Cloud-Computing-Markt: die lange Aufholjagd von Oracle
Oracle hat eine Metamorphose durchgemacht. Der einstige On-Premises-Verfechter präsentiert sich mittlerweile als Cloud-Service-Provider, der mit KI-Anwendungen punkten will.
Der Cloud-Computing-Markt scheint auf den ersten Blick unter AWS, Microsoft und Google aufgeteilt. Doch das täuscht, denn das betrifft nur den Bereich Infrastructure as a Service (IaaS) – und auch dieser Bereich hat noch lange keine Sättigung erreicht.
Der größte Anteil im Cloud-Markt entfällt allerdings auf Software as a Service (SaaS), in dem laut Gartner 2019 ein Umsatz von 116,5 Milliarden Dollar erwirtschaftet wird (siehe Abbildung 1). Hier ist wiederum Customer Relationship Management (CRM) das größte Segment, wobei Salesforce mit einem Marktanteil von 17,3 Prozent größter Provider ist. Auf den Plätzen zwei und drei befinden sich mit etwas Abstand Oracle (5,5 Prozent) und SAP (5,3 Prozent).
Doch trotz der Werbetrommeln der Anbieter, ist der Cloud-Umsatz bezogen auf den gesamten IT-Markt noch gering. Die Berechnungen der Marktforscher variieren zwar leicht, bewegen sich aber alle im einstelligen Prozent-Bereich. Das heißt, es gibt noch erhebliches Wachstumspotenzial, was auch die Marktanteile der Anbieter verschieben kann.
Lizenzgeschäft war gestern
Auf dieses Potenzial setzt man auch bei Oracle. „Wir sind kein Produktlieferant mehr, sondern ein Service-Provider. Entsprechend müssen wir unsere Angebotsformen neu aufstellen“, sagte Oracle-CEO Safra Katz auf der OpenWorld Europe 2020 in London. Hierzu kündigte er an, dass die Zahl der Cloud-Regionen von derzeit 21 bis Jahresende auf 36 erhöht werden soll.
Ein gravierender Paradigmenwechsel für Oracle – schließlich hatte sich gerade Oracle-Gründer und CTO Larry Ellison über viele Jahre hinweg gegen den Cloud-Trend gestemmt. Doch in der heutigen Welt von Cloud-Native-Anwendungen müssen sich die IT-Anbieter neu ausrichten.
Die Kunden wollen IT aus der Netzwerkdose, und die muss genauso gut funktionieren, wie im eigenen Rechenzentrum. Im Idealfall sogar besser und kostengünstiger. „Integration, Patching und Upgrades sind heute die Aufgaben der Technologieanbieter“, erläutert Steve Daheb, Senior Vice President Oracle Cloud, die neue Rollenverteilung.
Einer der großen Oracle-Cloud-Kunden ist das Forschungszentrum Cern in Genf. Dort zeigt man, wie es funktionieren kann: Die Infrastruktur erfasst zu Spitzenzeiten 150.000 Messpunkte pro Sekunde und speichert sie in der Autonomous Database Cloud von Oracle. Die Administratoren müssen sich laut Daheb weder um Betrieb, Security, Patching, noch um Updates für die Speichersysteme kümmern. Das wird alles von Oracle und seiner autonomen Technologie übernommen.
Leistungsfähige Azure-Anbindung
Zum Leidwesen der Cloud-Anbieter ist die Cloud-Welt aber nicht homogen. Multi-Cloud- und Hybrid-Cloud-Strategien sind aktuelle Herausforderungen, auf die man auch bei Oracle eine Antwort finden muss. Hierzu ist man bereits eine Kooperation mit Microsoft Azure eingegangen.
Die technische Anbindung erfolgt über Gateways, den sogenannten Cloud Interconnect Locations. Derzeit gibt es drei solcher Gateways in Ashburn (Virginia, USA), London (UK) und Toronto (Kanada). Geplant ist ein vierter in Amsterdam (Niederlande).
