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Wie 5G mit 700 MHz Funklöcher schließen soll
Tiefe Frequenzen unterhalb 1000 MHz sind wegen Ihrer großen Reichweite beliebt, hohe über 3000 MHz wegen ihrer flotten Datenraten. Wir zeigen 5G-Beispiele bei 700 MHz.
Anno 1992 haben die beiden damaligen Netzbetreiber Telekom D1 und Mannesmann D2 den digitalen GSM-Mobilfunk, kurz 2G, in Deutschland mit Frequenzen bei 900 MHz eröffnet. Die Mobiltelefone waren so groß wie Bügeleisen. Man konnte damit unterwegs, etwa im Freien und im Auto, dank großer, eingebauter Akkus vor allem Telefonieren, aber auch Daten übertragen – mit maximal 0,0096 MBit/s.
Der Autor dieser Story hatte damals zwei solcher Telefone, D1 und D2, und konnte damit auch in den neuen Bundesländern, etwa in Leipzig und Dresden, brauchbar telefonieren. Das war ein großer Segen, weil der Osten kurz nach der Wiedervereinigung der damaligen DDR mit der BRD ein katastrophales Telefonfestnetz hatte.
Das heißt: In kurzer Zeit konnte damals mit 900 MHz Mobilfunk eine halbwegs befriedigende Flächendeckung hergestellt werden. In der Freizeit war der Autor auch an schönen Plätzen am Chiemsee und auf dem Bayerischen Wendelstein dank Bügeleisen-Telefon dienstlich erreichbar. Das war eine zuvor nie gekannte Freiheit: Damals noch ein bisschen exotisch, heute total normal.
LTE-800 bis 50 MBit/s
Im Jahr 2010 haben Telekom, Vodafone und Telefonica O2 die ersten deutschen LTE-Netze eingeschaltet.
Zuerst mussten sie große Teile der deutschen Fläche und vor allem der deutschen Haushalte mit dem mobilen Internet versorgen. Das klappte relativ gut mit niedrigen Frequenzen im 800-MHz-Band und Download-Raten bis zu 50 MBit/s. Nach Erfüllung dieser Versorgungsauflagen durften die Provider auch größere Städte und Ballungsgebiete mit LTE bedienen, unter anderem bei 1.800 und bei 2.600 MHz.
Anfangs musste der Endkunde darauf achten, dass neue LTE-Handys und neue LTE-Router auch möglichst alle drei deutschen LTE-Frequenzen beherrschten.
Beim Start anno 2010 war LTE ein reines Datennetz. Die komplizierte Voive-over-IP-over-LTE-Telefonie kam erst später hinzu.
Die ersten LTE-Handys mussten zum Telefonieren noch auf GSM/2G oder UMTS zurückschalten. Etwas Ähnliches passiert heute gerade wieder bei 5G-Handys: Sie müssen zum Telefonieren auf LTE oder noch ältere Verfahren zurückschalten. Voice-over-5G ist noch nicht fertig.
LTE-Cat16 bis 1000 MBit/s
In den 2010er Jahren hat sich LTE stark weiterentwickelt: LTE-Cat4 schaffte im Download (DL) schon bis zu 150 und im Upload (UL) bis zu 50 MBit/s. Cat12 kann mit 600 MBit/s im DL beeindrucken. Cat16 kratzt mit 1000 MBit/s DL schon an der Gigabit-Schwelle. Und LTE-Cat18 verspricht 1200 MBit/s DL. Der Übergang zu 5G ist also fließend.
DVB-T macht Platz für den Mobilfunk
Im Jahr 2015 hat das deutsche Bundeskabinett die Neuvergabe von Frequenzen bei 700 MHz beschlossen, die bis vor kurzem für das digitale terrestrische Fernsehen DVB-T genutzt wurden. Bis 2018 mussten die TV-Sender das ältere DVB-T abschalten und auf das modernere DVB-T2 HD umschalten. Seit Juli 2019 dürfen die neuen Lizenzinhaber Telefonica, Telekom und Vodafone die alten Ex-TV-Frequenzen nun für breitbandige Mobilfunkdienste verwenden. Ersteigert wurden sie bereits 2015 für gut 5 Milliarden Euro, aber die Räumung des begehrten Bandes hat eben bis 2018 gedauert.
5G-700: TV-Empfang am 5G-Smartphone
Normalerweise braucht ein 5G-Rollout in den höheren Frequenzen ganz viele kleine Low-Power-Antennen. Das gemeinsame Forschungsinstitut von ARD und ZDF, das Institut für Rundfunktechnik (IRT) in München beweist, dass es auch anders geht, allerdings nur mit den sehr begehrten, tieferen Frequenzen bei 700 MHz: Seit Mai 2019 senden die 5G-Forscher nämlich 5G-TV-Programme von zwei High-Power-High-Tower-Antennentürmen vom Wendelstein und aus Ismaning über halb Bayern hinweg.
Zellgröße je Turm: 60 Kilometer. 5G-TODAY-Projektpartner Rohde & Schwarz sponsert FeMBMS-Transmitter für 100 kW ERP. Kathrein sponsert Antennen und umgebaute TV-Handys, weil es noch keine fertigen 5G-Handys für 700 MHz gibt. Telefonica stellt die nötige Frequenzlizenz bei 700 MHz zur Verfügung. Der Bayerische Rundfunk (BR) bringt unter anderem Programm und Know-how in das Projekt ein.
5G-Smartphone im Kinderwagen
Die Smartphones im 5G-TODAY-Test-Projekt sind zurzeit noch sehr groß und handgestrickt. Sie wurden kürzlich in einem umgebauten Kinderwagen eines kreativen Kathrein-Ingenieurs im IRT vorgeführt.
