Teradata-Klage gegen SAP: Gute Nachrichten für Kunden
Die Teradata-Klage gegen SAP wird nicht so schnell nicht zum Abschluss kommen. Doch die Vorwürfe könnten sich für manchen SAP-Kunden auszahlen.
Am 21. Juni 2018 reichte Teradata völlig überraschend eine Klage gegen SAP ein. Darin wirft Teradata SAP vor, in ein Joint Venture gelockt wurde zu sein, über das die Walldorfer illegal geistiges Eigentum und Knowhow abgeschöpft hätten.
Ein Ergebnis sei unter anderem die In-Memory-Datenbank SAP HANA gewesen. Im Detail ist die Liste der Teradata-Vorwürfe lang, doch im Wesentlichen geht es um zwei Punkte: Jahrelanger Diebstahl von geistigem Eigentum und weltweite Kartellrechtsverstöße durch SAP.
SAP HANA: schlechte Kopie
Der zweite Punkt besagt, dass SAP mindestens zehn Jahre lang seine Marktposition bei ERP-Systemen ausgenutzt haben soll, um über die Zusammenarbeit mit Teradata ein eigenes Geschäft im Bereich Enterprise Data Analytics und Warehousing (EDAW) aufzubauen. Als Hinweis auf dieses Vorgehen führt Teradata an, dass das Joint Venture genau zu dem Zeitpunkt gekündigt wurde, als SAP mit HANA auf den Markt kam.
In einer offiziellen Erklärung hieß es von Teradata: „SAP hätte niemals so schnell HANA entwickeln und vermarkten können, wenn sie nicht Geschäftsgeheimnisse von Teradata gestohlen hätten. Jetzt, da SAP das gewonnene Wissen des Diebstahls und seine Marktposition im Bereich der ERP-Anwendungen nutzt, versucht SAP uns auch aus dem EDAW-Markt zu verdrängen.“ In weiteren begleitenden Kommentaren heißt es ebenfalls, dass „SAP mit HANA eine sehr schlechte Kopie der originalen Teradata-Software auf den Markt gebracht habe.“
Was war geschehen?
Der Streit geht zurück auf das Projekt Bridge, das beide Unternehmen im Jahr 2008 ins Leben gerufen haben. Dabei sollte ein Produkt unter dem Namen Teradata Foundation entwickelt werden, mit dem sich ERP-Daten in SAP-Systemen mithilfe der Data-Warehouse-Technologie von Teradata analysieren lassen. Insbesondere ging es um die Nutzung der Massively-Parallel-Processing-Architektur (MPP), für die es innerhalb der Teradata Foundation eine Pilotinstallation gegeben haben soll. Teradata wollte damit einen Millarden-Markt erreichen.
Parallel zur Mitarbeit am Bridge-Projekt startete SAP seine eigenen Entwicklungsarbeiten an der HANA-Datenbank, um die eigene ERP-Suite unabhängiger von Oracle-Datenbanken zu machen. Doch im Mai 2011 kündigte SAP an, dass sich HANA auch für die Analyse der ERP-Daten eignet – also der Bereich, für den man das Joint Venture mit Teradata eingegangen war. Zwei Monate später wurde das Joint Venture von SAP einseitig gekündigt und eine neue Version von Business Warehouse angekündigt – auf Basis von HANA.
Entwickler nutzten fremde Software
In 2015 berichtete Der Spiegel, dass eine interne Untersuchung ergeben hätte, dass SAP-Entwickler im großen Stil geistiges Eigentum von anderen Softwarefirmen illegal nutzen. Zu den betroffenen Firmen soll auch Teradata gehören. Von dieser Meldung alarmiert, startete man bei Teradata eigene Ermittlungen. Zudem wirft man dem Konkurrenten vor, dass SAP-Entwickler Teile der Teradata-Software illegal per Reverse Engineering nachgebaut hätten.
Inzwischen empfiehlt SAP seinen Kunden, dass diese auf S/4HANAwechseln – womit Teradata komplett aus diesem Marktsegment gedrängt würde. Vor diesem Hintergrund wurde die Kartellrechtsklage eingereicht.
Erwiderung weitgehend abgeschmettert
SAP gab im August 2018 eine Erwiderung auf die Klageschrift von Teradata. Darin behauptet SAP, dass die Argumente der Klage haltlos sind. Der wahre Grund sei vielmehr, dass Teradata „hoffnungslos hinter der Konkurrenz zurückgefallen sei“. Abschließend forderte SAP die Klage zu verwerfen.
