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5G-Campusnetze versus WLAN in der Autoindustrie
In Kürze können deutsche Betriebe lokale Frequenzen von 3,7 bis 3,8 GHz für private 5G-Campusnetze bei der Bundesnetzagentur beantragen. Vor allem Autobauer zeigen Interesse.
Anfang September 2019 waren zwar noch keine Anträge möglich, doch: „Sobald die Gebührenhöhe feststeht, wird die endgültige Fassung dieser Verwaltungsvorschrift veröffentlicht und der Start des Antragsverfahrens bekannt gegeben“, so die Bundesnetzagentur (BNetzA) auf ihrer Webseite.
Derweil haben deutsche Industriebetriebe und Verbände schon 2018 dafür gekämpft, etwa 25 Prozent der 5G-Pionier-Frequenzen für private, lokale 5G-Netze zu bekommen. Die anderen 75 Prozent der frühen 5G-Frequenzen, von 3,4 bis 3,7 GHz, wurden im Juni 2019 für den Aufbau öffentlicher 5G-Netze an 1&1 Drillisch, Deutsche Telekom, Telefónica Deutschland und Vodafone GmbH versteigert.
Roboter brauchen 5G-Campusnetze
Der Wohlstand von Deutschland hängt nicht zuletzt von der Leistungsfähigkeit der hiesigen Autobauer ab. Der Einsatz von Robotern ist in etlichen Werkshallen bereits weit fortgeschritten. Werden diese jedoch über WLAN gesteuert, dann kommt die größte Schwäche dieser eigentlich sehr beliebten Funktechnik zum Tragen: Es gibt keine garantierte Qualität, weil es für WLAN keine geschützten Frequenzbänder gibt.
Arjen Kreis, bei Audi Leiter der Automatisierungstechnik Karosseriebau, nennt ein Beispiel: Wenn eigene Mitarbeiter, oder externe Besuchergruppen, durch die Fertigungsstraßen gehen, haben sie in der Regel ihre Handys mit WLAN-Empfang oder sogar WLAN-Hotspots aktiviert. Manche tragen sogar mehrere Handys bei sich. Das kann und will man den Mitarbeitern und Gästen anno 2019 auch gar nicht verbieten. Leider wird das Industrie-WLAN aber von den vielen WLAN-Handys negativ beeinflusst. Im schlimmsten Falle könnten einzelne Roboter wegen der Überfüllung der WLAN-Bänder sogar eine Notabschaltung durchführen, weil sie nicht mehr wissen, was sie tun sollen. So weit lässt man es natürlich nicht kommen.
Viel stabiler als WLAN erscheint den Netzwerkplanern der firmeneigene Campus-Mobilfunk, aktuell noch ein 4G-Projekt bei Audi, bald auch mit echter 5G-Technik aufgerüstet, sobald es die lokalen Lizenzen gibt: Damit entfallen die typischen WLAN-Probleme, weil 4G und 5G in lizensierten Bändern funken, was WLAN nicht bieten kann.
Audi Production Lab testet 5G von Ericsson
Audi und Ericsson erproben 5G für die Autoproduktion, sagte auch Dr. Christoph Bach, CTO Service Providers Western Europe bei Ericsson auf der Dresdener 5G-Connect-Konferenz im Mai 2019. Das Audi Production Lab in Gaimersheim bei Ingolstadt werde Ericssons Proof-of-Concept-Netz bekommen. Zudem wolle man prüfen, ob 5G auch in weiteren Fabriken der Audi Gruppe ausgerollt werden kann.
5G-Bedarf der deutschen Auto-Industrie
In der „Kommentierung des Anhörungsentwurfs zur lokalen und regionalen Bereitstellung des Frequenzbereichs 3700 MHz - 3800 MHz für den drahtlosen Netzzugang“ vertraten Arjen Kreis und Christian Ferstl im Namen aller Kollegen des Kompetenznetzwerks 5G der AUDI AG schon am 28. September 2018 folgende Meinung:
„Die vielfältigen Anforderungen der unterschiedlichsten Industrien wird der neue Standard weitaus umfassender erfüllen können als bisherige Technologien. Vielfach höhere Übertragungskapazitäten, sehr geringe Latenzzeiten, flexible Bandbreiten für Up- und Downlink, sichere Datenübertragung, garantierte Datenraten über virtuelle Netzwerke, verteilte Serverarchitekturen und eine hohe Ausfallsicherheit kennzeichnen diese Technologie.“ Eine leistungsfähige, digitale Infrastruktur werde nicht erst auf der Straße, sondern schon bei der industriellen Fertigung von Fahrzeugen benötigt.
