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Flexible Rohrleitungen für innovative Rechenzentren
Mit den steigenden Preisen für Strom und somit Kühlung finden Rechenzentrumsbetreiber kreative Lösungen für Serverstandorte. Flexible Rohrsysteme helfen bei der Umsetzung.
Einer der größten Kostenpunkte von Rechenzentren ist der Strom. Der Druck auf die Betreiber, möglichst energieeffiziente Anlagen zu bauen, ist daher nicht nur moralischer Natur, sondern auch finanzieller.
Seit Jahren werden daher Konzepte für außergewöhnliche Rechenzentren gehandelt, die vor allem ein Problem lösen sollen: dass herkömmliche, mechanisch gekühlte Data Center auf der einen Seite hohe Energielasten benötigen und zeitgleich die abgegebene Wärmeenergie ungenutzt bleibt.
Eine Lösung ist dabei der Einsatz von sogenannter freier Kühlung – das bedeutet, dass der Standort eines Rechenzentrums optimale Kühlung gewährleistet. Entweder, das Rechenzentrum wird an einem kalten Ort gebaut oder im Wasser versenkt, oder eine Kühlanlage pumpt Kaltwasser aus einer nahegelegenen Quelle an, um die Kühlflüssigkeit oder Luft herunterzukühlen. Die Vorteile liegen auf der Hand: der Strombedarf für das Herabkühlen des Wassers entfällt und es ermöglicht einen effizienteren Wärmeabtransport als Luft.
Solche Rechenzentren werden immer interessanter, weil die Leistungsdichte mit modernen Anwendungen zunimmt. „Die Leistungsdichte in Rechenzentren ist in den letzten Jahren stets gestiegen und wird wahrscheinlich weiterhin steigen. Im Moment sind wir bei ungefähr 10 kW für einen traditionellen Aufbau. Bei Anwendungen mit künstlicher Intelligenz (KI), High Performance Computing (HPC) oder Maschinellem Lernen gibt es aber schon jetzt Racks mit 40-80 kW“, sagt Don Mitchell, Data Center Division Manager bei Victaulic. Das Kühlsystem muss dafür ausgelegt sein, auch diese Implementierungen zu bedienen.
Green Mountain Stavenger – Colocation in den Fjodern Norwegens
Eines der Projekte des amerikanischen Rohrsystemherstellers Victaulic ist das Rohrleitsystem in Stavanger. Green Mountain bietet in Stavanger Colocation-Dienste in einem ehemaligen NATO-Munitionslager an, das direkt an einem Fjord gelegen ist. Der Einsatz als Colocation-Zentrum und die örtlichen Gegebenheiten führen in Kombination zu einer großen Herausforderung.
Stavanger ist direkt in den Berg gebaut. Das bedeutet, dass die Kühlinfrastruktur sich an das Gebäude anpassen muss und der Betreiber bei jeder Erweiterung und bei jedem Umbau die im Unterboden verlaufenden Wasserrohre nach Maß anpassen lassen muss.
Stavanger war laut Mitchell aus mehreren Gründen eine Herausforderung. Durch den starren, vorgegebenen Raum muss das Rohrsystem nach Maß gefertigt werden. Zweitens muss es schnell implementierbar sein, weil Kunden nicht allzu lange auf ihre Colocation-Ressourcen warten sollen. Drittens muss sich der Aufbau im Nachhinein ändern lassen. Das Rohrsystem in Stavanger verstößt deshalb gegen das, was Mitchell als eine feste Tradition der Rechenzentrumsinfrastruktur beschreibt: „Rohre müssen geschweißt werden“.
Stattdessen sind die Rohre von Victaulic nicht fest verbunden, sondern miteinander verkoppelt. Das hat gleichzeitig den Vorteil, dass Victaulic sie außerhalb des Rechenzentrums baut und bereits fertig anliefert, so dass weniger Mitarbeiter sie in kürzerer Zeit installieren können.
Die Zukunft der Rechenzentrumskühlung
Don Mitchell sieht nicht zuletzt wegen der rechenintensiven Trends wie KI-Anwendung eine rosige Zukunft für Flüssigkühlung in Rechenzentren – sei es mit direkter Immersion oder wie bei Stavanger der Abkühlung von Luft durch Flüssigkeiten.
So kommen GPUs (Graphics Processing Unit, Grafikprozessor), die eine starke Affinität zur Flüssigkühlung haben, immer öfter für Data-Center-Anwendungen zum Einsatz und auch am Edge bietet sie sich an, da Flüssigkühlung platzsparender umzusetzen ist. Microsoft experimentiert beispielsweise mit Miniaturrechenzentren, die auf dem Meeresboden versenkt werden, um in Küstenregionen als Edge zu fungieren.
„In jüngerer Zeit ist Flüssigkühlung immer praktikabler geworden und das Open Compute Project (OCP) betrachtet es schon seit vier Jahren als Standard“, so Don Mitchell. Voraussetzung für den zukünftigen Erfolg sei jedoch, dass die Industrie mittels fester Standards – besonders für Spezifikationen von Racks – Konsistenz schaffe. In einer Partnerschaft mit Rittal und dem OCP arbeitet Mitchell deshalb daran, dass Flüssigkühlung zugänglicher und günstiger wird.
„Rechenzentren sind auf 25 Jahre ausgelegt, basieren aber auf einer Dreijahres-Vision. Flüssigkühlung wird sich durchsetzen und Standards für Flexibilität und Verlässlichkeit sind der Schlüssel dazu.“
Don Mitchell, Victaulic
„In vielen Einsatzbereichen wird auch weiterhin hauptsächlich mechanische Kühlung der Luft zum Einsatz kommen“, sagt Mitchell. „Doch das Interesse an Flüssigkühlung steigt. Rechenzentren werden mehr als 20 Jahre alt und die IT-Landschaft ändert sich alle 3-5 Jahre. Die Industrie muss auch bei der Kühlung in die Zukunft denken.“
Nicht zuletzt müssen Rechenzentrumsbetreiber darüber nachdenken, wie sich die Abwärme weiter nutzen lässt. Bei Stavanger fließt die Abwärme im Moment wieder zurück in den Fjord – wobei bisher keine negativen Auswirkungen nachweisbar sind.
Doch das muss nicht überall so laufen. Mit warmer Abluft ließen sich beispielsweise Gewächshäuser in der Nähe heizen, während aufgeheizte Kühlflüssigkeit wegen der höheren Temperaturen und besseren Leitfähigkeit auch Wohngebäude erwärmen könnte. Solche Konzepte werden bekanntermaßen schon seit längerem besprochen, aber nur selten umgesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass die Arbeit des Open Compute Project dazu beiträgt, dass sich das ändert.