Im Dezember 2018 wies das Gericht die SAP-Erwiderung bis auf einen Punkt zurück. „In der Klage wird behauptet, dass SAP Geschäftsgeheimnisse gestohlen habe, hier sind genaue Angaben darüber erforderlich, um welche Geheimnisse es sich handelt, und ob diese nicht allgemein bekannt sind“, schrieb Richter William Orrick in seiner Begründung.
Normalerweise werden derartige Stellungnahmen hin und her geschickt, ohne dass ein Gerichtstermin anberaumt wird. Eine übliche Verzögerungstaktik an US-Gerichten. Damit soll erreicht werden, dass sich die Parteien in einem Vergleich einigen. Bei einer solchen Einigung wird in der Regel kein Geld gezahlt, sondern nur eine gegenseitige Vereinbarung getroffen, in der eine Änderung der bisherigen Geschäftspraktiken beschlossen wird. Auch bei diesem Verfahren wird es noch lange dauern, bis ein Termin anberaumt oder eine Einigung erzielt wird.
Kunden können den Rechtsstreit nutzen
Doch parallel zu dem noch laufenden Gerichtsverfahren zeichnen sich schon jetzt mehrere positive Effekte für SAP-Kunden ab. Voraussetzung ist allerdings, dass sie genau wissen, worum es bei dieser Klage geht und was die gegenseitigen Argumente sind.
Nur auf den ersten Blick handelt es sich bei dieser Klage um einen der üblichen Streitigkeiten im Bereich des geistigen Eigentums. SAP verhandelt derzeit mit vielen Kunden über die Umstellung auf S/4HANA – da sind bestehende Rechtsunsicherheiten keine gute Ausgangslage für SAP.
Viele Rechtsexperten empfehlen SAP-Kunden, ihren gegenwärtigen Vorteil so weit wie möglich auszureizen. Die Beratungsagentur UpperEdge hat dazu Empfehlungen für SAP-Anwender erarbeitet. Nachfolgend einige Auszüge daraus.
Kurzfristig: Verweis auf Bundling
Der erste Rat basiert auf folgenden Argumenten: Teradata behauptet, dass SAP sein ERP-Produkt nur als Paket mit seinem Enterprise Data Warehouse (EDW) anbietet. Das heißt, dass SAP nur beide Produkte zusammen verkauft, auch wenn der Kunde nur eines benötigt. Das aber sei illegal. SAP-Kunden können sich dieses Argument zunutze machen. Das heißt, sie können argumentieren, dass das SAP-Angebot zu teuer ist, da man beide Produkte kaufen muss, auch wenn man nur eines benötigt. Doch hier ist Eile geboten, denn das Unbundling dürfte eine der ersten Maßnahmen von SAP sein, um die Teradata-Klage abzuschwächen.
Langfristig: Wechselkosten vergleichen
Der zweite Rat ist langfristig ausgerichtet: Teradata behauptet, dass SAP-Kunden aufgrund der hohen Umstellungskosten keine echte Chance für einen Wechsel zu einem anderen ERP-Anbieter haben. Hinzu kommt die kurze Zeitspanne, die SAP-Kunden zum Wechsel auf S/4HANA vorgegeben ist. Zwar bestreitet SAP beides, doch die Walldorfer müssen vor Gericht darlegen, wie und zu welchen Kosten ein Kunde zu einem anderen ERP-Anbieter wechseln kann.
Diese Ausführungen lassen sich dahingehend nutzen, indem Kunden die Wechselkosten und –zeiten dem Umstellungsaufwand für S/4HANA gegenüberstellen. Damit gerät SAP in eine Zwickmühle. Wird der Umstellungsaufwand als gering dargestellt, drückt SAP die eigenen Preise. Im umgekehrten Fall würde man aber den Ausführungen von Teradata folgen.
Eine weitere Option ist schließlich, dass SAP den Support-Zeitraum für die bestehenden ERP-Systeme verlängert. Dafür spricht, dass man den Support für die Installationen, die unter anderem mit Oracle-Datenbanken laufen, bis 2025 verlängert hat. Ursprünglich sollte dieser Support bereits 2017 eingestellt werden.