100 MHz für industrielle Campuslösungen
Mit der vollen Nutzung der Bandbreite von 100 MHz für industrielle Campuslösungen im Bereich 3,7 bis 3,8 GHz könne die Automobilindustrie zum Vorreiter für weitere Wirtschaftszweige werden, erklären die Audi-Männer. Mit den Innovationen „Made in Germany“ könne Audi einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und damit auch zur Etablierung Deutschlands als Leitmarkt für 5G-Anwendungen leisten.
In Ihrer BNetzA-Kommentierung erläutern die Herren von Audi drei spannende Anwendungsfälle, die man in ähnlicher Form auch in den Kommentaren der Daimler AG und weiterer Autobauer findet:
- Kommunikations-Anbindung von Robotern
- Fahrzeugdaten-Betankung in der Linie
- Fahrzeugdaten-Update im Außenbereich
Kommunikations-Anbindung von Robotern
Die an Industrierobotern montierten Greifer und Aktoren seien aktuell meist noch per Kabel angebunden, welche durch viele Bewegungen und Vibrationen stark beansprucht werden und deshalb sehr kostspielig sind. Eine Alternative zum Kabel sei der Einsatz von Funktechnologie. Hier eine Audi-Beispielrechnung:
- Anzahl Profinet-Netzwerkteilnehmer pro Roboter: 2
- Netzwerkauslastung für bidirektionalen Profinet-Datenaustausch mit Übertragungssicherheit (Uplink/Downlink): 800/800 KBit/s pro Roboter
- Roboter / Fläche Modellhalle: 1800/30.000
- Anzahl Roboter mit Greifern auf einer Fläche von 2000 m2 (Karosseriebau): 120
- Gesamtmenge Netzwerkbandbreite pro Zelle (Uplink/Downlink): 96 MBit/s
- Mit Sicherheit und Puffer: 150 MBit/s
Jürgen Kübler und Anja Misselbeck von der Daimler AG sehen das in ihrem Schreiben an die BNetzA ganz ähnlich und kommentieren dieses Rechenbeispiel so: „Für eine verlässliche Übertragungssicherheit muss die Anbindung der einzelnen UEs (Mobilfunkteilnehmer) in der Endumgebung genauestens evaluiert werden. Wir erwarten allerdings, dass auch hier das verfügbare Spektrum im Umfang von 100 MHz bereits mit der Anzahl der heutigen Anwendungsfälle sehr knapp werden wird und zukünftige Use Cases ausschließt, da die Anwendungen parallel im gleichen Segment stattfinden. Alle oben getroffenen Annahmen basieren außerdem auf dem jeweils günstigsten Fall.“
Fahrzeugdaten-Betankung in der Linie
Jedes Fahrzeug, das produziert wird, werde im Laufe des Produktionsablaufs mit der nötigen Software bespielt, erklären Audi und Daimler fast wortgleich: Die Datenmenge, die nach aktuellem Stand bei diesem Softwared-Download anfällt, liege bei circa 50 GB in 20 Minuten, also einer Download-Rate von knapp 330 MBit/s. Bei einem produzierten Fahrzeug alle 1,5 Minuten seien circa 14 Fahrzeuge gleichzeitig in der Datenbetankung, was auf einen Download-Datendurchsatz von insgesamt 4,6 GBit/s hinauslaufe.
Parallel dazu fände in derselben Zeit ein Daten-Upload von insgesamt 10 GB statt. Demgemäß würden hier 925 MBit/s Upload-Geschwindigkeit benötigt. Um während der Fahrzeugbetankung auch eine Echtzeitdiagnose der Systeme betreiben zu können, müsse systemseitig eine maximale Round-Trip-Latenz von maximal 50 Millisekunden sichergestellt werden. Dafür sei es nötig, pro Fahrzeug eine ausreichend große Menge Frequenzspektrum zu reservieren.
