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Dynamics ERP: Microsoft befindet sich in der Transformation
Microsoft vergeudet aus Sicht einiger Analysten mit Dynamics ERP ein etabliertes Produkt. Andere sagen, dass die Plattform eine Transformation durchläuft.
Was hat es mit Microsoft Dynamics ERP auf sich? Das ist die Frage, die sich Analyst Joshua Greenbaum schon seit einiger Zeit stellt. Der Branchenanalyst, der den Enterprise-Markt seit vielen Jahren als Gründer von Enterprise Applications Consulting verfolgt, stellte das Engagement von Microsoft für die Dynamics-ERP-Produktsuite in einem Blog-Beitrag im Juni 2017 in Frage.
Während Greenbaum einräumt, dass Microsoft mit seiner Azure-Plattform und Office 365 Fortschritte in der Unternehmenswelt macht, bewahrt es Stillschweigen über seine ERP- und CRM-Suite. Dabei konkurrieren die Produkte eigentlich „ganz oben mit den Besten der Besten“.
Microsoft verpasst nach Ansicht des Analysten eine riesige Chance, da Kunden zunehmend ERP-Systeme in die Cloud verlagern. Die Vorstellung, dass Microsoft diesen potenziellen Vorteil vergeudet, „ist nicht nur seltsam, sondern auch tragisch“.
Mangelnde Führungsstärke
Was passiert mit Microsoft Dynamics ERP? Ist Microsoft auf lange Sicht ausreichend am ERP-Markt vertreten? Wenn nicht, warum scheint es, dass Microsoft eine solide Anzahl an Cloud-ERP-Produkten in einem Marktsegment verschwendet, was der Konkurrenz nutzt?
Eine Erklärung könnte sein, dass es einen Mangel an Führungsstärke bei Microsoft gibt, so dass Microsoft Dynamics ERP das Nachsehen hat, während andere Produkte den Löwenanteil der Aufmerksamkeit erhalten.
In einem Interview bestätigte Greenbaum, dass die Ignite 2017 die Aussichten für Dynamics etwas verbessert haben, insbesondere für die CRM-Produkte. Doch das Fehlen einer klaren Top-Down-Strategie für Microsoft Dynamics ERP sei immer noch offensichtlich, selbst wenn Microsoft das Cloud-basierte Angebot Dynamics 365 forciert. Im Allgemeinen plädierte Microsoft Vice President James Phillips, Leiter der Business Applications Group, für Synergien zwischen Dynamics 365 und anderen Produkten, wie LinkedIn, aber die Führung scheint noch immer zu fehlen.
„Viele der Senior-Mitarbeiter sind weg, und es gibt keinen strategischen Leiter bei Dynamics, der bis zu Phillips berichtet“, sagt Greenbaum. „Es gibt eine Gruppe von Führungskräften, die ihm Bericht erstatten, aber in Bezug auf eine Person, die Dynamics eindeutig führt oder Dynamics fördert, bin ich mir immer nicht sicher, ob sie existiert.“
Dynamics kann laut Greenbaum auch verlieren, da Microsoft nicht genügend Aufmerksamkeit auf seine Entwicklergemeinde richtet, obwohl dies eher eine Frage der schlechten Kommunikation als der Untätigkeit sei.
„Zweifellos stand Dynamics nicht im Vordergrund auf der Microsoft Build [Entwicklerkonferenz von Microsoft]“, sagt der Analyst. „Und ich glaube, dass viele der Möglichkeiten, die sie der Entwickler-Community bieten, viel stärker auf die traditionellen Microsoft-Anwendungen fokussiert sind.“
Microsoft lehnte es ab, die Dynamics-Situation direkt anzugehen und verschickt stattdessen Werbung, die die „wettbewerbsfähigen Lösungen“ von Dynamics 365 und die Kompatibilität mit dem breiteren Microsoft-Ökosystem propagiert.
Push in die Cloud
Das Problem könnte aber auch mehr in der Wahrnehmung als in der Vernachlässigung liegen, denn Microsoft scheint Dynamics stärker voranzutreiben als die lokalen Legacy-Systeme.
„Es scheint, dass Microsoft – zusammen mit Oracle, Infor und SAP – seine Cloud-Lösungen auf Kosten der bestehenden On-Premises-Lösungen vermarktet“, sagt Eric Kimberling, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Panorama Consulting Solutions. „Vertriebsmitarbeiter und Value Added Reseller werden für die Cloud-Lösungen viel stärker entlastet, da dies mehr Gewinn für die Anbieter generiert. Also verdoppeln Microsoft und andere ihre Cloud-Investitionen.“
Microsoft Dynamics ERP verliert laut Kimberling keine Marktanteile, aber er sagt auch, dass einige Kunden zögern, auf Dynamics 365 umzusteigen. „Sie nehmen Eingriffe bei größeren Unternehmen vor, doch gleichzeitig scheint es, dass sie Marktanteile bei kleinen und mittleren Unternehmen verlieren, während sie sich von AX, NAV und GP entfernen und stattdessen Dynamics 365 antreiben“, sagt er. „Erstere sind in einigen Fällen besser für kleinere Organisationen geeignet. Der Dynamics-365-Fokus hilft Microsoft bei größeren Unternehmen, was ihnen im unteren Marktsegment aber schadet.“
Nicht jeder ist an Bord
Microsoft hat gute Arbeit geleistet, indem es Office, Skype, LinkedIn und andere Produkte in Dynamics 365 integriert hat, aber nicht alle Partner sind bei der Cloud-Umstellung dabei.
