IBM öffnet KI-Engine Watson für Drittanbieter-Plattformen
IBM ist beweglicher geworden. Auf der IBM Think zeigte sich das Unternehmen flexibler und umfassender auf neue Marktgegebenheiten vorbereitet.
Die Kundenveranstaltung IBM Think stand 2019 im Zeichen der weiteren Öffnung des Unternehmens. Das betraf vor allem die anstehende Integration des Open-Source-Anbieters Red Hat, aber auch erweiterte Cloud-Angebote sowie die Freigabe der KI-Engine Watson für verschiedene Plattformen von Drittanbietern, darunter Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure.
Public Cloud, Private Cloud, Multi Cloud – alles unter einer Konsole
Bei den Cloud-Angeboten setzt Big Blue den Fokus auf Hybrid- und Multi-Cloud-Umgebungen. Lokale Hardware stellt dabei nur noch eine besondere Form der verschiedenen Plattformen dar. Ein Paket von über 20 einzelnen Neuheiten wurde zu den verschiedenen Cloud-Angeboten vorgestellt.
Damit adressiert IBM drei Bereiche: Integration und Management von Anwendungen und Daten in Multi-Cloud-Umgebungen; End-to-End Services für eine vereinfachte Ressourcenverwaltung über mehrere Cloud-Plattformen hinweg; und, verschiedene Querschnittsdienste, zum Beispiel für Security, Compliance sowie Entwicklungs- und Operations-Standards.
IBM unterstützt dabei Multi-Cloud-Umgebungen nicht nur aus der Perspektive der Kunden, die heute bis zu 20 verschiedene Cloud-Plattformen im Einsatz haben, sondern auch in Form von direkten Kooperationen mit anderen Cloud Providern.
Ein Beispiel ist die Kooperation mit Salesforce. „Wir sind der größte Salesforce-Implementierer und Salesforce ist einer unser größten Watson-Anwender“, sagte IBM CEO Ginni Rometty in einem Gespräch am Rande der IBM Think.
Offenes wird geschäftstauglich
Der überwiegende Teil der neuen Multi-Cloud-Strategie basiert jedoch nicht auf direkten Kooperationen mit anderen Anbietern, sondern auf dem umfangreichen Produktportfolio von Red Hat. Hierüber sprach Rometty in ihrer Keynote mit Red Hat CEO Jim Whitehurst.
Dan Kirsch Hurwitz & Associates
„Als Open Source Provider sind wir es gewohnt, verschiedene Technologien Business-gerecht aufzubereiten und komplett zu betreuen“, antwortete er auf die Frage nach dem speziellen Know-how von Red Hat. Das betrifft auch andere Technologiefelder, zum Beispiel künstliche Intelligenz (KI). „Viele KI-Algorithmen sind frei verfügbar und es gibt verschiedene Open-Source-Programme hierzu. Der entscheidende Punkt dabei ist die Anwendung dieser Systeme und Techniken in einem entsprechenden Business Case – genau da setzen wir mit unseren Erfahrungen an.“
Watson Anywhere für Drittanbieter-Plattformen
Ein weiterer deutlicher Hinweis auf die neue Multi-Vendor-Strategie von IBM ist die Ankündigung von Watson Anywhere. Über das Angebot soll Watson auch auf anderen Cloud-Plattformen und On-Premises verfügbar sein. Das zielt insbesondere auf die Azure- und AWS-Plattformen ab, mit denen Big Blue im Cloud-Markt konkurriert.
Das neue Angebot besteht aus Watson Assistant und Watson OpenScale und ist mit Cloud Private for Data (ICP for Data) integriert. ICP for Data basiert auf den Open-Source-Technologien Kubernetes sowie Cloud Foundry.
Vorerst sind zwar nicht alle Watson-Services für alle Drittanbieterplattformen verfügbar, doch die entsprechenden Erweiterungen sollen kommen. „Wir müssen KI dorthin bringen, wo die Daten sind“, sagte Bala Rajaraman, CTO for Cloud Platform Services bei IBM, auf einer Pressekonferenz.
„IBM folgt mit seiner KI-Öffnung den Anforderungen seiner Kunden, die nicht mehr in proprietäre Welten eingesperrt sein wollen“, sagt Dan Kirsch, Managing Director bei der Consulting-Agentur Hurwitz & Associates über diesen Schritt.
Warum wechseln?
Wie die neue Öffnung im Markt aufgenommen werden wird, muss sich aber noch zeigen. Die Hauptkonkurrenten haben sowohl beim Managen von Multi-Cloud-Umgebungen, als auch im Bereich KI weitreichende eigene Lösungen im Angebot. Wer zum Beispiel Amazon mit seinen umfangreichen Angeboten nutzt, benötigt gute Gründe, um auf IBM zu wechseln. Ähnlich verhält es sich bei den Kunden von Microsoft und Google.
Genau genommen ist die neue KI-Strategie von IBM eine 180-Grad-Wende. Bislang hatte man versucht, gerade mithilfe von KI proprietäre Strukturen aufzubauen. Noch vor zwei Jahren sagte Martin Schroeter, Senior Vice President IBM Global Marketing: „Watson ist unsere Technologie, und unsere Technologie läuft nur auf unserer Cloud.“ Damit wollte man sich damals vor allem gegen Amazon und Microsoft durchsetzen. Doch die Rechnung ging nicht auf. Im Gegenteil: IBM ist beim Cloud-Marktanteil weiter zurückgefallen.
Großer Abstand zu AWS
Viele Analysten bewerten deshalb den jetzigen Schritt als notwendig. „Die neue Strategie ist ein Eingeständnis von IBM, dass Amazon, Microsoft und Google die Führung bei Cloud-basierter KI übernommen haben“, sagt Nick Patience, President der 451 Research Group.
Die IBM-Zahlen bestätigen seine Aussage: So ging der Umsatz mit IaaS- und Hosting-Diensten im vorigen Geschäftsjahr um 3,6 Prozent auf 34,3 Milliarden Dollar zurück. Wie groß der IaaS-Marktanteil von IBM ist, lässt sich daraus aber nicht ablesen, denn darin sind auch traditionelle Hosting-Angebote enthalten. IaaS-Marktführer ist weiterhin AWS: Deren Marktanteil liegt inzwischen bei 51 Prozent.
Blockchain auf sechs Rechenzentren
Ein weiteres Thema auf dem diesjährigen Think war schließlich Blockchain und passende Use Cases. So meldete die kanadische Tochtergesellschaft von Boehringer Ingelheim, dass man die Blockchain-Technologie von IBM zur Evaluierung der Arzneimittelentwicklung und Kliniktests einsetzen möchte. Das soll auf dem in Toronto installierten IBM Hyperledger erfolgen.
Toronto ist eines von fünf Rechenzentren, über die IBM Blockchain-Anwendungen anbietet. Die anderen vier befinden sich in Tokio, London, Dallas und Sao Paulo. Demnächst soll ein sechstes Data Center in Australien ans Netz gehen. Die IBM Blockchain basiert auf dem Hyperledger-Projekt der Linux Foundation – ist also ebenfalls Open Source.