Fahrzeugdaten-Update im Außenbereich
Der heutige und zukünftige Softwareanteil im Fahrzeug steigt stetig an, erläutern Audi und Daimler fast unisono. Bei autonom fahrenden Fahrzeugen sei dieser Softwareanteil auch kritisch in Bezug auf den Insassen- und Personenschutz. Darum sei hier die Aktualität der Daten von größter Wichtigkeit. Im Außenbereich eines Fahrzeugwerkes mittlerer Größe befänden sich circa 1.000 Fahrzeuge. Der Fahrzeugzulauf sei von der Taktung der Produktion abhängig, ebenso wie der Transport der Fahrzeuge zu den Händlern beziehungsweise Exportterminals. Das heißt, auch hier gelten die gleichen Rahmenbedingungen wie im Anwendungsfall 2, der Fahrzeugdaten-Betankung in der Linie.
Die enge Verzahnung der Software-Downloads im Innenbereich und der Software-Uploads im Außenbereich macht deutlich, warum die ursprünglich von der BNetzA geplante Unterscheidung von lokalen Indoor- und lokalen Outdoor-Frequenzen für große Fabriken sehr unpraktisch gewesen wäre. Daneben wird aus den Beispielrechnungen auch klar, warum Frequenzen im Bereich 3700 bis 3800 MHz in der vollen Bandbreite von 100 MHz für lokale Campusnutzungen (mindestens) benötigt werden.
Da nun tatsächlich die vollen 100 MHz ab dem zweiten Halbjahr 2019 für lokale Industrienutzungen zur Verfügung stehen dürften, und sich das Frequenzband nicht künstlich vergrößern lässt, scheint für regionale Nutzungen, wie etwa Städte und Gemeinden, vorerst kein 5G-Spektrum mehr übrig zu sein.
Vergleich: Laptops mit 160 MHz Kanälen
100 MHz sind eigentlich schon jetzt sehr wenig. Zum Vergleich: Ein einziger WLAN-Kanal bei einem guten Wi-Fi-6-Access-Point kann bis zu 160 MHz breit sein. Das Notebook Laptop Razer Blade 15 des Autors mit Intel-Core-i7-8750H-CPU und Geforce-RTX-2070-Grafik hat standardmäßig ab Werk das WLAN-Funkmodul Intel Dual Band Wireless-AC 9560 unter der Haube, das 160 MHz breites WLAN beherrscht. Allerdings kann man 160 MHz am Stück in einer städtischen Umgebung mit vielen WLAN-Nachbarn anno 2019 kaum noch irgendwo finden. Die WLAN-Bänder sind oft übervölkert und überlastet. Über eine Vergrößerung des WLAN-Frequenzspektrums wird in der EU in Brüssel deshalb gerade diskutiert.
Ausblick: 5G bei 26 GHz mit 1.000 MHz-Bändern
Zurück zu 5G: Unser Notebook-Beispiel macht klar, warum 5G auch bald bei 26 GHz funken sollte: Da wird es dann vermutlich 1.000 MHz breite Bänder geben. Das bedeutet mehr Platz in der Luft, für noch mehr Geschwindigkeit, aber auch für weitere Anwendergruppen.
Für lokale Zuteilungen bei 26 GHz, insbesondere für 5G-Anwendungen „hat die Bundesnetzagentur erste Erwägungen entwickelt, die als Grundlage für die Erarbeitung von Zuteilungsregelungen dienen sollen... Interessierte Kreise waren bis zum 19. Oktober 2018 aufgerufen, die Erwägungen für die zukünftige Nutzung des 26-GHz-Bandes (24,25 - 27,5 GHz) zu kommentieren und Informationen zu den aufgeführten Fragen einzureichen. Die Stellungnahmen werden derzeit ausgewertet“, so die Bundesnetzagentur per August 2019. 5G steht also ganz am Anfang, es kommt noch mehr.