AWS re:Invent 2019: Die Cloud als neuer Supercomputer
Auf der re:Invent machte AWS CEO Andrew Jassy zahlreiche Ankündigungen zu neuen oder bekannten Produkten. So möchte Amazon die Cloud zum Supercomputer umfunktionieren.
Den Jahresabschluss unter den großen US IT-Events bildet die AWS-Kundenveranstaltung re:Invent. Sie findet jeweils Anfang Dezember in Las Vegas statt - in diesem Jahr zum achten Mal in Folge.
AWS CEO Andrew Jassy startete seine Keynote auf dem Event mit einem Appell an die Teilnehmer, ihre Anstrengungen zur Digitalisierung zu forcieren.
„Es bedarf der Überzeugung des Topmanagements, der Definition von aggressiven Zielen und der Weiterbildung der Akteure“, sagte er zu den 65.000 Teilnehmer. Doch das sei nicht genug: „Wichtig ist vor allem, dass man sich nicht schon vor dem Start verrückt machen lässt.“
AWS: 47,8 Prozent Marktanteil
Zu AWS konnte er eine Reihe positiver Ergebnisse berichten. So beträgt der AWS-Marktanteil bei Infrastructure as a Service (IaaS) inzwischen 47,8 Prozent, womit die Führungsposition weiter ausgebaut wurde. Die Verfolger Microsoft (15,5 Prozent), Alibaba (7,7 Prozent), Google (4 Prozent) und IBM (1,8 Prozent) liegen abgeschlagen dahinter.
Jassy konnte sich daher in seiner Keynote nicht ein paar Seitenhiebe auf die Konkurrenz verkneifen. Stand in den vergangenen Jahren Oracle auf der Abschussliste, so hat diesen Platz nun Microsoft eingenommen. Jassy wetterte gegen ein „proprietäres Windows“ und über die Lizenzpolitik des Wettbewerbers. Zusammen mit Oracle und IBM sollten sich die IT-Chefs von diesem „alten Gerümpel schleunigst trennen“, lautet seine Empfehlung.
Erst drei Prozent in der Cloud
Doch abgesehen vom Konkurrenzgeplänkel geht es der Cloud-Branche insgesamt gut. Gartner prognostiziert für den IaaS-Markt 2020 ein Wachstum von 24 Prozent, das ist die höchste Wachstumsrate aller Cloud-Bereiche. AWS selbst verzeichnet gegenwärtig ein Wachstum von 35 Prozent.
Und ein Ende ist nicht absehbar. Der gesamte Cloud-Markt umfasst bislang nur drei Prozent des gesamten IT-Marktes, der Rest entfällt hauptsächlich auf On-Premises-Technologie.
Außerdem dringt AWS fortlaufend in neue Anwendungsbereiche vor, die bislang kaum als Cloud-Anwendungen betrachtet wurden. So sprach Peter DeSantis, Vice President AWS Global Infrastructure, am Vorabend der Eröffnung davon, dass man die Cloud wie einen riesigen Supercomputer betrachten kann.
„Die Architektur moderner Supercomputer besteht aus vielen zusammenhängenden Servern. Komplexe Probleme werden in viele kleine Einzelaufgaben aufgebrochen und auf die Server verteilt. Am Ende wird alles zu einem Gesamtergebnis zusammengeführt. Genau das lässt sich auch mit den vielen Rechenzentren unserer Cloud erledigen“, erläuterte er.
Bislang fehlen hierfür allerdings eine entsprechende Managementebene, die erforderliche Bandbreite sowie die geringe Latenz bei der Verbindung der einzelnen Rechenzentren. Das ist laut DeSantis aber nur eine Frage der Zeit.
Inzwischen ist es auf der re:Invent zur Routine geworden, ein umfangreiches News-Feuerwerk zu starten. Die Eröffnungsrede von Jassy umfasste in diesem Jahr 19 Bereich mit insgesamt 37 Ankündigungen. Drei Stunden dauerte der zugehörige Powerpoint-Marathon. Die wichtigsten Ankündigungen waren:
Outposts ab sofort verfügbar
Bei Outposts handelt es sich um eine kleine AWS-Cloud im Rechenzentrum des Kunden, die von AWS installiert und verwaltet wird. Das bedeutet, dass die Amazon-Dienste auch On-Premises verwendet werden können.
