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Celonis: Technologien wie Process Mining sind gefragt
Celonis ist mit seiner Process-Mining-Software zu einem Milliarden-Unternehmen gewachsen. Co-CEO Bastian Nominacher beschreibt im Interview die Idee hinter Celonis.
Alles fing mit einem Kundenserviceprojekt beim Bayerischen Rundfunk an. Im Rahmen einer studentischen Unternehmensberatung wollten Bastian Nominacher, Martin Klenk und Alexander Rinke die Kundenserviceprozesse bei der Rundfunkanstalt optimieren. Zwar verfügte der BR über die nötigen Daten der Prozessabläufe, daraus eine Organisationsanalyse zu erstellen, war aber nach Angaben von Celonis-Mitbegründer Nominacher schwierig.
Daher entschieden sich die Absolventen der TU München 2011 für die Gründung eines Unternehmens, das anderen Organisationen bei der Analyse und Auswertung ihrer Daten hilft und so Prozesse optimiert. Innerhalb von vier Jahren gelang es dem Start-up, SAP von seiner Process-Mining-Lösung zu überzeugen. Seitdem übernehmen die Walldorfer den globalen Vertrieb der Anwendung. Mittlerweile bietet Celonis eine Weiterentwicklung seiner Lösung unter der Produktbezeichnung Intelligent Business Cloud als Software as a Service (SaaS) an.
Im Interview beschreibt Bastian Nominacher die Geschichte hinter Celonis, wie die Technologie des Unternehmens funktioniert und welche Pläne man in den kommenden Jahren hat. Für die Start-up-Landschaft in Deutschland wünscht sich der Co-CEO des Softwareanbieters weniger Bürokratie und vereinfachte Finanzierungsmodelle.
Celonis ist jüngst zu einem Unicorn, also einem Unternehmen mit einem Marktwert von über einer Milliarde US-Dollar, aufgestiegen. Wie steinig ist der Weg bis zu diesem Punkt?
Bastian Nominacher: In unserer Anfangszeit haben wir nur über begrenzte Ressourcen verfügt und mussten uns ganz genau überlegen, auf was wir uns fokussieren: auf Investoren, interne Themen oder unser Produkt? Der richtige Ansatz war für uns ganz klar der Fokus auf unsere Kunden: Wie können wir ihnen einen echten Mehrwert bieten? Nur so lässt sich das richtige Produkt entwickeln. Das mag zwar einfach klingen, häufig sieht man bei jungen Unternehmen aber eine Ausrichtung auf mögliche Investoren, und darauf, was ihnen gefallen könnte. Unsere Erkenntnis ist, dass man ein Unternehmen so aufbauen sollte, dass die Kunden erfolgreich sind, dann folgen die Investoren von ganz allein.
Sie haben Celonis als Absolventen der TU München gegründet. Was war 2011 die Idee hinter der Gründung?
Nominacher: Im Rahmen eines Projekts als studentische Unternehmensberater sollten wir den Kundenserviceprozess des Bayerischen Rundfunks verbessern. Dabei haben wir festgestellt, wie schwierig es ist, die nötigen Daten zur Organisationsanalyse zu bekommen. Eins war jedoch im Überfluss vorhanden: Daten über den Prozessablauf, welche in der Datenbank des Systems gespeichert waren. Die Idee, Unternehmen dabei zu helfen, ihre Prozesse auf Basis ihrer Daten zu verstehen, war geboren. Basierend auf dem an der TU Eindhoven erforschten theoretischen Ansatz Process Mining entwickelten wir die erste Version der Celonis Software für Unternehmen und gründeten Celonis dann in meiner Wohnung.
Zeitgleich mit der Entstehung und dem Wachstum von Celonis ist das Thema Big Data zu einem Kernbereich vieler Unternehmen geworden. Wie hat sich die Wahrnehmung des Themas in den letzten sieben, acht Jahren verändert?
Nominacher: Ziel war es, die ständig wachsende Datenmenge nutzbar zu machen. Es geht darum, diese gigantischen Datenanforderungen zu verstehen und zu nutzen und einen direkten Mehrwert für Unternehmen zu schaffen. Der Unterschied beim Process Mining besteht darin, dass wir nicht alle Daten betrachten, die gesammelt werden. Wir konzentrieren uns auf Prozessdaten, die einen echten Einblick in Geschäftsabläufe und Verbesserungsmöglichkeiten für den ROI geben. Big Data ist irrelevant, wenn nicht die richtigen verifizierten Daten über alle End-to-End-Prozesse hinweg betrachtet werden, die den besten Nutzen bringen können. Entsprechend sind digitale Technologien wie Process Mining gefragt, die einen eindeutigen ROI aufzeigen.
Laut Ihrer Website lautet ein Motto von Celonis: „Prozesse von heute analysieren, damit die Welt von morgen effizienter ist“. Können Sie in zwei bis drei Sätzen erklären, was Sie damit meinen?
Nominacher: Viele Unternehmensprozesse laufen heute ineffizient ab, weil sich Abweichungen vom Idealprozess eingeschlichen haben. Mit unserer Process-Mining-Software können Unternehmen nicht nur genau diese abweichenden Prozesse identifizieren, sondern bekommen direkt Lösungsvorschläge und Handlungsempfehlungen zur Optimierung der betroffenen Prozesse. Unsere Technologie schafft damit die Basis für Veränderungen, gesteigerte Effizienz und die besten Handlungsempfehlungen.
