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Viele SAP-Migrationen sind bereits aus dem Ruder gelaufen
Der Umstieg auf SAP S/4HANA beschäftigt aktuell viele Unternehmen. Im Interview erläutert Gerrit de Veer, Senior Vice President MEE von Signavio, zentrale Lösungsansätze.
SAP stellt den Support für die Business Suite 7 beziehungsweise ERP Central Component (ECC) im Jahr 2027 ein. Bestehenden Kunden empfiehlt das Unternehmen den Umstieg auf SAP S/4HANA. Die Kunden migrieren bisher allerdings nicht in dem Tempo, wie es sich das Softwareunternehmen erhofft. Viele CIOs verfolgen eher einen abwartenden Ansatz.
Basis einer erfolgreichen SAP-S/4HANA-Migration ist die passende Prozessperspektive. Im Interview nennt Gerrit de Veer, Senior Vice President Middle and Eastern Europe von Signavio, zentrale Herausforderungen und Lösungsansätze für den Umstieg.
SAP hat im Februar 2020 angekündigt, die Mainstream-Wartung für die Business Suite länger als ursprünglich geplant anzubieten. Wie bewerten Sie diesen Schritt?
Gerrit de Veer: Mit der Entscheidung, den Support bis 2027 zu verlängern, bietet SAP seinen Kunden mehr Zeit und mehr Sicherheit bei der Planung des Umstiegs auf SAP S/4HANA. Es gibt bereits einige gut dokumentierte Projekte, die gescheitert sind und die die Risiken eines überstürzten SAP-Go-live ohne Nutzung einer adäquaten Migrationslösung aufzeigen.
Der Großteil der Anwenderunternehmen befindet sich in der Frühphase der Planung für die Migration auf S/4HANA. Warum sind viele Firmen so zaghaft bei der Umstellung? Was sind die größten Herausforderungen bei der Migration zu SAP S/4HANA?
de Veer: Unternehmen sind deshalb so zaghaft, weil die Herausforderungen bei der Verlagerung vorhandener SAP-Landschaften auf S/4HANA vielfältig sind: vom Übergang der SAP-Systeme in die Cloud über die Migration von Betriebssystemen und Datenbanken bis hin zur eigentlichen S/4HANA-Konvertierung.
Besonders problematisch sind vor allem unternehmensspezifische Prozesse und Codes, und auch bestehende Kundenschnittstellen müssen beim Migrationsprojekt berücksichtigt werden. Migrationen sind folglich mit einem hohen Risiko behaftet. Und viele Migrationen sind bereits zeitlich, kostenmäßig und hinsichtlich Anpassungs- und Schulungsaufwand aus dem Ruder gelaufen.
Sie begleiten Unternehmen beim Übergang von älteren ERP-Anwendungen zu S/4HANA. Können Sie uns Ihre Lösungen hierfür erläutern?
de Veer: Im Mittelpunkt unseres Angebots für die schnelle und sichere Durchführung von ERP-Projekten steht die Signavio Business Transformation Suite, eine integrierte Lösungsplattform für die Modellierung, Verwaltung, Analyse und Optimierung sowie Ausführung von Geschäftsprozessen.
Die Suite beinhaltet moderne Technologien wie Prozess- und Entscheidungsmanagement, Process Mining und Customer Journey Mapping. Im Einzelnen umfasst unser Portfolio die Prozessmanagementsoftware Process Manager, die Workflow-Management-Lösung Workflow Accelerator, die Process-Mining-Lösung Process Intelligence und die Prozess-Cockpit-Lösung Collaboration Hub.
Unser Angebot für SAP-Anwender beinhaltet die auf SAP Best Practices basierende Optimierung der Geschäftsprozesse. Unternehmen können damit die Migration und die Zeit bis zur Wertschöpfung beschleunigen.
Angesichts der komplexen Anforderungen bei S/4HANA-Migrationen ist nach unseren Erfahrungswerten vor allem die Prozessperspektive für eine erfolgreiche Projektdurchführung von entscheidender Bedeutung. Das heißt, der Umstieg darf keinesfalls nur aus dem technischen Blickwinkel betrachtet werden. Es geht dabei vor allem auch um Prozesse und fachliche Themen. Deshalb müssen Fachabteilungen in die Migration involviert werden.
Welche Tipps geben Sie Unternehmen, bevor sie ein Projekt beginnen?
de Veer: Wir sehen, dass viele Unternehmen nicht über die Ressourcen für eine Migration verfügen und es oft schwierig ist, eine Migration zu rechtfertigen, gerade auch hinsichtlich der erforderlichen Budgetbereitstellung oder der ROI-Vorgaben. Genau im Hinblick hierauf haben wir unsere Lösungen entwickelt, die Migrationen vereinfachen und beschleunigen. Vor Projektstart sollten Unternehmen immer Entscheidungen zu Umfang, Planung und Steuerung einer Migration treffen. Außerdem sollten klar definierte Ziele und KPIs vorhanden sein und ein Migrationspfad sowie Kostenrahmen festgelegt werden.
Innerhalb Ihres Portfolios bieten Sie auch eine Lösung für Process Mining an. Was steckt dahinter?
de Veer: Process-Mining-Technologien ermöglichen Unternehmen, kontinuierlich auf Daten zuzugreifen und Prozessvarianten aufzudecken, die tatsächlich in den IT-Systemen laufen. Durch die Nutzung dieser datengesteuerten Erkenntnisse können Unternehmen schneller intelligentere Entscheidungen treffen. Generell ist die leistungsstarke Kombination aus Prozesserfassung, Prozessanalyse und Konformitätsprüfung die Basis für eine transparente, durchgängige und kontinuierliche Prozessverbesserung.
„Generell gewinnen Unternehmen mit Process Mining einen Einblick in ihre Prozessabläufe, ohne dass sie dabei die Kosten und den Zeitaufwand typischer Datenanalyseprojekte in Kauf nehmen müssen.“
Gerrit de Veer, Signavio
Welchen Mehrwert bietet Process Mining für Unternehmen?
de Veer: Mit einer Process-Mining-Software können Unternehmen eine tiefgehende Prozessanalyse mit den eigenen Event-Daten durchführen. Auf diese Weise können sie die Ursachen für schlecht funktionierende Prozesse identifizieren, Compliance-Verstöße erkennen und die Prozess-Performance überwachen. Process Mining ist damit auch die Basis für die Entscheidungen vor einer S/4HANA-Migration, um Erkenntnisse basierend auf Prozessdaten zu nutzen.
Generell gewinnen Unternehmen mit Process Mining einen Einblick in ihre Prozessabläufe, ohne dass sie dabei die Kosten und den Zeitaufwand typischer Datenanalyseprojekte in Kauf nehmen müssen. Durch Process Mining können ineffiziente oder ungewünschte Prozessvarianten entdeckt und eliminiert beziehungsweise optimiert werden. Je schneller ein Unternehmen erkennt, wie tatsächlich existierende Prozesse laufen, desto schneller kann es auch Änderungen vornehmen – Änderungen, die letztlich im Wettbewerbsumfeld ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal sein können.