„Sie sind voll und ganz auf CRM und HR ausgerichtet, wenn sie neue Produkte einführen, aber sie sind nicht so stark auf ERP ausgerichtet“, sagt Ray Wang, Gründer und Principal Analyst bei Constellation Research. „Sie versuchen, neues Blut in das Team zu bringen, und die Vision der Plattform macht Sinn, aber es wird eine andere Version für die Partner brauchen, um sie an Bord zu holen.“
Dennoch geht Wang davon aus, dass Dynamics 365 solide ist, auch wenn die ERP-Seite vernachlässigt wird. „Auf ERP-Seite hat [Dynamics] AX die meisten Fortschritte gemacht und ist der Wegbereiter für die meisten Mittelständler bis hin zu großen Unternehmen“, sagt er. „Einerseits waren sie unabhängig besser, aber heute, als Teil eines größeren Teams, sind sie oft das Stiefkind. Auf der anderen Seite haben sie nun einen Zugang zu allen Technologie-Tools bei Microsoft, was ein Plus ist.“
Microsoft in der Übergangphase
Chris de Visser, General Manager für Nordamerika bei Sana Commerce, einem zertifizierten Microsoft-Partner, der E-Commerce-Software für Dynamics und SAP-ERP-Systeme entwickelt, stimmt zu, dass sich Microsoft in einer Übergangsphase mit Microsoft Dynamics ERP befindet und auf die Dynamics-365-Plattform umlenkt.
„Microsoft versucht, seine Strategie für die verschiedenen ERP-Systeme, aus denen sich die Dynamics-Familie zusammensetzt, zu klären und die Entwicklungsbemühungen auf einige wenige, aber nicht alle zu konzentrieren“, erklärt de Visser. Aber er fügt hinzu, dass Microsoft auch erkannt hat, dass ein riesiges Erbe mit den ERP-Systemen entstand, als sie erworben wurden.
„Ich würde das als ihre größte Herausforderung sehen, da sie sich in einer Übergangsphase befinden, aber sie werden definitiv dranbleiben, da es ein riesiger Treiber für ihr Cloud-Geschäft ist“, sagt er. „All ihre ERPs haben sehr schnell einen Übergang zu einem Abonnement- und Cloud-basierten Modell vollzogen, so dass sie so etwas wie Office sind – ein Tool, das Kunden und Geld in die Cloud treibt. Sie sind aber einzigartig, da sie eine der wenigen sind, die ERP und CRM im Haus haben.“
Der Übergang veranlasst einige Partner zu verstärkter Kritik, und einige glauben, dass ein Mangel an Unterstützung sich negativ auf ihr Geschäft auswirkt.
„Eine Reihe von Partnern, von denen ich gehört habe, haben definitiv das Gefühl, dass sie nicht genügend Unterstützung von Microsoft erhalten, und das ist eindeutig eines der Probleme bei dieser Strategie“, sagt de Visser. „Ich habe sicherlich Deals gesehen, bei denen ich dachte, dass Dynamics auf dem Tisch liegen sollte und sie es nicht taten. Das spiegelt das wider, was einige der Partner gesagt haben, nämlich, dass Microsoft einen besseren Job machen könnte, wenn es darum geht, Deals zu ihnen zu bringen, und dass sie nicht das Gefühl haben wollen, in einem Vakuum zu arbeiten.“
Letztendlich scheint Microsoft jedoch einen neuen Weg im Unternehmensbereich zu beschreiten, indem es Microsoft Dynamics ERP mit zum Beispiel LinkedIn und Office 365 kombiniert. Die Tatsache, dass sie Microsoft sind, könnte letztlich ausreichen, damit sie mit dieser Strategie erfolgreich sind.
„Die Strategie ist ein einzigartiges Go to Market, und niemand sonst kann das tun oder tut das. Doch es bedeutet auch, dass sie nicht den Mix haben, den traditionelle Konkurrenten in CRM oder ERP bieten“, sagt Greenbaum. „So versuchen sie, einen neuen Weg zum Markt einzuschlagen, was sie bei Microsoft im Gegensatz zu jemand anderem tun können, aber es ist eine komplizierte Geschichte, die man in einem Markt erzählen muss, der immer noch Akronyme mit drei Buchstaben wie ERP und CRM mag.“
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