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5G-Standorte: Wer soll die vielen Antennen installieren?
Multiple Frequenzen, Mobile Edge Cloud, Network Slices, Applikationen: 5G-Netze sind komplexer als ein WLAN. Wer hilft Unternehmen, private 5G-Netze im eigenen Campus auszurollen?
Die bisherigen Mobilfunknetze 2G, 3G, 4G funken in Deutschland schon aus über 70.000 Antennen, vor allem auf Frequenzen von 800 bis 2.600 MHz. Doch das ist nur der Anfang. 5G wird ein Vielfaches davon benötigen. Aus zwei Gründen: 5G nutzt mehr Frequenzbänder, und 5G nutzt höhere Frequenzen.
Mehr Frequenzen brauchen mehr Antennen
5G wird mittelfristig ein viel größeres Frequenzspektrum als das heutige 2G, 3G, 4G belegen. Beispiele:
- Auf 700 MHz funkt ein Pilotprojekt namens 5G-Today von ARD, ZDF, IRT, BR, Kathrein, Rohde & Schwarz und Telefónica schon seit Mai 2019 Fernsehsendungen per 5G über das halbe Bayernland hinweg: Dazu senden große High-Tower-High-Power-Antennentürme 60-km-große 5G-Zellen aus Ismaning und vom Wendelstein. Deutschland ist auf diesem Sektor weltweit vorne dran.
- Auf 3.400 bis 3.700 MHz sowie rund um 2 GHz dürfen die erfolgreichen Bieter (Drillisch Netz AG, Telefónica Deutschland GmbH & Co. OHG, Telekom Deutschland GmbH und Vodafone GmbH) seit Abschluss der deutschen 5G-Frequenz-Versteigerung am 12. Juni 2019 im Prinzip jetzt ihre bundesweiten 5G-Netze ausrollen. Telekom und Vodafone hatten gleich im Juli 2019 ihre PR-Launch-Events. Deutschland ist beim Timing noch gut dabei, aber Südkorea, USA, die Schweiz und Österreich sind im 5G-Frequenzbereich um 3,5 GHz schon weiter.
- Lokale Campus-Frequenzen von 3.700 bis 3.800 MHz will die Bundesnetzagentur BNetzA im zweiten Halbjahr 2019 vor allem für Zwecke der Industrieautomation vergeben. Das ist ein deutscher Sonderweg. In diesem Segment könnten vor allem die deutschen Autobauer weltweit Zeichen setzen, sofern es hier rasch vorwärts geht.
- Frequenzen oberhalb von 10 GHz sollen in den kommenden Jahren auch in Deutschland für 5G verfügbar werden. Sie erlauben extrem hohe Datenübertragungsraten.
Wenn 5G sich immer mehr Bänder und Frequenzen schnappt, wird auch die Anzahl der Antennen drastisch ansteigen, selbst wenn man alle Möglichkeiten für Multi-Band-Antennen nutzt.
Die deutschen Telkos klagen fast unisono, dass schon die Genehmigungsverfahren für neue Antennenstandorte oft mehrere Jahre dauern und viele verschiedene Behörden und Bürgerproteste involvieren können.
In Südkorea, das beim 5G-Rollout schon weiter ist, gehe das alles viel schneller. Allerdings wuchern dort oft wüste Antennenwälder auf Dächern und hässliche Kabelbäume werden einfach von Dach zu Dach gespannt.
Hierzulande werden die meisten Kabel aufwändig unter der Erde vergraben, was erheblich teurer ist und länger dauert.
Höhere Frequenzen brauchen mehr Antennen
Je höher die Frequenzen, desto kürzer die Reichweiten, desto kleiner die Funkzellen, desto mehr Antennen werden pro Flächeneinheit benötigt.
5G bei 700 MHz etwa strahlt mehrere Kilometer weit. 5G auf seinen typischen Pionier-Frequenzen um 3,5 GHz reagiert ähnlich wie WLAN bei 2,4 oder gar 5 GHz: Am besten installiert man in jedem größeren Raum einen eigenen Access Point, weil der Funk schon an einer dicken Stahlbetonmauer drastisch ausgebremst wird.
Man wird in den nächsten Jahren also Hunderttausende Funktürme und Antennen montieren müssen. Da lauert Arbeit ohne Ende. So lange die deutsche Konjunktur weiter brummt, sind freie Arbeitskräfte dafür nur schwer zu finden.
Mobile Edge Cloud und Network Slicing
Hinter den vielen neuen 5G-Antennen werden viele kleine 5G-Rechenzentren aufgebaut. Dadurch müssen die Daten nicht immer gleich quer durch ganz Deutschland in zentrale Provider-Rechenzentren nach Bonn, Düsseldorf, München etc. rasen, sofern sie sowieso nur lokal benötigt werden, etwa innerhalb von Werksgeländen.
