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Welche Auswirkungen die SAP S/4HANA Premium-Strategie hat

SAP ließ während der Telefonkonferenz zu den Ergebnissen des zweiten Quartals 2023 eine Bombe platzen. Bestimmte Kunden müssen künftig auf KI-Innovationen in S/4HANA verzichten.

Die Entscheidung von SAP, KI-Erweiterungen als Zusatzkomponenten zu entwickeln, die auf der Cloud-Plattform Rise with SAP verfügbar sind, verdeutlicht sowohl die Wachstumschancen für Softwareunternehmen als auch die strategischen Auswirkungen für CIOs.

Rise with SAP ist ein SAP-Softwarepaket, das auf S/4HANA Cloud basiert und SAP Business Technology Platform (BTP), SAP Business Network Starter Pack und Business Intelligence Tools sowie Optionen für das Hosting auf Alibaba, Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud umfasst.

In einer Mitschrift des Earnings Call zum zweiten Quartal vom 20. Juli 2023, die auf Seeking Alpha veröffentlicht wurde, verriet SAP CEO Christian Klein, dass das Unternehmen die KI-Erweiterungen auf diejenigen Kunden von Rise beschränken wird, die bereit sind, einen Aufpreis für die Funktionalität zu zahlen und den eigenen Cloud-Hosting-Service von SAP zu nutzen.

SAP scheint Rise, das auf SAP-Servern gehostet wird, als den besten Weg zu positionieren, um von den kontinuierlichen Verbesserungen der Datenmodelle zu profitieren, die das Unternehmen über seine Cloud-Dienste anbieten kann.

Der Grund dafür, dass die neuen KI-Innovationen den On-Premises S/4HANA-Kunden und denjenigen, die Hyperscaler für die Ausführung maßgeschneiderter SAP-Angebote nutzen, nicht zur Verfügung gestellt werden, ist laut Klein, dass die in diesen Umgebungen erstellten Datenmodelle nicht auf Rise with SAP abgestimmt sind.

Schnellerer ROI für die Digitalisierung

Während der Telefonkonferenz sprach Scott Russell, Head of Customer Success und Vorstandsmitglied, darüber, dass ein früher Return on Investment (ROI) zu den Faktoren gehört, die bei jedem Programm zur digitalen Transformation berücksichtigt werden müssen. „Hier wird KI zum Beschleuniger“, sagte er.

Laut Russell beschleunigt die Einbindung von KI die Wertschöpfung und ermöglicht es Unternehmen, schnell voranzukommen. Er erklärte, wie sich dies bei Rise auswirkt: „Für die große Zahl der Kunden, die bereits umgestiegen sind, besteht nicht nur die Möglichkeit der Transformation, sondern auch die Möglichkeit eines Premium-Uplifts. Die einfache Einführung von Innovationen ist einer der Vorteile dieses Programms.“

Russell verwies auch darauf, dass die Einbettung von KI in die Prozesse und Technologien von SAP einer der Faktoren ist, der die starke Nachfrage antreibt.

Mit Blick auf den KI-Fokus innerhalb von SAP sagte CEO Klein, das Unternehmen habe Anwendungsfälle und Prototypen entwickelt, den kommerziellen Wert gemessen, die Markteinführungsstrategie diskutiert und die Vision des Unternehmens ausgerichtet. All dies deutet darauf hin, dass SAP KI ernst nimmt, um seine Cloud-Plattform so attraktiv zu machen, dass die Anwender sie für den Betrieb ihrer S/4HANA-Systeme nutzen wollen.

Paul Cooper, Vorsitzender der UK & Ireland SAP User Group (UKISUG), wies darauf hin, dass SAP im Jahr 2020 angekündigt hatte, sein Innovationsversprechen für SAP S/4HANA bis 2040 zu verlängern. Die Verpflichtung galt damals für alle Kunden, nicht nur für die in der Cloud.

Er kommentierte die Kehrtwende wie folgt: „Es scheint, dass On-Premises-Kunden nur über die SAP Business Technology Platform (BTP) Zugang zu neuen Innovationen haben werden. Das bedeutet, dass diese Kunden effektiv doppelt belastet werden, da ihre Wartungszahlungen zur Finanzierung von Produktinnovationen verwendet werden, während sie für BTP separat bezahlen müssen. Im Vergleich dazu können Cloud-Kunden automatisch auf Innovationen zugreifen, ohne für BTP zu bezahlen. Dienste wie Rise helfen Unternehmen bei der Umstellung auf die Cloud und S/4HANA, aber es besteht die Gefahr, dass ein zweigeteiltes System für Produktinnovationen zwischen Cloud- und On-Premises-Kunden entsteht. Jeder Einsatz ist anders, aber wir halten es für wichtig, dass SAP mehr tut, um alle Kunden gleichermaßen zu unterstützen.“

Martin Biggs, Geschäftsführer des Support-Unternehmens Spinnaker Support, bezeichnete die Entscheidung von SAP als „unglaublich“ und als eine, die SAP-Kunden im Stich lässt. Biggs sagte, dass die treuen Kunden von SAP, die in den letzten Jahren viel in komplexe Migrationen investiert haben, nun gesagt bekommen, dass sie alles noch einmal machen müssen, was er als „ungeheuerlich“ bezeichnete.