„Wir sehen eine zunehmende Nachfrage für dieses Gateway-Angebot in Europa, und in Amsterdam befindet sich der größte Internet-Hub auf dem Kontinent“, sagt Andrew Sutherland, Senior Vice President Oracle Cloud EMEA, über die Hintergründe der Entscheidung.
Diese Gateways sind vor allem deshalb von Bedeutung, da sie leistungsfähige Anwendungsverbindungen zwischen Oracle und Azure erlauben. Damit eignen sie sich zum Beispiel für den gemeinsamen Betrieb von Azure-basierten Windows-Apps in Verbindung mit Oracles autonomen Datenbank oder Exadata auf der Oracle Cloud Infrastructure (OCI). Außer in Europa plant Oracle auch den Aufbau solcher Gateways in Asien und an der US-Westküste.
Schwerpunkt Software as a Service (SaaS)
Als traditionsreiches Softwarehaus setzt Oracle bei seinen Cloud-Diensten naturgemäß auf SaaS. Dabei verspricht man sich viel von modernen Lösungsangeboten wie künstliche Intelligenz (KI), Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) und Blockchain. Die Blockchain-Lösung von Oracle basiert zum Beispiel auf dem OpenLedger-Projekt und es gibt bereits konkrete Anwendungen. So entwickelt der Start-up Circulor im Auftrag von Daimler eine Blockchain-Lösung für das Nachverfolgen des CO2-Fußabdruckes in der Lieferkette.
„Wir haben uns hier für die Oracle-Blockchain-Lösung entscheiden, da zu dem Projekt auch eine intensive Datenbanknutzung erforderlich ist. Gerade für solche integrierten Anwendungen ist Oracle ein prädestinierter Anbieter“, sagt Doug Johnson-Peonsgen, CEO und Co-Founder von Circulor.
Gewinn wächst 80 Prozent schneller mit neuen Technologien
„KI, IoT und Blockchain bieten den Unternehmen neue und schnellere Möglichkeiten zur Innovation, was zu Wettbewerbsvorteilen und besseren Geschäftsergebnissen führt“, sagt Jürgen Lindner, Senior Vice President, SaaS Product Marketing bei Oracle.
Dabei verweist er auf eine Untersuchung der Enterprise Strategy Group, wonach Firmen, die KI und andere neu entstehende Technologien einsetzen ihre Gewinne um bis zu 80 Prozent schneller steigern können, als ihre Konkurrenten.
„Diese Studie macht deutlich, dass neu entstehende Technologien die Erprobungsphase durchlaufen haben und sich auf einen Zustand der allgemeinen Akzeptanz zubewegen“, sagt John McKnight, Executive Vice President, Research und Analyst Service bei der Enterprise Strategy Group.
DataFox: Informationsdatenbank für Unternehmen
Zu den SaaS-KI-Angeboten gehört auch die Business-Datenbank DataFox. Das Unternehmen wurde 2018 von Oracle akquiriert und bietet Informationen über Millionen an Firmen und anderen Geschäftsorganisationen an.
Die Daten bestehen aus allen öffentlich verfügbaren Informationen und werden fortlaufend ergänzt und aktualisiert. Diese Informationsdatenbank ist in die weiteren Oracle-SaaS-Angebote integriert und unterstützt damit die Qualität der CRM-Module Oracle Eloqua und Oracle Sales Cloud. Einer der europäischen Referenzkunden ist der Wirtschaftsförderungsverband der Region Rotterdam-Den Haag InnovationQuarter.
„Mit Oracle DataFox haben wir eine genaue Übersicht über die Geschäftssituation in unserem Bereich, aber auch landesweit und international. Damit konnten wir schon viele wichtige Partnerschaften initiieren und ausbauen“, sagt Chris Van Voorden, Director Foreign Investment & Internationalization bei InnovationQuarter.