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Mit digitalen Zwillingen IoT-Technologie simulieren

Durch den Einsatz von digitalen Zwillingen können IoT-Probleme wie Geräteinteraktionen, Entwicklung und Product Lifecycle Management gelöst werden.

Falls Sie noch nie von einem digitalen Zwilling gehört haben – hier eine kurze Erklärung: Ein digitaler Zwilling oder digital Twin ist eine virtuelle Repräsentation eines physischen Objekts. Er lässt sich beim Produktdesign, bei Simulationen, beim Monitoring sowie bei Optimierung und Instandhaltung einsetzen. Besondere Relevanz hat der digitale Zwilling aktuell für das Industrial Internet of Things (IIoT).

Die Idee, dass ein „Ding“ aus der realen Welt digital im Cyberspace repräsentiert wird – quasi einen digitalen Zwilling hat – mag seine Wurzeln in William Gibsons Roman Neuromancer von 1984 haben. Wenn Unternehmer heute im Umfeld des Internet der Dinge von digitalen Zwillingen sprechen, meinen sie etwas anderes. In diesem Fall ist der Prozess der digitalen Produktgestaltung und der ausdrücklichen Verknüpfung des hergestellten Produktes mit seiner Designrepräsentation gemeint. Etwas, das Entwickler im Umfeld von Industrie 4.0 gerade erst in den Griff bekommen.

Ein digital Twin Technologieansatz kann im IoT-Umfeld folgendes erleichtern:

Ein Flugzeughersteller nutzt beispielsweise digitale Zwillingstechnologie von Swim.AI zur Überwachung, Analyse und Optimierung des Bestandsmanagements. Dafür werden Daten von Tags an verschiedenen Komponenten verwendet.

Xcel Energy, ein großes US-amerikanisches Elektrizitäts- und Erdgasunternehmen, hat eine digitale Zwillingsapplikation mit der Predix-Plattform von GE implementiert. Das Ziel dabei ist, die Effizienz für das Tracken von Informationen für Hunderte von Mitarbeitern zu erhöhen. Dies reduziert den Zeitaufwand für das manuelle Aktualisieren von Daten und Anwendungen. Der Einsatz der Technologie hat die Leistung von Anlagen transparenter gemacht und ermöglicht nun eine einfache Übersicht über die Best Practices im gesamten Unternehmen.

Digitale Zwillinge verbessern die Entwicklung, indem sie es Entwicklern erlauben, die abstrakte Version eines Geräts mit Programmanweisungen direkt zu manipulieren. Dazu werden unter dem Zwillingskonzept die Daten und der Maschinenzustand des Originals auf den physischen Zwilling transferiert. Der unmittelbare Fokus liegt dabei auf der Anwendungslogik und nicht auf den Details der Kommunikation mit dem Gerät. Die IoT-Greengrass-Technologie von Amazon Web Services (AWS) ermöglicht es Entwicklern zum Beispiel, einen digitalen Zwilling – im Amazon-Jargon „Device Shadow“ – zu kodieren.

Mit digitalen Zwillingen kann das Product Life Management des IoT-Geräts verbessert werden, indem IoT-Daten mit Daten aus CRM- und ERP-Systemen sowie Produktspezifikationen aggregiert werden. Dies erleichtert Produktmanagern und Ingenieuren Dinge wie Design, Kundenzufriedenheit, Geräteleistung und Gerätezuverlässigkeit zueinander in Beziehung zu setzen.

IoT ermöglicht umfassendere Modellierung

Die Idee der virtuellen Repräsentation der realen Welt ist so alt wie maschinelles Rechnen selbst. In der Industrie konzentrierten sich die ersten Modelle jedoch auf spezifische Probleme, die auf Anlagen zugeschnitten waren.