Es gab zwar schon früher Klapp-Handys mit eingebautem TV-Empfänger und ausziehbarer TV-Antenne, etwa von LG. Diese setzten sich aber damals nicht breit durch: Zu aufwändig, zu teuer, zu viel Stromverbrauch, zu kleine Displays. Künftige 5G-Handys dürften 5G-TV-fähig sein, und zwar ohne einen speziellen TV-Empfänger zu benötigen. Das macht 5G nebenbei.
5G-TV ohne SIM-Karte
Vorteil von 5G-TV: Der TV-Konsum läuft ohne SIM-Karte und ohne Mobilfunkgebühren. Der Konsum wäre wohl in den GEZ-Gebühren enthalten. Die TV-Sender (und die Nutzer) sparen sich enorme Kosten im Vergleich zu einer TV-Verbreitung über normale, kleinzellige Mobilfunknetze.
Großzelliger 5G-Broadcast und kleinzelliger 5G-Mobilfunk
Radio- und Fernsehsender sind zudem extrem ausfallsicher und ausgesprochen redundant gebaut. Sie funktionieren meist auch noch bei Terrorakten und bei Katastrophen, wenn das Mobilfunknetz längst ausfällt oder abgeschaltet wurde.
Cyber-Hacker sind im TV-Umfeld auch noch kein großes Thema. Die Systeme sind nämlich relativ geschlossen. Somit wäre eine Grundversorgung der Bevölkerung samt Katastrophen-Warnhinweisen über 5G-High-Power-High-Tower wohl besser zu gewähren als über die normalen Mobilfunkbetreiber.
In einigen Fällen musste der Mobilfunk auch schon partiell abgeschaltet werden, damit Terroristen sich nicht mehr absprechen und auch keine Bomben über Handy fernzünden können. Nachteil der 5G-TV-Sender: Sie senden One-Way, sprich Unidirektional, das heißt, sie haben keinen Rückkanal. Die fernere Vision ist aber eine Mischung beider Infrastrukturen: Großzelliger 5G-Broadcast und kleinzelliger 5G-Mobilfunk.
5G-700: Testfeld ICE und A9
Ebenfalls bei 700 MHz funkt ein 5G-Testfeld namens 5G-Connected Mobility entlang einer ICE-Schnelltrasse und auf der benachbarten Autobahn A9 zwischen Nürnberg und Greding. Vor allem Bahn und Autobauer sammeln in diesem Projekt Erfahrungen mit 5G-Anwendungen.
Der Autor dieses Beitrags hat sich das bei einer ICE-Testfahrt im Februar 2019 angeschaut: Da wurde unter anderem schon die wichtige 5G-Technik Network Slicing eingesetzt, also wie softwaredefinierte virtuelle Netze. Als Funkmedium wurde per 02-2019 aber noch 4G LTE verwendet, kein echtes 5G NR, sprich 5G New Radio. Ein kleiner Etikettenschwindel also? Nicht wirklich, denn 5G ist das große Dachkonzept und der echte 5G-Funk darf erst nach Übergabe der im Juni 2019 ersteigerten Frequenzen in voller Stärke senden. Mehr dazu in diesem Artikel.
700 MHz: Jetzt für LTE, später für 5G
Die beiden Beispiele sollen die Stärken der tieferen Frequenzen aufzeigen: Nämlich große Reichweiten mit relativ wenig Antennenstandorten. Außerdem ist der Übergang zwischen 4G und 5G fließend.
Dazu Dr. Dirk Wössner vom Vorstand der Deutschen Telekom AG beim 5G-Start-Event in Berlin am 3. Juli 2019: „Wir wollen 5G ausbauen. Wir werden 5G ausbauen. Zur selben Zeit arbeiten wir an unserem LTE-Netz. Denn eines ist klar: 5G ersetzt LTE nicht direkt morgen, sondern kommt für uns beim Ausbau ‚on top‘. Gerade für Sprachübertragung ist LTE in den nächsten Jahren weiterhin die Basis. 5G als Datenturbo steht noch nicht allein, sondern setzt technologisch auf die Vorgängertechnologie auf. Die Frequenzen des LTE-Netzes werden wir mittelfristig für 5G verwenden. Auch das wird uns dabei helfen, unsere Netzführerschaft zu verteidigen. Damit alle unsere Kunden auch bei 5G im besten Netz unterwegs sind.“
Schließung von Funklöchern mit 700 MHz
Auch Vodafone hat laut Pressemeldung vom 5. Juli 2019 sofort nach der finalen DVB-T-Räumung „die ersten LTE-Mobilfunkstationen im 700 MHz-Band in Betrieb genommen und damit seinen groß angelegten 700er-Ausbau gestartet. Im nächsten Zwischenschritt werden bereits bis Ende dieses Geschäftsjahres 200 Mobilfunkstationen mit 700-MHz-Frequenzen Bestandteil des Vodafone-Netzes in Deutschland sein. Dieses so genanntes UHF-Band (Ultra High Frequency) ist aufgrund hoher Reichweite und guter Gebäudeversorgung optimal für den Ausbau von mobilem Breitbandinternet in der Fläche geeignet. Und genau für diesen weiteren Breitband-Netzausbau und die Schließung von Funklöchern beim mobilen Internet wird Vodafone Deutschland die 700-MHz-Frequenzen künftig auch einsetzen.“
Vielleicht werden die Milchkannen und Maschinen in abgelegenen Landwirtschaftsbetrieben ja tatsächlich bald an ein 4G/5G-Funknetz angeschlossen, nicht unbedingt mit 10 Gigabit Geschwindigkeit auf 26 GHz, aber vielleicht mit einigen MBit bei 700 oder 800 MHz.