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4 Trends bei der Netzwerkhardware und die Folgen
Die Haupttrends bei der Netzwerkhardware zeigen das Interesse der Unternehmen an anbieterneutralen Optionen und offenen Modellen. Legacy-Designs könnten dem aber im Wege stehen.
Jahrelang haben die Anbieter die Innovationen beim Networking diktiert. Sie haben ihre eigenen Chips, Appliances und Netzwerkdesigns entwickelt und produziert – und die Unternehmenskunden haben die Produkte gekauft.
Aufgrund dieses traditionellen, anbietergetriebenen Prozesses blieben viele Unternehmen bei Netzwerken, die sich nur schwer anpassen und modernisieren ließen, so Dinesh Dutt, Techniker, Buchautor und Mitbegründer von Stardust Systems, einem Unternehmen für Network Observability mit Schwerpunkt auf Open-Source-Software.
Jüngste Netzwerkinnovationen greifen das anbieterlastige Modell an und machen sich für Open Networking und Skalierbarkeit stark. Während die meisten der aktuellen Entwicklungen im Bereich der Software zu verzeichnen sind, gibt es laut Dutt auch bei der Netzwerkhardware eine Evolution.
Die wichtigsten Trends bei der Netzwerkhardware betreffen Veränderungen der Art und Weise, wie:
- Switching-Chips hergestellt werden
- Geräte produziert werden
- Betriebssysteme auf diesen Geräten laufen
- Geräte physisch verbunden werden
Einige der Schlachten wurden bereits gewonnen – wenn man zum Beispiel an das Aufkommen von Merchant Silicon denkt, also standardgefertigten Halbleiterelementen. Bei anderen steht das Ergebnis noch nicht fest, sagt Dutt.
1. Das Aufkommen von Merchant Silicon
Die Verwendung von Merchant Silicon für Netzwerkgeräte hat sich weitgehend zu einem Industriestandard entwickelt, der sich aus einem einst kleinen Trend entwickelt hat.
Es ist noch nicht lange her, dass Netzwerkausrüster ihre eigenen Chips hergestellt und auf proprietärer Hardware betrieben haben. Heute verlassen sich die gleichen Anbieter häufig auf Merchant Silicon in Form von Commodity-Switching-Chips von Unternehmen wie Broadcom und Marvell.
Arista zum Beispiel hat sein Geschäft auf einem Merchant-Silicon-Modell aufgebaut, anstatt einen eigenen Switching-Chip zu entwickeln und herzustellen, so Dutt. Die Geschäftsmodelle von Unternehmen wie Arrcus, DriveNets und Volta Networks basieren ebenfalls auf Merchant Silicon und White Box Networking.
Einige Netzwerkausrüster haben sogar ihr eigenes Merchant Silicon eingeführt. 2019 kündigte Cisco seinen Silicon-One-Chip an, der neben der eigenen Hardware auch White Box Switches unterstützt.
Der Siegeszug von Merchant Silicon ist laut Dutt vergleichbar mit der Entwicklung von Rolex-Uhren gegenüber Standarduhren. Früher musste man eine teure Rolex-Uhr kaufen, um eine exakt funktionierende Uhr zu haben. Jetzt aber reichen auch günstige Marken für eine genaue Zeitanzeige.
Auf die gleiche Weise wurden herkömmliche Netzwerkgeräte durch billigere Commodity-Chips ersetzt, wie Application-specific Integrated Circuits (ASIC) und Application-specific Integrated Processors (ASIP). Diese Chips sind nicht nur preiswerter, sondern bieten den Unternehmen auch eine breitere Palette an Optionen und Flexibilität bei ihren Netzwerkdesigns.
Smart NICs mit unterschiedlichem Potenzial
Ein mit Merchant Silicon verwandter Trend ist die Entwicklung von Smart Network Interface Cards (Smart NIC), Functional Accelerator Cards (FAC) und Data Processing Units (DPU). Diese Chips übernehmen zusätzliche Funktionen – wie Computing, Routing, Storage und Firewalling –, um die Server zu entlasten.
Vor allem Cloud Provider haben die Einführung von Smart NICs vorangetrieben, da sie von der Möglichkeit profitieren, die Computing- und Bandbreitenkosten in einem so großen Maßstab zu optimieren. Unternehmen hingegen sind in der Regel kleiner und würden nicht so stark von der Smart NIC-Einführung profitieren.
