern eine langfristige Planung und gezielte Umsetzung. Analysten sagen, dass die USA den „5G-Krieg“ gegen China verloren haben. Können es sich die USA leisten, auch das Quantenrennen zu verlieren? Was wäre, wenn China oder eine andere Nation morgen früh eine wissenschaftlich glaubwürdige Demonstration eines Computers vorstellt, der die Verschlüsselung von Finanzdaten knackt oder ein komplexes Molekül genau simuliert? In diesem Fall würde sich die Welt über Nacht grundlegend verändern.
Faktoren beim Wettrüsten im Quantencomputing
Es gibt vier Ansätze, mit denen Staaten ihre Chancen auf einen Sieg im Quanten-Rennen erhöhen können:
Finanzielle Unterstützung für die Grundlagenforschung. So wie die NIH massiv in die HIV-Behandlung investiert haben, kann die Regierung ihre Mittel nutzen, um akademische und industrielle Forschungszentren zu ermutigen, neuartige Infrastrukturen zu entwickeln und leistungsstärkere Computer zu bauen.
Investieren Sie in Personal. Quantencomputing erfordert eine andere Denkweise bei der Softwareentwicklung. Gegenwärtig werden die meisten Quantencomputer von Personen programmiert, die über einen Doktortitel in Physik und Quantencomputing verfügen. Experten mit solchen Qualifikationen sind jedoch immer schwerer zu finden. Indem Sie die Ausbildung der nächsten Generation von Quantensoftware-Ingenieuren unterstützen und in Technologien investieren, die die Quantenprogrammierung leichter zugänglich machen, können die Staaten dazu beitragen, die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage nach Quantensoftware-Ingenieuren zu schließen.
Erschließen Sie den Markt als Erster und stoßen die Marktnachfrage damit an. Während des ursprünglichen Wettlaufs um die Raumfahrt wurde klar, dass Computer mit Hilfe von integrierten Schaltkreisen miniaturisiert werden mussten. Indem die Regierung den Kauf einer großen Menge von Produkten garantiert, so wie die US-Regierung den Kauf von COVID-Impfstoffen garantierte, bevor diese vollständig entwickelt waren, kann sie das Risiko dieser teuren Investitionen verringern.
Exportkontrolle von strategischer Technologie. ITAR (International Traffic in Arms Regulations) hat zwar seine Schwächen, konnte aber weitgehend verhindern, dass mächtige Waffentechnologie in die falschen Hände gerät.
Wir sind an einem kritischen Punkt angelangt. Warten wir nicht auf das Pendant eines „Sputnik-Moments“. Es gibt nur selten eine neue Technologie, die denjenigen, die sie sich zunutze machen können, ein solches Maß an Macht verleiht.
Über den Autor:
Nir Minerbi ist CEO und Mitgründer von Classiq. Classiq bietet eine Plattform, die bei der Entwicklung komplexer, optimierter und hardwaregerechter Quantenschaltungen und -algorithmen unterstützen soll.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.