Outposts wurde bereits im vorigen Jahr angekündigt, aber laut Michael Hanisch, Head of Technology bei AWS Deutschland, wollte man das Konzept erst ausgiebig mit ausgewählten Kunden testen, bevor man es auf breiter Front im Markt bereitstellt.
Einstieg in die Mobilfunkwelt
AWS erreicht jetzt auch die Mobilfunkwelt. Mit Wavelength lassen sich Anwendungen direkt an den äußersten Enden der neuen 5G-Netze einrichten. Das bedeutet hohe Bandbreite und geringe Latenz für mobile Endgeräte.
Hans Vestberg, CEO von Verizon, sprach von einem neuen „Mobile Edge Computing“ (MEC). Jassy sagte ergänzend: „Das bisherige Edge Computing bekommt damit eine gänzlich neue Bedeutung.“ Außer Verizon sind Vodafone, KDDI und SK Telecom an Bord.
Mehr Analytics und KI/ML
SageMaker gibt es für die Entwicklung von Machine-Learning-Anwendungen schon lange. Aber das Modul war kompliziert in der Nutzung. Amazon hat nun sechs Segmente hinzugefügt, womit es leichter sein soll, komplexe Machine-Learning-Anwendungen zu erstellen.
Herzstück ist SageMaker Studio, ein komplett integriertes SDK für Machine-Learning-Lösungen. Hinzu kommen noch die Module Notebook, Experiments, Autopilot und ein Debugger. Alles zusammen ein aufeinander abgestimmter Satz an Entwicklungs- und Test-Tools, die sich nach Angaben von AWS nicht nur an Data Scientists richten.
Cassandra als Managed-Service
Außerdem gab es viele Erweiterungen für die Entwicklergemeinde. Dazu gehört zum Beispiel eine neue Möglichkeit zum Managen der Cassandra-Datenbank auf der AWS-Plattform. Zwar ist Cassandra schon lange bei AWS verfügbar, doch bislang nur von Drittanbietern. Ab sofort bietet Amazon diese Datenbank selbst unter der Bezeichnung Managed Apache Cassandra Service (MCS) als Teil seiner eigenen Services an.
MCS ist serverless, das heißt, für die Nutzung muss keine eigene Infrastruktur angefordert werden – bezahlt wird nur nach Nutzung. Die Skalierung erfolgt automatisch und laut Amazon lassen sich damit Anwendungen entwickeln, bei denen tausende an Requests pro Sekunde bedient werden und eine praktisch unendliche Speicherkapazität zur Verfügung steht.
Darüber hinaus kann MCS von den Entwicklern mit denselben Tools und Methoden verwendet werden, die sie auch bisher eingesetzt haben. AWS will sich aktiv an der Weiterentwicklung beteiligen. „Wir sind bereits einer der größten Akteure der Open-Source-Gemeinde und das werden wir weiter ausbauen“, sagte Andi Gutmans, Vice President Analytics.
Viele neue Großanwendungen
Parallel zu den vielen Features und Erweiterungen bei den eigenen Produkten, berichtete AWS auch über eine Reihe neuer Kundenprojekte. Dazu gehörten unter anderen der britische Öl-Multi BP mit seinen europäischen Rechenzentren, eine strategische Partnerschaft mit dem Schweizer Pharmakonzern Novartis sowie eine Kooperation mit der Formel 1, um die Strömungsmechanik bei Rennwagen während der Fahrt zu simulieren. Hierfür werden 1.150 Computerkerne genutzt, die mit 550 Millionen Messwerten gefüttert werden.
Bereits kurz vor der re:Invent wurde außerdem verkündet, dass sich ProSiebenSat.1 für AWS als primäre Cloud-Plattform entschieden hat.