Nur mit solchen verbrauchsnahen Klein-Rechenzentren schafft man die fantastischen 5G-Reaktionszeiten weit unter 10 Millisekunden. Das Konzept heißt Mobile Edge Cloud. Auf dieser Basis soll dann ein raffiniertes SD-WAN-Verfahren namens Network Slicing die unterschiedlichsten Applikationen von High-Speed-Breitband bis Low-Speed-IoT auf einer einheitlichen 5G-Infrastruktur realisieren.
Wer soll das alles installieren?
Antennen, Frequenzen, Edge Cloud, Network Slices, Applikationen: 5G-Netze sind unterm Strich komplexer als ein vertrautes WLAN. Wer soll das alles installieren? Wer hilft speziell den Firmen, private 5G-Netze im eigenen Campus in den kommenden Lokal-Frequenzen 3,7 bis 3,8 GHz auszurollen?
Bundesweite Mobilfunk-Netzbetreiber...
...wie etwa Deutsche Telekom, Telefonica und Vodafone wissen, wie man sehr große Landesnetze baut und verwaltet. Aber sind diese Giganten auch flexibel genug für Campus-interne Kleinst-Projekte bei Audi, Daimler, BMW oder kleineren Betrieben? Das wird in der Industrie zum Teil bezweifelt.
Zumindest von der Telekom wissen wir aber aus erster Hand, dass sie seit kurzem ihre Kräfte auch für den Aufbau von kleinen, betriebsinternen 4G/5G-Campus-Netzen für private Unternehmen bündelt.
Seit Oktober 2018 hält Antje Williams dort die neue Position des Senior Vice President 5G Campus Networks. Vermutlich werden die großen Telkos jetzt plötzlich so flexibel, damit andere Newcomer ihnen das kommende 5G-Campus-Netzgeschäft nicht vor der Nase wegschnappen – und weil große Industriekunden so einen Service von den Telkos einfach erwarten.
Vorteil aller großen Mobilfunk-Netzbetreiber: Die könnten den Industriekunden einen nahtlosen Übergang vom öffentlichen 5G-Mobilfunknetz in das private 5G-Firmennetz anbieten. So ein Übergang ist wichtig für bewegte IoT-Geräte und Fahrzeuge, die ständig Firmengrenzen überschreiten, die häufig über Werkstore rein- und rausfahren. Für betriebsinterne Bewegungen, etwa bei mobilen Robotern, ist diese Form des Roamings zwischen privaten und öffentlichen 5G-Netzen aber nicht nötig.
Globale Mobilfunk-Ausrüster …
… wie etwa Ericsson, Huawei, Nokia, Samsung und ZTE denken ebenfalls gerne in großen Dimensionen, also in milliardenteuren Landesnetz-Aufträgen. Dagegen ist ein lokales Werksgelände einer Firma erst mal ein Kinkerlitzchen.
Ericsson baut aber gerade für solche Kinkerlitzchen einen 5G-Campus-Koffer mit einem Henkel dran: Damit soll auch ein erfahrener WLAN-Händler ein kleines 5G-Netz beim Kunden binnen einer Stunde ausrollen können. Der Koffer enthält vier Höheneinheiten an Rack-Technik, einige 5G-Antennen in der Größe einer Puderdose, sowie einen SIM-Karten-Brenner in der Größe eines USB-Sticks.
Die Konfigurationskonsole wirkt fast so einfach wie bei einer WLAN-Installation. Ziel: Ericsson will auch erfahrene WLAN-Experten für neue 5G-Projekte aktivieren, denn gestandene Mobilfunkexperten sind noch viel rarer und teurer. Huawei kann momentan noch keine finale Aussage zu so einem 5G-Starterkoffer machen. Ansonsten hat Huawei aber ausgeprägte Stärken bei allen relevanten 5G-Techniken. Siehe dazu auch die gelben Balken in der Grafik von GlobalData (Abbildung 5).
System-Integratoren und ITK-Händler …
… mit viel 5G-Erfahrung sind noch selten. Die wird es aber sicher auch bald geben. Wer als Integrator schon große WLAN-Rollouts hinter sich hat, ist von 5G nicht allzu weit entfernt. Der Funk von WLAN und 5G verhält sich ähnlich. Ansonsten haben auch ABB und Siemens schon heute eine starke Stellung in der Fabrikvernetzung. Es bleibt spannend, welche Rolle sie als potenzielle 5G-Systemintegratoren spielen werden.