„Dieser enge Fokus beschränkt die Lösungen, die diese Modelle verwenden, auf bestimmte Bereiche und eine enge Klasse von Assets“, sagt Patric McElroy, Vice President und Chief Software Engineer bei GE Power. „Dadurch wird die Anwendbarkeit dieser Modelle ebenso reduziert wie die Fähigkeit, einen differenzierten Kundennutzen durch echte End-to-End-System- oder Netzwerkoptimierung zu erzielen.“

In der Energiewirtschaft beispielsweise lag der Fokus traditionell nur auf einem Teil des Netzes – und nicht auf dem Gesamtsystem selbst. Moderne digitale Zwillingstechnologie, die Daten aus verschiedenen Systemen einbringt, kann den Ingenieuren nun helfen, die unterschiedlichsten Ziele zu erreichen. Sie können es auch einfacher machen und mit Machine Learning einen breiteren Datensatz korrelieren, um Beziehungen zwischen Assets zu betrachten und eine echte Optimierung auf Netzwerkebene zu ermöglichen. Querverweise erleichtern außerdem die Erkennung und Korrektur von Anomalien.

Verstehen

Digitale Zwillinge können es einfacher machen, Daten von mehreren IoT-Geräten für das industrielle IoT zu nutzen und miteinander zu korrelieren. Unternehmen können Maschinen mit Sensoren ausstatten, die Betriebsdaten erfassen. Diese spiegeln dann die Maschinen im Kontext der Umwelt als Ganzes wider.

„Mit einem digital Twin können Sie diese Datensätze konsolidieren und analysieren sowie Produktionsprozesse in der virtuellen Welt abbilden“, sagt Gerald Glocker, Director und Chief Product Owner für Engineering Cloud Services bei der Bosch Software Innovations GmbH. Machen sich im Laufe der Zeit Abweichungen in der Leistung bemerkbar, können die Hersteller aktiv werden und ihre Produktionsprozesse optimieren.

Die digitale Zwillingstechnik kann auch im Kontext eines vernetzten Gebäudes eingesetzt werden. Zum Beispiel können Planer anhand von historischen oder vergleichenden Daten die Nutzung eines Gebäudes simulieren und Änderungen der Gebäudekonstruktion testen. Dies kann die Aufmerksamkeit auf Räume lenken, die Energie verschwenden oder selten genutzt werden, sagt Glocker.

Umwelt-Zwillinge

Digitale Zwillinge müssen sich nicht auf die Produktion und designbare, herstellbare Produkte beschränken. Die Modellierung von digital Twins wird beispielsweise auch eingesetzt, um interaktive Modelle der Erde zu erstellen. Damit können Unternehmen bessere Vorhersagen treffen und ihre Prozesse entsprechend ausrichten.

Descartes Labs baut beispielsweise ein solches Modell auf. Das Modell führt Daten von Satelliten, Logistikdaten von IoT-Geräten auf LKWs und anderen Quellen zusammen, um die Warenproduktion mit den Unternehmensprozessen zu korrelieren und zu optimieren. Fritz Schlereth, Head of Product bei Descartes Labs, sagt: „Indem man simuliert, was auf dem Planeten passiert, kann man die verschiedensten Dinge prognostizieren: zum Beispiel die Produktion und Nachfrage eines Produkts während die dafür notwendigen Rohstoffe erzeugt werden, die Ersatzprodukte innerhalb der Lieferkette oder die Veränderungen globaler als auch lokaler Art zwischen Lieferant und Verbraucher.“

Anwendungsfälle für digitale Zwillingstechnologie

Simon Crosby, CTO bei Swim.AI, sagt, dass digitale Zwillinge in vielen Industriezweigen eingesetzt werden können:

  • Industrieunternehmen für die Predictive Maintenance: Mit komplexen industriellen Setups können digitale Zwillinge automatisch generiert, Anomalien identifiziert und ihre zukünftige Leistung vorhergesagt werden.
  • Fertigung für Asset Tracking und Produktionslinien: Hunderttausende von RFID-gekennzeichneten Objekten lassen sich verfolgen, um ihre Position im 3D-Raum zu bestimmen und automatisch festzustellen, ob eine komplexe Baugruppe die richtigen Teile enthält.
  • Verkehrswesen: Digitale Zwillinge von Ampeln, Verkehrsströmen, Fahrzeugen und Fußgängern ermöglichen bessere Informationen und Vorhersagen über den tatsächlichen Verkehr in den Städten.
  • Kabel-Set-Top-Boxen: Set-Top-Boxen in Haushalten verwenden oft mehrere Technologien (Wi-Fi, Bluetooth und Ethernet, um nur einige zu nennen) und haben oft Probleme mit Gebäuden, Konnektivität und kollidierenden Netzwerken. Digitale Zwillinge können vor Ort lernen und helfen, die Leistung zu Hause zu verbessern.
  • Connected Cars: Vernetzte Fahrzeuge liefern viele Informationen über ihre Leistung, Wartung und Umgebung. Digitale Zwillinge können im Auto vor Ort eingesetzt werden, um Fahrer, Passagiere, Versicherer und Fahrzeughersteller besser zu informieren.
  • Intelligente Städte (Smart City): Neue Geräte, Sensoren und Zähler ermöglichen eine wesentlich bessere Verfolgung des Ist-Zustandes einer Stadt. Digitale Zwillinge können bessere Bürgerinformationen, intelligente Stromnetze, intelligente Beleuchtung, intelligentes Parken und eine Vielzahl neuer Dienste bereitstellen.
  • Gesundheit und persönliche Geräte: Die Menge von neuen Daten auf persönlichen Endgeräten nimmt rapide zu. Digitale Zwillinge können lokal verwendet werden, um Daten schnell zu verstehen und zu interpretieren, was ein besseres Monitoring und Feststellen von Änderungen ermöglicht.

Nützliche Modelle müssen es Entwicklern ermöglichen, die globalen Möglichkeiten des digitalen Zwillings zu nutzen. Sie müssen auch über dieselbe API zugänglich sein und historische Daten berücksichtigen. Die Modelle sollten zudem kontinuierlich weiterlaufen, um neue Erkenntnisse zu berücksichtigen und intelligenter zu werden.

„Der Schlüssel für die Nutzbarmachung eines digitalen Zwillings liegt darin, die Daten so zu bereinigen, dass sie für den wissenschaftlichen Gebrauch geeignet sind“, sagt Schlereth. „Außerdem sollten die Daten so indiziert werden, dass sie durchsuchbar sind. Um die Daten durchsuchbar zu machen, müssen Metadaten gespeichert werden, die jedes Bild beschreiben und effizient indizieren.“

Entwicklung

Digitale Zwillinge können auch einen Abstraction Layer für Entwickler bieten, um die sichere Codierung von IoT-Anwendungen zu erleichtern. Ian Skerrett, ein unabhängiger IoT-Marktberater, sagt: „Die Relevanz eines digitalen Zwillings für die Entwicklung liegt darin, dass er die Integration des physischen Geräts in andere OT/IT-Systeme ermöglicht. Eine gute API erleichtert es Entwicklern, diese Art der Integration durchzuführen.“

Mit Bosch IoT Things können Anwendungen zum Beispiel digitale Zwillinge ihrer IoT-Geräte verwalten. Die Applikationen können die Daten, Eigenschaften und Beziehungen ihrer Domain Assets speichern und aktualisieren und werden über klar definierte APIs zu allen relevanten Änderungen informiert. Diese APIs werden über HTTP, WebSocket und AMQP bereitgestellt.

Ein solcher Ansatz macht es einfacher, digitale Zwillinge von IoT-Geräten zu verwalten und zu organisieren, Dinge anhand ihrer dynamischen Eigenschaften oder statischen Attribute zu finden und sicher mit ihnen zu kommunizieren. Bosch hat diese Fähigkeiten in das Open Source Eclipse IoT Framework Eclipse Ditto integriert. Für Entwickler bedeutet dies, dass die APIs von Eclipse Ditto vollständig mit den APIs von Bosch IoT Things kompatibel sind. Das bringt viel Flexibilität, Nachhaltigkeit und Vertrauen.