Können Sie uns einen kurzen Überblick verschaffen, welche Lösung Celonis anbietet?
Nominacher: Wir sind Pionier für Process Mining, einer Technologie, die IT-Daten der Unternehmen nutzt, um Prozessabläufe zu rekonstruieren, zu visualisieren und die besten Handlungsempfehlungen für die besten Ergebnisse zu geben. Im Oktober haben wir unsere Intelligent Business Cloud veröffentlicht, die auf der erprobten Process-Mining-Technologie aufbaut, diese aber um zusätzliche Funktionen erweitert. Die durchgängige SaaS-Plattform [Software-as-a-Service] beinhaltet eine umfassende Prozessanalyse sowie tiefgreifende Machine-Learning- und KI-Funktionen. Da die Process-Mining-Technologie jetzt vollständig in der Cloud verfügbar ist, können Unternehmen Transformationsinitiativen viel schneller starten und aus den signifikanten Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen einen enormen Mehrwert ziehen.
„Die meisten Analytics-Anbieter bewegen sich auf Datenebene und analysieren ausschließlich diese. Wir lösen uns von diesem datenbasierten Ansatz und betrachten mit unserer Lösung die Prozessebene.“
Bastian Nominacher, Celonis
An wen richten sich diese Technologien?
Nominacher: Jeder Prozess in Unternehmen jeder Größe und Branche kann optimiert werden – egal ob Einkauf, Produktion, Vertrieb, Logistik oder Kundenservice. Mit der Intelligent Business Cloud geben wir unseren Kunden ein mächtiges Werkzeug an die Hand, das die Unternehmenstransformation nicht nur unterstützt, sondern ein maßgeblicher Treiber von Digitalisierungsinitiativen ist.
In der Big-Data-Welt sind heute zahlreiche Analytics-Anbieter unterwegs. Wie unterscheidet sich Celonis von der Konkurrenz?
Nominacher: Die meisten Analytics-Anbieter bewegen sich auf Datenebene und analysieren ausschließlich diese. Wir lösen uns von diesem datenbasierten Ansatz und betrachten mit unserer Lösung die Prozessebene.
Einer ihrer Partner ist SAP. Sie bieten unter anderem Process-Mining-Software für SAP-Geschäftsprozesse an. Können Sie uns erläutern, was Unternehmen mit einer solchen Lösung erreichen können?
Nominacher: Ein typisches SAP-System enthält wertvolle Daten über die Betriebsabläufe eines Unternehmens, dementsprechend ist unsere Technologie auch für SAP-Anwender ein strategisch relevantes und interessantes Thema. Genau aus diesem Grund hat SAP eine Partnerschaft mit uns abgeschlossen und vertreibt das Produkt SAP Process Mining by Celonis. Denn die Auswertung der Prozessdaten aus SAP-Systemen war bislang oft kompliziert. Nicht mit der Celonis-Technologie: Aufgrund der jahrelangen Erfahrung mit SAP-Umgebungen ist die Anbindung von SAP-Systemen an Celonis fast komplett automatisiert. Die Technologie ist einfach aufzusetzen und zu bedienen. Kunden können schon in kürzester Zeit mit einer produktiven Lösung arbeiten und schnell Ergebnisse und Prozessverbesserungen realisieren.
Was haben Sie mit Celonis in den nächsten zwei Jahren vor?
Nominacher: Wir sind der weltweite Marktführer im Bereich Software für die Verbesserung von Unternehmensprozessen, diesen Vorsprung wollen wir in Zukunft nicht nur halten, sondern mit stetigen Innovationen kontinuierlich weiter ausbauen. Was wir heute schon für eine Vielzahl von Kunden machen, können wir für tausende, zehntausende große Unternehmen tun. Daher wollen wir noch größer und relevanter werden und mehr Unternehmen bei ihrer Business Transformation unterstützen. Dazu zählt natürlich eine weitere Expansion in den USA sowie in den asiatischen Markt.
Celonis gilt mittlerweile als eines der erfolgreichsten deutschen Start-ups der letzten Jahre. Wie bewerten Sie insgesamt die Situation für Gründer in Deutschland?
Nominacher: Mit der Unterstützung durch die TU München und vor allem die TUM-Gründungsberatung hatten wir natürlich einen großen Vorteil auf unserer Seite. Hinzu kam die Unterstützung durch das EXIST-Gründerstipendium, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vergeben wird. Dadurch haben wir in Deutschland schon ganz gute Voraussetzungen für Gründer. Allerdings gibt es auch noch ein paar Dinge, die man verbessern könnte. So sollten wir in erster Linie den bürokratischen Aufwand für Gründer reduzieren. Eine Gründung aus der Uni heraus und ohne Erfahrung bedeutet als erstes viel Papierkram. Wenn es hier bereits fertige Pakete gäbe, würde das schon vieles vereinfachen. Finanzierungspakete in Form von günstigen Krediten oder Zuschüssen könnten auch einen Beitrag leisten. In einigen Branchen sind diese für Start-ups geradezu essenziell.
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