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Diese Faktoren bestimmen die Lebensdauer von Festplatten
Garantieangaben sind in der Regel verlässlich, auch für Festplatten. Die reale Lebensdauer und die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls setzen sich aus weiteren Parametern zusammen.
Wenn es um die reale Lebensdauer von Festplatten geht, so scheint es immer noch Missverständnisse zu geben, was von den Garantieangaben der Hersteller zu halten ist. Um zu verstehen, was die Lebensdauer von HDDs beeinflusst und wie sich das Ausfallrisiko einschätzen lässt, müssen Anwender zunächst die Begrifflichkeiten und die richtigen Parameter kennen. Computerweekly.de hat diese mit Rainer Kaese, Senior Manager bei Toshiba Electronics Europe, erörtert.
Umgebungsbedingungen und Einsatzgebiete kennen
Festplatte ist nicht gleich Festplatte. Es gibt verschiedene Kategorien, die für unterschiedliche Umgebungen beziehungsweise Einsatzszenarien konzipiert wurden. Die einfachste Einteilung ist die in Consumer- und Enterprise-HDD, aber Hersteller wie Toshiba gehen einen Schritt weiter. Hier sieht die Kategorisierung wie folgt aus:
- Desktop (zwei Jahre Garantie)
- NAS (drei Jahre Garantie)
- Enterpise/Nearline (fünf Jahre Garantie)
Selbst die letzte Kategorie sieht der Hersteller zweigeteilt und zieht hier auch höherwertige Enterprise-/Nearline-HDDs in Betracht, die länger betrieben werden können. „Hier muss man verstehen, dass die Garantieangaben natürlich entsprechend dieser Einteilung gemacht werden, da die Festplatten selbst unterschiedliche Designs haben“, erklärt Rainer Kaese. „Da ist es wenig verwunderlich, dass sich die Garantielaufzeiten zwischen Consumer- und Enterprise-Festplatte unterscheiden.“
Der Garantiezeitraum ist immer nur die Laufzeit, in der das Speichermedium garantiert funktioniert. Setzen Anwender nach Ablauf dieser Zeit die Festplatte weiterhin ein – was oftmals kein Problem darstellt – so tut er das auf eigene Gefahr. In Unternehmen ist ein Weiterbetreiben dieser HDDs häufig noch eher tolerierbar, da hier mit Redundanzen, Backups und RAID-Konfigurationen einem Datenverlust vorgebeugt wird.
Zwei der wichtigsten Faktoren, die das Design und damit auch die Lebensdauer bestimmen sind die Umgebungsbedingungen und das Einsatzgebiet beziehungsweise die Art und Weise der Festplattennutzung. Zu den Umgebungsbedingungen gehören unter anderem die Temperatur, Luftdruck (zum Beispiel Druckabfall), Vibrationen oder Luftverschmutzung (zum Beispiel Sandsturm), wobei die Temperatur hier wohl die wichtigste Rolle spielt. Das Einsatzgebiet ist die jeweilige Workload oder Anwendung, die auf der Festplatte läuft, ebenso wie die Anzahl der Lese- und Schreiboperationen sowie Hintergrundaktivitäten.
Bei der Temperatur gibt es bestimmte Toleranzbereiche für die verschiedenen Festplattenkategorien. Consumer-Festplatten können bis zu 60°C überstehen, Enterprise-HDDs bis zu 55°C und besonders robust konzipierte Medien bis zu 70°C. Dabei kann die generelle Durchschnittstemperatur durchaus auch über einen längeren Zeitraum erhöht sein, dies sollte aber nicht die Norm werden.
„Mit steigender Temperatur steigt auch das Risiko eines Festplattenausfalls“, so Kaese. „Das heißt nicht, dass beispielsweise in einem Unternehmen dann alle Festplatten ausfallen, aber die Wahrscheinlichkeit wächst. Grundsätzlich muss der Anwender wissen: Steigt die Durchschnittstemperatur und dies vielleicht öfter und für einen längeren Zeitraum, dann gibt es irgendwo ein grundlegendes Problem, dass es zu finden und lösen gilt.“ Die Temperatur ist entscheidend für die Langlebigkeit, weil sich Temperaturveränderungen das Gleit-Öl-Lager des Laufwerks auswirken und hier für Schäden, Beeinträchtigungen oder Verschleiß sorgen können.
Wie bereits erwähnt, beeinflussen Workloads beziehungsweise die Anzahl der Schreib-/Lese-Operationen die Lebensdauer einer Festplatte, wobei es auch hier selbstverständlich Unterschiede zwischen den verschiedenen HDD-Kategorien gibt.
So lassen sich Desktop-Platten im Jahr mit 55 Terabyte beschreiben und auslesen. NAS-Medien können bis zu 180 Terabyte an Schreib-/Lese-Operationen standhalten und Enterprise-Disks bis zu 550 Terabyte im Jahr.
Das entspricht etwa einem Terabyte pro Woche für die Consumer-Platte, einem Terabyte alle zwei Tage für NAS-Medien und zwei Terabyte pro Tag im Jahr für die Enterprise-HDD. Werden mehr Operationen durchgeführt oder laufen zusätzlich Hintergrundaktivitäten, so hat dies Auswirkungen auf die Schreib-/Lese-Köpfe, den Arm, der den Kopf führt, und letztlich auf die Platter selbst. Da die Festplatte diese Komponenten mechanisch bewegt, kann es dann zu einem höheren oder schnelleren Verschleiß kommen.