Skerrett sagt, dass Unternehmen die Offenheit ihrer digital-Twin-Technologie erkunden sollten, um langfristig einen Wert zu schaffen. Er erklärt: „Viele der bestehenden industriellen Anbieter verfügen über Simulationsmöglichkeiten und bezeichnen diese als digitale Zwillinge. Der nächste Schritt sollten bessere Entwickler-Tools sein, um digitale Zwillinge unabhängig von technischer Software zu erstellen, wie zum Beispiel computergestützte Designsysteme. Sollen digitale Zwillinge zu einem allgemeinen Branchenkonzept werden, muss auch an einer konsistenten Definition von Fähigkeiten und APIs gearbeitet werden.“

Product Lifecycle Management (PLM)

Ein weiterer Anwendungsfall für die von PTC favorisierte digitale Zwillingstechnologie liegt in der Korrelation von Gerätedaten über den gesamten Lebenszyklus des Geräts. Francois Lamy, Vice President of PLM Solutions Management bei PTC, sagt: „Für uns kombiniert ein digitaler Zwilling Daten aus dem Gerät mit der Produkterfahrung. Die Produkterfahrung kann sich in der Aggregation von Daten aus Konstruktionsartefakten, Handbüchern, Service- und Ersatzteilinformationen niederschlagen. Die Daten können aus Engineering-Anwendungen, CRM-, ERP- und Servicemanagementanwendungen stammen.“

Digitale Zwillinge für PLM können dazu beitragen, den Mitarbeitern ebenso wie Produktmanagern und Ingenieuren, die an neuen Geräten arbeiten, neue Erkenntnisse zu liefern.

Zum Beispiel kann ein Automobilhersteller anhand von IoT-Daten feststellen, dass Autofahrer in der Schweiz wegen der dortigen Berge schneller auf die Bremse treten. Lamy sagt: „Das ist an sich nicht bemerkenswert. Aber wenn ich diese Informationen in den Kontext meines Designs stellen kann, kann ich mich auf die tatsächliche Verwendung des Produkts konzentrieren.“

Aus dieser Perspektive bietet der digitale Zwilling eine kohärente Sicht auf das Produkt. Es muss aber auch herausgefunden werden, wie man Daten aus diesen verschiedenen Systemen in einer Weise orchestrieren kann, die für Ingenieure, Manager und Mitarbeiter in ihrem eigenen Kontext nützlich ist. Dazu braucht es laut Lamy ein „Protokoll-Bridging“ über verschiedene Technologien und Schnittstellen. „Das große Problem ist, dass man in einem Meer an Daten schwimmt und in verschiedenen Silos eingeschlossen ist“, sagt Lamy.

Die Einsatzgebiete digitaler Zwillinge sind vielfältig und nicht auf eine bestimmte Branche oder einen bestimmten Bereich beschränkt. Sie können für eine Vielzahl von Szenarien genutzt werden. Einerseits gibt es digitale Zwillinge, die nur einen einzigen Sensor in einem Gerät modellieren und darstellen. Auf der anderen Seite gibt es digitale Zwillinge, die einen ganzen Campus von Gebäuden mit vielen Aspekten bezüglich Energie, Nutzung, Topologie und mehr modellieren.

Was kommt als Nächstes?

Für die Einführung und Nutzung von digitalen Zwillingen besteht zweifellos ein großes Potenzial. Viele Unternehmen evaluieren bereits Anwendungsfälle und versuchen herauszufinden, in welchen Bereichen die E-Twins für sie von Nutzen sein können. Die Anforderungen an die Technologie werden künftig steigen: „In den kommenden Jahren erwarten wir höhere Kundenanforderungen an die Modellierung von Zwillingen. Sie wird Semantik und Simulation einschließen“, ist Glocker überzeugt. 

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