ITK-Abteilungen von Firmen und Gemeinden …
… kommen ebenfalls als Planer, Erbauer und Betreiber von 5G-Netzen in Frage, teils auch in enger Zusammenarbeit mit oben genannten Parteien. Einige Anwenderfirmen machen dagegen lieber alles komplett selber mit internen Netzwerkexperten, bald auch mit 5G, damit keine Infos und keine Betriebsgeheimnisse aus den Werken in fremde Hände oder fremde Netze hinaus gelangen können. Im Folgenden noch zwei Beispiele von sehr früh kommunizierten 5G-Campus-Projekten:
Telefónica und Ericsson bauen 5G bei Mercedes-Benz
Mercedes-Benz Cars errichtet zusammen mit Telefónica Deutschland und dem Netzwerkausrüster Ericsson in Sindelfingen das weltweit erste 5G-Mobilfunknetz für die Automobilproduktion, in einem über 20.000 m2 großen Bereich, so die Telefónica PR per 17. Juni 2019. Nach Abschluss der Installation und Inbetriebnahme soll das Netz von Mercedes-Benz Cars selbst betrieben werden. Dazu Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland: „Als Telekommunikationsanbieter und Partner für die Industrie verfügen wir über umfassende Erfahrungen bei privaten Netzwerken und modernen 5G-Lösungen, die wir nun in die Kooperation mit Mercedes-Benz Cars einbringen.“
Vodafone und Ericsson helfen e.GO bei 5G-Fabrik
„Vodafone, Ericsson und die e.GO Mobile AG starten heute die mobile Datenvernetzung in der Produktion“, so Tobias Krzossa von Vodafone per 19.06.2019. Im Werk 1 der Fertigung des Elektro-Kleinwagens e.GO Life funke ab sofort das Netz der Zukunft. Vodafone und Ericsson brächten die 5G-Technologien Mobile Edge Computing und Network Slicing direkt in die Fabrik. Kleine Echtzeit-Rechenzentren verarbeiten laut Krzossa die Daten ab sofort direkt in der Produktionshalle. Network Slicing schaffe für e.GO ein autarkes Netz nach Maß, exakt optimiert für die Anforderungen, die die Serienproduktion des kleinen Elektroautos stelle. Insgesamt 36 kleine Mobilfunk-Antennen garantierten in der 8.500 Quadratmeter großen Produktionshalle und der nahezu ebenso großen Logistikhalle künftig Bandbreiten im Gigabit-Bereich und niedrige Latenzzeiten von wenigen Millisekunden. Die Kommunikation zwischen den Maschinen untereinander werde so noch schneller, die digitale Durchdringung der Produktionsprozesse höher und Arbeitsabläufe noch effizienter. „Daten sind ein wichtiger Treibstoff für die moderne Automobilproduktion. Umso wichtiger ist es, dass diese Daten die Produktionshalle nicht mehr verlassen“, so Vodafone Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter.
5G-Campus-Frequenzen: Gerne bald und gerne günstig
Der Autor fragt sich nur, ob und wie die zwei Autobauer aus Aachen und Stuttgart schon seit Juni 2019 lokale 5G-Frequenzen nutzen können, obwohl sie von der BNetzA zum Zeitpunkt der PR-Meldungen noch gar nicht vergeben waren.
Bayern hat mit BMW und Audi ja ebenfalls 5G-affine Autobauer, und der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger „setzt sich für eine preisgünstige und schnelle Lösung für lokale 5G-Frequenzen ein. Seine Forderung richtete er schriftlich an den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer, an den Bundesminister der Finanzen, Olaf Scholz und an den Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier“, so Aiwangers stellvertretende Pressesprecherin Dr. Aneta Ufert per 31. Juli 2019.
„Bayern ist der Wirtschaftsmotor Deutschlands. Unsere Unternehmen brauchen für die digitale Zukunft schnell verfügbares und preisgünstiges 5G. Wir müssen die Verbreitung von 5G-Technologien in der Industrie daher aktiv vorantreiben. Damit setzen wir ein wichtiges Signal, um unsere Wirtschaft zukunftsfähig zu erhalten“, so Aiwanger.
Kurzum: Große Teile der deutschen Industrie, nicht nur die Autobauer, wollen 5G-Campusnetze haben. Die konkreten Preise und Konditionen für die Lizenzvergabe werden seit Ende Juni 2019 quasi täglich von der Bundesnetzagentur erwartet. Daher Aiwangers Aufruf per 31. Juli 2019.
Werden 5G und Wi-Fi 6 der Gesundheit schaden?
Gesundheitsschäden durch Mobilfunk oder WLAN sind wohl noch nirgends zweifelsfrei bewiesen. Tatsächlich ist aber ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung elektrosensibel. Das kann Kopfschmerzen und weitere Beschwerden verursachen. Die potenziellen Auslöser von Beschwerden sind aber nicht nur der Mobilfunk und das WLAN, sondern auch Stromleitungen, Powerline und TV-Sender. Das Problem kommt auch nicht nur von entfernten Sendern, sondern ebenso von den ganz körpernahen Handys. Solche Klagen muss man ernst nehmen, auch wenn die Mehrheit der Menschen offenbar keine Probleme mit den Strahlungen hat und schon gar nicht auf Smartphones verzichten will.
Mit 5G wird das alte Strahlungsthema jetzt wieder ganz aktuell: Bürger in Genf und Brüssel haben 5G-Rollout-Projekte vorerst verhindert. In Zürich, Stuttgart, Bayern und Österreich gab es ebenfalls schon Proteste gegen 5G. In weitgehend menschenleeren Roboterfabriken mit selbstfahrenden Staplern und autonomen Containern dürfte das Thema 5G-Strahlung allerdings eine geringere Rolle spielen.