Mean Time To Failure und Annual Failure Rate als Maßeinheit
Faktoren oder besser Maßeinheiten, an den man die Lebensdauer von Festplatten festmachen kann, sind die Mean Time To Failure (MTTF) und die Annual Failure Rate (AFR). Die MTTF ist dabei nicht mit der MTBF (Mean Time Between Failures) zu verwechseln. Diese gibt an, wie lange es dauert bis nach einem Fehler ein weiterer erfolgen könnte. Die MTTF hingegen definiert, wie lange die Festplatte funktioniert, bis es zu einem Ausfall kommt.
In unserer Abbildung, die von Rainer Kaese zur Verfügung gestellt wurde, sind die verschiedenen Werte für die MTTF und die AFR zu den jeweiligen Plattenkategorien angeführt. Am Beispiel der Desktop-Platte bedeutet die MTTF, dass wenn dieser Festplattentyp unter optimalen Betriebsbedingungen betrieben und je nach Garantielaufeit – hier zwei Jahre – ausgewechselt wird, so würde ein Fehler erst nach 68 Jahren der Nutzung eintreten.
Die AFR liegt bei 1,46 Prozent, was einem Ausfall von 15 Fehlern auf 1.000 Festplatten im Jahr entspricht. Bei leistungsstärkeren HDDs für Unternehmensrechenzentren könnten die Platten unter oben genannten Bedingungen 285 Jahre laufen, bevor der erste Fehler auftritt. Das bedeutet eine AFR von 0,35 Prozent, was 3 Fehlern auf 1.000 Laufwerke im Jahr darstellt.
Toshiba-Manager Kaese verdeutlicht, was eine Veränderung der Betriebsumgebung im konkreten Fall bedeuten würde: „Eine AFR von 0,35 Prozent ist erfreulich gering, aber steigt beispielsweise die Durchschnittstemperatur auf 70°C und dies über einen längeren Zeitraum, so kann die AFR auf ein Prozent hochschnellen.“
Die AFR lässt sich leicht berechnen, in dem man die Betriebsstunden in einem Jahr durch die MTTF in Stunden teilt und dann mit 100 multipliziert. Das Rechenbeispiel ist ebenso in Abbildung 1 zu finden.
Gründe für den Austausch: Datenintegrität und Nachhaltigkeit
Wie Kaese aus eigener Erfahrung weiß, nutzen viele Anwender – privat wie in Unternehmen – ihre Festplatten auch weit nach Ablauf der Garantielaufzeit. „Das ist in der Regel kein großes Problem, da die meisten Laufwerke so konzipiert sind, dass sie, wenn korrekt betrieben, doppelt so lange halten können“, so der Experte. „Allerdings sollte dann immer ein Backup angefertigt werden, da Ansprüche an den Hersteller bei Datenverlust nach Ablauf der Garantie natürlich erlöschen.“ Im Unternehmensbereich werden diese Medien dann oft für weniger anspruchsvolle Workloads eingesetzt, im privaten Bereich meist einfach weiter genutzt.
Trotzdem sollen Anwender die Medien austauschen, denn dafür gibt es gute Gründe. Ältere HDDs in Speichersystemen können zum Beispiel mehr Strom verbrauchen als neuere. Gepaart mit höheren Speicherkapazitäten und somit einer höheren Speicherdichte sind moderne Laufwerke effizienter als ältere Modellbrüder und Unternehmen sollten hier eine Kosten-Nutzen-Berechnung erstellen und einen Austausch der Platten erwägen.
„Eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit ist gut, bedeutet aber nicht, dass das Risiko nicht besteht. Ein Festplattenausfall kann jeden jederzeit treffen. Hier gilt die oberste Regel: Immer ein Backup anlegen.“
Rainer Kaese, Senior Manager Toshiba Electronics Europe
Des Weiteren ist Datenintegrität ein Faktor, der für einen Austausch älterer Disks sprechen könnte. Es ist durchaus machbar, im Consumer-Umfeld ältere Festplatten als Backup-Medien zu nutzen und diese dann zu lagern, da magnetisch gesicherte Daten sich nicht verändern.
Allerdings besteht das Risiko eines Bitrots. Auch wenn dies zu kompensieren ist, sollten sich Anwender nicht darauf verlassen. Darüber hinaus könnten nicht startende Spindeln oder veraltete Schnittstellen, beispielsweise ATA, einen Zugriff auf Daten älterer Laufwerke verhindern. Hier sollte regelmäßig ein Festplatten- beziehungsweise Datentest erfolgen oder eben ein Austausch der HDDs in Betracht gezogen werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Garantieangaben der Festplattenhersteller ein recht verlässliches Maß für die Lebensdauer der Medien sind. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann zudem die MTTF als Richtparameter nutzen oder die AFR berechnen. Auch längere Laufzeiten sind bei Festplatten in der Regel kein Problem, wenn man in diesem Fall Backups anlegt.
Darüber hinaus rät Experte Kaese zu Folgendem: „Man sollte immer die richtige Festplatte für den richtigen Zweck einsetzen. Dann ist eine lange Laufzeit sicher. Obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Festplattenfehlers oder -ausfalls sehr gering ist, müssen sich Anwender darüber im Klaren sein, dass es jederzeit zu einem Problem kommen kann, deswegen sind Datensicherungen unerlässlich, egal in welchem Umfeld.“
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