„Smart NICs sind großartig, wenn es um Offloading geht“, erklärt Dutt. „Die Frage ist nur, bei welchem Umfang, welcher Performance und zu welchen Kosten?“
Einige Analysten gehen trotzdem davon aus, dass Unternehmen einen Nutzen in Smart NICs, FACs und DPUs sehen werden, wenn es mehr Anwendungsfälle gibt. In seinem Bericht Hype Cycle for Enterprise Networking für das Jahr 2021 führt Gartner FACs am Anfang des Zyklus auf, der in fünf bis zehn Jahren das „Plateau der Produktivität“ erreichen dürfte. Gartner erwartet, dass der Einsatz im Enterprise-Umfeld bis 2024 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 115 Prozent zunehmen wird.
2. White Boxes und Switches mit festem Formfaktor
Die meisten Netzwerkausrüster setzen auf ein Appliance-getriebenes Ökosystem. Infolgedessen haben Unternehmen das Design und Management ihrer Netzwerke auf die von ihnen eingesetzten Appliances und die dafür spezifischen Konfigurationen ausgerichtet und nicht auf ihre Geschäftsanforderungen, so Dutt.
„Die Betreiber von Unternehmensnetzwerken haben nicht nur gelernt, wie man einen Befehl auf einem Gerät eingibt, sondern sie haben auch das Netzwerkdesign von den Anbietern übernommen“, sagt Dutt. „Somit waren die ausgestellten Zertifizierungen alle auf die Stärken eines Geräts und nicht auf allgemeine Networking-Prinzipien ausgerichtet.“
Stattdessen sollten seiner Meinung nach die Anbieter von Appliance-Modellen abrücken und sich mehr auf die Bereitstellung einer Plattform konzentrieren.
White Box Switches könnten dazu beitragen, eine stärker plattformorientierte Strategie zu verfolgen. Mit White Box Switching eröffnet sich für Unternehmen die Möglichkeit, Commodity Appliances zu kaufen, auf denen keine Betriebssysteme vorinstalliert sind. Auf diese Weise können sie das von ihnen bevorzugte Netzwerk-OS auswählen. Netzwerkteams hätten die Möglichkeit, ihre Netzwerkdesigns besser an die Anwendungen anzupassen, die sie unterstützen müssen, und die Investitionskosten senken.
Die Einführung von White Boxes in Unternehmen hat sich jedoch verzögert, was vor allem auf die Komplexität der Integration und die Vertrautheit mit Legacy-Anbietern zurückzuführen ist. In gewisser Weise wirkt die Anpassungsfähigkeit, die White Boxes bieten, abschreckend, weil einige Unternehmen nicht wissen, welches Betriebssystem sie einsetzen sollen, oder stattdessen Markennamen bevorzugen, die sie kennen.
Switches mit festem Formfaktor (FFF-Switches)
Ein weiterer Trend bei Netzwerkgeräten, den Dutt erwähnt, ist die Abkehr von großen, Chassis-basierten Switches hin zu Switches mit festem Formfaktor. Letztere werden mitunter abgekürzt FFF-Switches genannt. Diese Switches, die aufgrund ihrer Form manchmal auch als Pizzakartons bezeichnet werden, sind klein, flach und stapelbar. Außerdem lässt sich das Troubleshooting bei Ausfällen oder Störungen leichter durchführen.
„Die Fehler, die bei diesen FFF-Switches auftreten, sind viel einfacher. Zudem sind die Geräte günstiger in der Anschaffung und im Austausch als die Chassis-basierten“, so Dutt. Aufgrund ihrer geringeren Größe können Switches mit festem Formfaktor dazu beitragen, den Platzbedarf, den Overhead und den Stromverbrauch zu reduzieren.
3. Betriebssystem für das Management der Netzwerkhardware
White Box Switching kann nicht erfolgreich sein, wenn Unternehmen die Möglichkeit fehlt, das Betriebssystem für die Verwaltung ihrer Netzwerkhardware auszuwählen. Betriebssysteme haben ihre Veränderungen erfahren, was zum Teil auf das Drängen der Branche nach Interoperabilität und Open Networking zurückzuführen ist.