Kunden, die bereits in S/4HANA On-Premise investiert haben, können nun den Eindruck gewinnen, Millionen verschwendet zu haben.
Jens Hungershausen, Vorsitzender DSAG

Jens Hungershausen, Vorsitzender der deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), schloss sich in einem Statement zu den SAP-Ankündigungen dieser Kritik an: „Wer bisher auf S/4HANA On-Premise gesetzt hat, gerät durch die neue SAP-Strategie ins Hintertreffen. Kunden, die bereits in S/4HANA On-Premise investiert haben, können nun den Eindruck gewinnen, Millionen verschwendet zu haben. Das schafft kein Vertrauen, wenn SAP den Kunden nicht gleichzeitig klare Entwicklungspfade aufzeigt, für einen reibungslosen Übergang in die Cloud und in die Next Generation ERP, ohne die getätigten Investitionen zu gefährden.“

Die DSAG hat SAP aufgefordert, eine verlässliche Aussage über die spezifischen Erweiterungen zu machen, die den On-Premises-Kunden von S/4HANA zur Verfügung gestellt werden.

Innovation rund um Rise with SAP

Früher wollte SAP der ERP-Softwareanbieter sein, der Best Practices der größten Unternehmen übernahm und sie über seine ERP-Suite jedem Unternehmen zur Verfügung stellte. Aber Kleins veränderte Taktik in Bezug auf KI wirft zahlreiche Fragen für Unternehmen auf, die prüfen, wie sie von den Premium-Funktionen profitieren können, die in Rise with SAP in der Cloud zur Verfügung gestellt werden.

Auf die Frage, ob er glaube, dass die Entscheidung von SAP die Akzeptanz von Rise erhöhen werde, sagte Biggs von Spinnaker: „Wir sehen nicht, dass irgendjemand zu Rise gehen will, um die KI-Funktionen zu erhalten. Ich glaube, sie haben erkannt, dass es andere Möglichkeiten der Integration gibt, weil es kein ERP ist.“

Mit Blick auf die SAP-Lizenz für den digitalen Zugang sagte er: „Die Kunden haben nicht alles in SAP laufen. Sie haben auch noch andere Umgebungen, und SAP hat in der Vergangenheit Gebühren für Datenquellen erhoben.“

Die Unternehmen werden auch Klarheit darüber brauchen, wie SAP die Daten in Rise nutzen möchte, um die von ihr eingesetzten Premium-Datenmodelle zu verbessern.

Jon Gill, Head of Sales bei Spinnaker Support, war zuvor bei SAP als Director für Erneuerungen und kaufmännisches Management zuständig. Seiner Erfahrung nach ist Rise with SAP nicht für jedermann geeignet. Er fragt: „Gibt es bei den größten Kunden von SAP Grenzen für die Größe und Skalierbarkeit von SAP BW [dem Data Warehouse des Unternehmens]?“

Gill bezweifelt, dass die größten Kunden von SAP in der Lage sind, von der Übertragung all ihrer Daten nach Rise with SAP zu profitieren: „Werden die wirklich großen Kunden überhaupt in der Lage sein, Rise zu nutzen, selbst wenn sie es wollten?“

Im Juli hat SAP auf seinem Support-Portal bekannt gegeben, dass es die Support-Gebühren für Kunden, die On-Premises-Lösungen einsetzen, anpasst. „Mit Wirkung zum 1. Januar 2024 wird SAP die jährliche Wartungsgebühr für die SAP-Supportverträge auf Basis des lokalen CPI moderat anpassen, jedoch nicht mehr als eine prozentuale Erhöhung von 5,0%“, heißt es in der Ankündigung (PDF).

SAP verweist darauf, dies sei eine jährliche Entscheidung, die in Abhängigkeit von regionalen und lokalen Marktbedingungen getroffen wird. 2024 ist erst das zweite Jahr in den letzten zehn Jahren, in dem diese Gebührenanpassung vorgenommen wird.

Luiz Mariotto, stellvertretender Leiter des SAP-Produktmanagements bei Rimini Street, kommentiert die Entscheidung kritisch: „Wenn SAP die Support-Kosten erhöht und Innovationen für S/4HANA On-Premises zurückhält, glauben wir, dass viele Kunden ihre zukünftigen S/4HANA-Pläne überdenken und mehr Klarheit darüber haben wollen, wie SAP ein einziges Code-Set verwalten wird, wie andere SaaS-, Cloud- und mandantenfähige Softwareanbieter wie Salesforce und Workday.“

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Ein Aktionsplan für SAP ERP

Anstatt sich ausschließlich auf SAP-Software und -Support zu verlassen, können Unternehmen den Support von Drittanbietern nutzen, um ihr SAP ERP zu verwalten. Dies ermöglicht es ihnen, Migrationspläne und Upgrades in einem eigenen Tempo zu entwickeln.

Unternehmen neigen dazu, die Softwareprodukte zu verwenden, die ihren Anforderungen am besten entsprechen. Sie entscheiden sich beispielsweise für ein anderes System zum Human Capital Management (HCM) oder Customer Relationship Management (CRM). Low-Code und ETL-Techniken (Extract, Transform, Load) können in Verbindung mit SaaS, On-Premises-Systemen und anderer kommerzieller Standard- oder maßgeschneiderter Unternehmenssoftware verwendet werden, um eine Datenintegration mit dem SAP-System des Unternehmens zu ermöglichen, unabhängig davon, ob dieses lokal, in einer Public Cloud oder über Rise with SAP eingesetzt wird.

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