In den letzten Jahren haben viele Organisationen an der Entwicklung von Open-Source-Netzwerkbetriebssystemen (Network Operating System, NOS) gearbeitet, die die Abhängigkeit von proprietärer Hardware verringern können. Als Beispiel nennt Dutt das ursprünglich von Microsoft ins Leben gerufene Projekt Software for Open Networking in the Cloud. Einige Netzwerkausrüster und Start-ups haben ebenfalls versucht, Open-Source-NOSes populär zu machen, sagt er.
Trotz der Bemühungen der Branche, mehr NOS-Optionen zu unterstützen, haben Open-Source-Betriebssysteme mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie White Box Switching, etwa mit Komplexität und fehlendem Support. Und die Schicksale von White Boxes und offenen Betriebssystemen sind miteinander verknüpft.
„Das Fehlen eines Netzwerkbetriebssystems für White Boxes behindert die Möglichkeit, eine White Box zu nutzen“, erklärt Dutt. Damit sich beides durchsetzen kann, ist seiner Ansicht nach der gleiche Designwechsel von einem Appliance-Modell zu einem Plattformmodell erforderlich.
4. Mehr Optionen für die Netzwerkverkabelung
Letztlich funktionieren Netzwerk-Appliances und Betriebssysteme nur, wenn sie miteinander verbunden sind. Im Bereich der drahtlosen und mobilfunkgestützten Konnektivität wurden Wi-Fi 6 und 5G entwickelt, und Unternehmen haben begonnen, beides in ihren LANs und WANs einzusetzen.
Data Center können jedoch keine WLAN-Verbindungen nutzen, sondern benötigen Netzwerkkabel. Obwohl es um die Netzwerkverkabelung in Bezug auf die sich abzeichnenden Trends relativ ruhig geblieben ist, haben sich doch einige Änderungen ergeben, so Dutt.
Früher mussten Unternehmen, wenn sie Hardware von einem bestimmten Anbieter kauften, auch die passenden Kabel von ebendiesem Anbieter erwerben. Aber genauso wie bei Netzwerk-Appliances und Betriebssystemen eine Verschiebung in Richtung Offenheit und anbieterneutralen Optionen stattgefunden hat, ist es für Unternehmen zunehmend möglich, Kabel von anderen Anbietern einzusetzen.
„Ursprünglich musste man, wenn man Hardware von Cisco anschaffte, auch eine Verkabelung kaufen, die nur von Cisco angeboten wurde“, sagt er. „Jetzt ist es ohne Weiteres möglich, Hardware von Cisco und Kabel von Finisar direkt zu kombinieren.“
Wie man Netzwerkdesigns neu plant oder umgestaltet
Angesichts der diversen Änderungen im Networking ist es für Unternehmen möglicherweise schwierig zu wissen, welche Modernisierungen sie vornehmen oder wie sie ein neues Netzwerk gestalten sollen.
„Betrachten Sie das Netzwerkdesign unabhängig von den Anbietern. Wählen Sie ein Netzwerkdesign, das speziell auf Ihre Anwendungen zugeschnitten ist.“
Dinesh Dutt, Stardust Systems
Dutt rät Unternehmen, die folgenden Schritte zu priorisieren, wenn sie Änderungen an der Netzwerkhardware in Betracht ziehen:
- Nutzen Sie so oft wie möglich Switches mit festem Formfaktor.
- Entscheiden Sie sich für das einfachste Netzwerkdesign.
- Vertrauen Sie nicht auf das vom Anbieter bestimmte Design.
- Arbeiten Sie mit Serverteams zusammen, um Ihr Netzwerkdesign zu vereinfachen.
- Verfolgen Sie einen anderen Ansatz bei Failure Domains – es geht nicht um einen einzelnen Fehler, sondern um den Ausfall des Netzwerks als Gesamtsystem.
- Setzen Sie sich intensiv mit Netzwerk-Tools auseinander, und suchen Sie sich solche Werkzeuge, die Ihnen helfen, Ihr Netzwerk zu verstehen.
Letztendlich ermutigt Dutt die Unternehmen, mit einfachen Mitteln zu beginnen.
„Kehren Sie zu den Grundprinzipien zurück“, empfiehlt er. „Betrachten Sie das Netzwerkdesign unabhängig von den Anbietern. Wählen Sie ein Netzwerkdesign, das speziell auf Ihre Anwendungen zugeschnitten ist. Und arbeiten Sie mit dem Serverteam zusammen. Schließlich sitzen Sie beide im gleichen Boot.